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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 31.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.8258#0378
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8550

Weihnacht M4.

Und wieder rüsten sich die Völker,
Bei Kerzenglanz und Glockenton
Den Tag zu feiern, da zur Erde
herniederstieg der Gottessohn,
Der das Gebot der Nächstenliebe
NIs Urquell seiner Lehre pries
Und den verirrten Menschenherzen
Den lveg zum ew'gen Frieden wies.

von tausend Uanzeln und Mären
Verkündet man in dieser Nacht
Die frohe Botschaft, die den Seelen
Versöhnung, heil und Glück gebracht-
Doch in der predigt fromme Worte
Mischt sich ein ferner Donner ein
Und in das Licht der lveihnachtskerzen
Flammt brennender Gehöfte Schein!

Was Menschen mühvoll sich erwarben
Und schufen mit der Hände Fleiß,
Das müssen opfern sie und darben,
Und niemand noch ein Ende weiß.
„Wo leuchtet uns ein Stern der Hoffnung,"
Fragt zweifelnd sich der gläub'ge Christ,
„Wenn nach zweitausendjähr'gem Wirken
Dies Weihnachtsfest die Ernte ist?" -

Doch während er die Frage sendet
Zum Himmel mit umflortem Blick,
Tönt von der Erde, nah und ferne,
Ein kräftig Trostwort ihm zurück:
hier leuchten deiner Hoffnung Sterne,
hier lebt und wirkt des Geistes Urast,
Der deinem wunden Herzen Heilung,
Erfüllung deinem Sehnen schafft!

Was Priesterweisheit nicht gelungen,
Der Staatskuust unerreichbar war,
Das kann und will und wird vollbringen
Des Volkes festgefügte Schar!
Dann trifft, was dir die Schrift verheißen,
Des Engels Freudenbotschaft ein:
„Der Menschen Tun regiert die Liebe,
Und Friede wird auf Erden sein!"

Trost.
Ihr kennt die langverklung'ne Märe
Vom Wolfe, der die alte Welt,
Als ob sie gute Beute wäre.
Am jüngsten Tag im Nachen hält.
Doch kann der Wolf sie nicht verdauen,
Er stirbt — die Welt wird wieder jung;
Lell leuchtet auf aus Nacht und Grauen
Die junge Götterdämmerung.
Und von dem neuen grünen Eiland,
Beglänzt vom gold'nen Sonnenstrahl,
Verschwindet all die Not, die weiland
Der Menschheit Glück und Frieden stahl.
es es
Feldpostbriefe.
IX.
Geliebte Rieke! Der Soldat muß im Felde
an alles denken, auch wenn es gar nicht nötig
zu sein scheint, und deshalb vergaß unsere
Kompagnie nicht einen Augenblick, daß dieser
Tage in der Heimat das Weihnachtsfest gefeiert
wird und daß man da allerhand geschenkt
kriegt, von den Punsch und den Bierkarpfen
ganz zu schweigen. Die Sehnsucht nach die
fernen Lieben schlug sich bei einige von unsere
jüngeren Rekruten auf die inneren Organe,
so daß sie egal ihre Nasen schneuzen mußten.
Damit diese melancholische Rührung nicht
überhand nahm und wir in etwas festliche
Stimmung kamen, setzte unser Feldwebel auf
zwei Uhr nachmittags eine Lumpenparade an,
wo unsere Uniformfachen eine strenge Muste-
rung unterzogen wurden. Der Anblick der ab-
gerissenen Knöpfe und durchgescheuerten Hosen-
böden gab der Seelenstimmung eine andere
Wendung, und der Radau, der sich bei solchen
Gelegenheiten zu entwickeln pflegt, stärkte die
weich gewordenen Gemüter und versetzte uns
im Geiste in die heimatliche Kaserne retour.
Unser Feldwebel, der sich seine friedliche
Dienstauffassung von wegen proppere Uni-

formen leider noch immer nicht abgewöhnen
kann, obwohl dieses im Kriege eins Unmög-
lichkeit ist und der Dreck von Tag zu Tage
dicker draufliegt, brüllte so laut, daß die
schwarzen Afrikaner in dem gegenüberliegen-
den französischen Schützengraben schon an-
fingen, unruhig zu werden und glaubten, cs
solle wieder mal losgehen.
Als es schummerig wurde, war die Lumpen-
parade zu Ende, und wir sahen gerade zu,
wie die Turkos drüben ihre tägliche Abend-
andacht exerzierten. Bei diese Verrichtung
müssen sie sich aus ein Schnupftuch knien, den
Kopp in eine bestimmte Himmelsrichtung
drehen und das Allah-Unser beten. Da kam
auf einmal die überraschende Meldung, daß
ein Zivilauto eingetroffen wäre, und schon sah
ich, wie die Benzinkutsche bei unfern Haupt-
mann hielt und zwei Damen ausgeladen wur-
den, die wie die üblichen Sanitütstanten vons
Rote Kreuz aussahen und bei mir weiter keine
Vermutungen erweckten. Aber hinter die Weib-
lichkeit entlud sich dann ein Sack nach dem
andern, und aus jedem Sack kamen Dutzende
von Paketen zum Vorschein und, was soll ich
Dir sagen, geliebte Rieke, es war die Liebes-
gabensendung, die die Berliner Angehörigen
unserer Kompagnie als Weihnachtsbescherung
ausgerüstet hatten! Du kannst Dir denken,
welche Folgen dieses Ereignis hervorrief. Nun
konnten wir einen richtigen-Heiligen Abend
feiern, beinahe wie zu Hause, und sogar ein
Weihnachtsbaum war mang und durfte an-
gestochen werden! Die Rekruten wischten sich
die Nasen zum letzten Mal und schlugen sich
ihre jugendlichen Kaldaunen voll Pfeffernüsse.
Ich aber führte mir Muttern ihre Dauerwurst
und Vatern seinen Mampe zu Gemüts, und
mein Auge verweilte mit dankbare Rührung
auf das Paar wollene Socken, dis Du mir
gestrickt hast. Leider waren sie ein bißchen zu
groß, und wenn es auch ein Beweis für Dein
gutes Herz ist, daß Du Dir von die Körper-
teile Deines Bräutigams eine so schmeichel-
hafte Vorstellung machst, so hättest Du Dir
doch vorher bei Deine Mutter erkundigen kön-

nen, die Dir würde gesagt haben, daß Hinter-
flossen von sünfundvierzig Zentimeter Länge
sogar bei die Garde-Infanterie nicht gebräuch-
lich sind. Und dann, geliebte Rieke, hättest Du
die Zigarren nicht in die Socken stechen sollen
oder mir wenigstens instruieren müssen, daß
sie drinne sind. So merkte ich nichts von und
habe in diesem unbewußten Zustand mit die
neuen Socken einen achtstündigen Patrouillen-
gang gemacht, wo ich dann erst am Abend
beim Ausziehen in jeden Strumpf den fast un-
kenntlichen Jrus von fünf Glimmstengel vor-
fand, die ich nun leider bloß in die Pfeise
rauchen kann, wo sie mir aber sehr aus die
Zunge beißen.
Trotzdem danke ich Dir mit tiefe Empfin-
dung für die wohlgemeinte Weihnachtsüber-
raschung und bin bis aus weiteres Dein ewig
getreuer Bräutigam
August Säge jun., Garde-Grenadier.
Vom Balkan.
Willst du Bären tanzen lassen,
Stelle sie auf eine Platte,
Leize tüchtig dann von unten —
Bis die Platte glühend ist.

Also macht es auf dem Balkan
Schon seit Jahren Freund Knutowsky;
Tanzen tun sie, bis der Leizer
Sich die Pfoten selbst verbrennt.
 
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