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Zum neuen Jahr.
Ambrandek von den Fluken
Des Kriegs und der Gefahr,
In Wolken und in Gluten,
Erscheint das neue Jahr.
Im Schoß der Zeiten schlief es,
Von Flammen rings umloht.
Nun schaut sein rätseltieses
Gesicht ins Morgenrot.
Was hast du uns zu künden,
Wozu bist du gewillt?
Will bald der Blutslrom münden
And wird die Wut gestillt?
Ob bald von deinen Schultern
Der blutige Mantel fällt?
And machst du aus den Duldern
Erlöste dieser Welt?
Das uns in Nacht getroffen,
Jahr, zieh in Licht hinaus,
And trage unser Hoffen
Zu Frucht und Blüte aus.
Karl Bröger.
Deutschlands Gegnern.
Wir streckten aus die Bruderhand,
Wir ließe» unser» Ruf erschallen.
Wir ließen tveithin übers Land
Des Friedens weißes Banner wallen.
Ihr aber habt uns nicht gehört,
Ihr habt die Bruderhand verstoßen.
Weil ihr, von Laß und Wahn betört.
Noch Pläncn nachjagt, uferlosen.
Wir sehen's stumm und voller Weh,
Wir sehen's voller Schmerz und Leide —
So muß denn schärfer noch als je
Das blanke Schwert aus lockrer Scheide!
Doch alles Blut, das noch verrinnt,
Und alle Lerzen, die noch breche» —
Es wird einst Kind und Kindeskind
Dafür allein euch schuldig sprechen!
Ernst Klaar.
Feldpostbriefe.
XXXYI.
Lieber Maxe! Du bedauerst mir, iveil ich
mir am Silvesterabend fern von die heimat-
lichen Lieben in die Düsternis des Schützen-
grabens langweilen mußte, und um mir ein
ivenig zu erheitern, gibst Du mir eine warm
empfundene Schilderung von alle die Ver-
gnüglichkeiten, die Du an diesen Abend erlebt
und genossen hast. Das ist nett von Dir und
ich erkläre Dir für ein Gemüt!
Also Tante Schultze hatte Dir und Paule'»
nach Pankow eingeladen, und Ihr habt mit
die beiden Cousinen Glück gegriffen und zu
allgemeine Belustigung hast Du die Braut ge-
zogen. Und dann habt Ihr Euch eine piknoble
Punschbowle gemacht und Pfannkuchen ge-
präpelt. Und am Neujahrsmorgen seid Ihr
dann auf die Eisbahn gezogen und habt mit
ein paar andere Cousinen stramm pussiert.
Zunächst, lieber Maxe, muß ich mir wun-
dern, wo Ihr auf einmal alle die Cousinen
herkriegt, denn in Friedenszeiten gab es die
doch nicht, und ich vermutmaße, daß es Cou-
sine» sind, deren richtige Cousins — so wie
zum Beispiel ich einer bin — für das Vater-
land im Felde stehen, so daß sie sich in ihre
Vereinsamung jetzt mit so schadhafte Jüng-
linge — wie zum Beispiel Du einer bist —
behelfen müssen. Aber immerhin muß auch in
Kriegszeiten für die Mädchenwelt gesorgt wer-
den, dainit sie nicht einrostet, und ich gönne
Euch das Vergnügen gern, denn wenn wir
nachher wieder zu Hause sind, dann ist es mit
Eurer Herrlichkeit so wie so Essig, indem Ihr
dann von den sachverständlichen Damcnflor
als „D. U." ausgemustert werdet! Also inso-
weit freue ich mir, daß Du Dir mit Deine
bescheidene Mittel solche Mühe gibst.
Aber in die andere Hinsicht kann ich Dir
allerdings nicht beipflichten; nämlich weil Du
meinst, daß nur hier in die Silvesternacht nichts
erlebt und nicht die geringste Erheiterung ge-
nossen haben. Lieber Maxe, da bist Du schief
gewickelt! Auch ich und mein Kamerad Fritze
Lehmann aus die Ackerstraße hatten für diesen
Abend eine Einladung bekommen, die wir
gerne Folge leisteten. Und auf eine Eisbahn
sind wir auch gewesen, aber mit Cousinen
haben wir nicht pussiert, sondern im Gegenteil!
Also am Silvesternachmittag kriegte ich und
Fritze Lehmann jeder eine Einladung nicht
zu Tante Schultze» nach Pankoiv, sonder» zu
eine nächtliche Patrouille gegen den Feind.
Wir meldeten uns beim Leutnant, der auf
seine Generalstabskarte uns das Festlokal er-
klärte und das Vergnügungsprogramm ent-
warf. Wir sollten nur feststellen, ob sich
hinter die überschwemmte Wiese, die zwischen
uns und die französische Linie liegt, keine
Feinde nicht mehr befanden. Es war nach-
mittags sehr schönes warmes Wetter gewesen,
aber gegen Abend fing es plötzlich sehr stark
zu frieren an und als wir so un> Neune los-
gondelten, war es ganz barbarisch kalt. Nach
etwa zweistündiges Schleiche», Schlängeln und
Kriechen waren wir glücklich an die über-
schwemmte Wiese rangekommen und der Ge-
freite, der die Patrouille führte, flüsterte uns
zu: „Paßt Achtung, daß ihr nicht ins Wasser
fallt!" In demselben Augenblick sahen wir
auch schon den Spiegel vor uns glänzen und
in kaum dreißig Meter Entfernung stand ein
feindlicher Doppelposten: zwei baumslange
Marokkaner, die wie die Schneidergesellen
froren! Das Klappern ihrer schwärzlichen Ge-
beine war so laut, daß sie unsere Annäherung
überhörten und uns bis auf zehn Schritte
herankommen ließen, ehe sie sich zum beschleu-
nigten Ausriß entschloßen. Sie stürzten sich
mit Todesgrauen in die überschwemmte Wiese
— aber siehe da: das Wasser war festgesroren
und hielt über! Lieber Maxe, diesen Anblick
hätte ich Dir gegönnt, denn es läßt sich nicht
beschreiben, wie die beiden Wüstensöhne sich
auf das ungewohnte glitschige Element gebär-
deten! Schliddern hatten sie in die Sahara
wahrscheinlich nicht gelernt, und daher ver-
«8rt/n
Mstorlsclw
%
et'
!m a
suchten sie die glibberige Fläche in Eilschritt
zu nehmen. Und was sie dabei mit ihre langen
Gliedmaßen für Exekutionen ausübten, da war
ein Parademarsch vom ungedienten Landsturm
ein militärisches Schauspiel dagegen! Jetzt
machten ich und Fritze Lehmann uns ebenfalls
auf die Socken. Aber wir blieben mit listiges
Bewußtsein aufs feste Erdreich und umgingen
in gute Deckung die Wiese, wo wir denn auch
bald in alle Ruhe und wohlbehalten an die
andere Seite anlangten. Hier erwarteten wir
hinter ein Gebüsch die beiden Wilden, die nach
Beendigung ihrer Tänze auf die Eisbahn ans
Ufer krochen und sich ohne weitere Kompli-
mente gefangen nehmen ließen. Damit war
unsere Aufgabe erfüllt, denn weitere Feinde
gab es nicht, und unsere Silvesterpatrouille
konnte mit gutem Gewissen retour machen.
Wir kriegten eine Belobigung vom Haupt-
mann und jeder einen Topf heiße Erbsensuppe
mit Kommisbrot, an die sich auch die beiden
verklammten Söhne des Südens mit Befrie-
digung beteiligten. Lieber Maxe, ich glaube
beinahe, dieses Festessen hat uns besser ge-
schmeckt, als wie Euch Eure Silvesterbowle
nebst Pfannkuchen und Cousinen bei Tante
Schultze! Also brauchst Du mir nicht weiter
zu bemitleiden und darfst mir in Zukunst mit
Deine schmeichelhaften Erlebnisse verschonen!
Wohingegen ich mir über etwas Rauchbares
sehr freue» würde, was ich Dich bitte, Deiuem
nächsten lieben Brief höflichst beizupacken.
In diese sichere Erwartung wünsche ich Dir
und Deinen sämtlichen Tanten und Cousinen
ein glückliches neues Jahr! Dein Freund
August Säge ju»., Garde-Grenadier.
Schlimme Zeiten.
Laudrat v. Bonin hat einen offene» Brief
an seine Wähler gerichtet, worin er vor „noch
größerer Demokratisierung und Verjudung un-
serer öffentlichen Zustände" warnt.
Die Zustände sind allerdings himmelschrei-
end. Demokraten und Juden werde» ohne jedes
besondere Abzeichen in Feldgrau gesteckt, so
daß man sie — o Schmach -- von weitem
mit einem derer von Bonin verwechseln kann.
Ja, mancher von ihnen erfrecht sich mit der
bekannten Zudringlichkeit, Heldentaten wie
andere zu begehen und das Eiserne Kreuz eiu-
zuheimsen. Der Zusammenbruch Deutschlands
wäre tatsächlich unvermeidlich, wenn nicht zu
unserem Glück Herr v. Bonin so gut aufpasseu
würde. Heil!
Zum neuen Jahr.
Ambrandek von den Fluken
Des Kriegs und der Gefahr,
In Wolken und in Gluten,
Erscheint das neue Jahr.
Im Schoß der Zeiten schlief es,
Von Flammen rings umloht.
Nun schaut sein rätseltieses
Gesicht ins Morgenrot.
Was hast du uns zu künden,
Wozu bist du gewillt?
Will bald der Blutslrom münden
And wird die Wut gestillt?
Ob bald von deinen Schultern
Der blutige Mantel fällt?
And machst du aus den Duldern
Erlöste dieser Welt?
Das uns in Nacht getroffen,
Jahr, zieh in Licht hinaus,
And trage unser Hoffen
Zu Frucht und Blüte aus.
Karl Bröger.
Deutschlands Gegnern.
Wir streckten aus die Bruderhand,
Wir ließe» unser» Ruf erschallen.
Wir ließen tveithin übers Land
Des Friedens weißes Banner wallen.
Ihr aber habt uns nicht gehört,
Ihr habt die Bruderhand verstoßen.
Weil ihr, von Laß und Wahn betört.
Noch Pläncn nachjagt, uferlosen.
Wir sehen's stumm und voller Weh,
Wir sehen's voller Schmerz und Leide —
So muß denn schärfer noch als je
Das blanke Schwert aus lockrer Scheide!
Doch alles Blut, das noch verrinnt,
Und alle Lerzen, die noch breche» —
Es wird einst Kind und Kindeskind
Dafür allein euch schuldig sprechen!
Ernst Klaar.
Feldpostbriefe.
XXXYI.
Lieber Maxe! Du bedauerst mir, iveil ich
mir am Silvesterabend fern von die heimat-
lichen Lieben in die Düsternis des Schützen-
grabens langweilen mußte, und um mir ein
ivenig zu erheitern, gibst Du mir eine warm
empfundene Schilderung von alle die Ver-
gnüglichkeiten, die Du an diesen Abend erlebt
und genossen hast. Das ist nett von Dir und
ich erkläre Dir für ein Gemüt!
Also Tante Schultze hatte Dir und Paule'»
nach Pankow eingeladen, und Ihr habt mit
die beiden Cousinen Glück gegriffen und zu
allgemeine Belustigung hast Du die Braut ge-
zogen. Und dann habt Ihr Euch eine piknoble
Punschbowle gemacht und Pfannkuchen ge-
präpelt. Und am Neujahrsmorgen seid Ihr
dann auf die Eisbahn gezogen und habt mit
ein paar andere Cousinen stramm pussiert.
Zunächst, lieber Maxe, muß ich mir wun-
dern, wo Ihr auf einmal alle die Cousinen
herkriegt, denn in Friedenszeiten gab es die
doch nicht, und ich vermutmaße, daß es Cou-
sine» sind, deren richtige Cousins — so wie
zum Beispiel ich einer bin — für das Vater-
land im Felde stehen, so daß sie sich in ihre
Vereinsamung jetzt mit so schadhafte Jüng-
linge — wie zum Beispiel Du einer bist —
behelfen müssen. Aber immerhin muß auch in
Kriegszeiten für die Mädchenwelt gesorgt wer-
den, dainit sie nicht einrostet, und ich gönne
Euch das Vergnügen gern, denn wenn wir
nachher wieder zu Hause sind, dann ist es mit
Eurer Herrlichkeit so wie so Essig, indem Ihr
dann von den sachverständlichen Damcnflor
als „D. U." ausgemustert werdet! Also inso-
weit freue ich mir, daß Du Dir mit Deine
bescheidene Mittel solche Mühe gibst.
Aber in die andere Hinsicht kann ich Dir
allerdings nicht beipflichten; nämlich weil Du
meinst, daß nur hier in die Silvesternacht nichts
erlebt und nicht die geringste Erheiterung ge-
nossen haben. Lieber Maxe, da bist Du schief
gewickelt! Auch ich und mein Kamerad Fritze
Lehmann aus die Ackerstraße hatten für diesen
Abend eine Einladung bekommen, die wir
gerne Folge leisteten. Und auf eine Eisbahn
sind wir auch gewesen, aber mit Cousinen
haben wir nicht pussiert, sondern im Gegenteil!
Also am Silvesternachmittag kriegte ich und
Fritze Lehmann jeder eine Einladung nicht
zu Tante Schultze» nach Pankoiv, sonder» zu
eine nächtliche Patrouille gegen den Feind.
Wir meldeten uns beim Leutnant, der auf
seine Generalstabskarte uns das Festlokal er-
klärte und das Vergnügungsprogramm ent-
warf. Wir sollten nur feststellen, ob sich
hinter die überschwemmte Wiese, die zwischen
uns und die französische Linie liegt, keine
Feinde nicht mehr befanden. Es war nach-
mittags sehr schönes warmes Wetter gewesen,
aber gegen Abend fing es plötzlich sehr stark
zu frieren an und als wir so un> Neune los-
gondelten, war es ganz barbarisch kalt. Nach
etwa zweistündiges Schleiche», Schlängeln und
Kriechen waren wir glücklich an die über-
schwemmte Wiese rangekommen und der Ge-
freite, der die Patrouille führte, flüsterte uns
zu: „Paßt Achtung, daß ihr nicht ins Wasser
fallt!" In demselben Augenblick sahen wir
auch schon den Spiegel vor uns glänzen und
in kaum dreißig Meter Entfernung stand ein
feindlicher Doppelposten: zwei baumslange
Marokkaner, die wie die Schneidergesellen
froren! Das Klappern ihrer schwärzlichen Ge-
beine war so laut, daß sie unsere Annäherung
überhörten und uns bis auf zehn Schritte
herankommen ließen, ehe sie sich zum beschleu-
nigten Ausriß entschloßen. Sie stürzten sich
mit Todesgrauen in die überschwemmte Wiese
— aber siehe da: das Wasser war festgesroren
und hielt über! Lieber Maxe, diesen Anblick
hätte ich Dir gegönnt, denn es läßt sich nicht
beschreiben, wie die beiden Wüstensöhne sich
auf das ungewohnte glitschige Element gebär-
deten! Schliddern hatten sie in die Sahara
wahrscheinlich nicht gelernt, und daher ver-
«8rt/n
Mstorlsclw
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et'
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suchten sie die glibberige Fläche in Eilschritt
zu nehmen. Und was sie dabei mit ihre langen
Gliedmaßen für Exekutionen ausübten, da war
ein Parademarsch vom ungedienten Landsturm
ein militärisches Schauspiel dagegen! Jetzt
machten ich und Fritze Lehmann uns ebenfalls
auf die Socken. Aber wir blieben mit listiges
Bewußtsein aufs feste Erdreich und umgingen
in gute Deckung die Wiese, wo wir denn auch
bald in alle Ruhe und wohlbehalten an die
andere Seite anlangten. Hier erwarteten wir
hinter ein Gebüsch die beiden Wilden, die nach
Beendigung ihrer Tänze auf die Eisbahn ans
Ufer krochen und sich ohne weitere Kompli-
mente gefangen nehmen ließen. Damit war
unsere Aufgabe erfüllt, denn weitere Feinde
gab es nicht, und unsere Silvesterpatrouille
konnte mit gutem Gewissen retour machen.
Wir kriegten eine Belobigung vom Haupt-
mann und jeder einen Topf heiße Erbsensuppe
mit Kommisbrot, an die sich auch die beiden
verklammten Söhne des Südens mit Befrie-
digung beteiligten. Lieber Maxe, ich glaube
beinahe, dieses Festessen hat uns besser ge-
schmeckt, als wie Euch Eure Silvesterbowle
nebst Pfannkuchen und Cousinen bei Tante
Schultze! Also brauchst Du mir nicht weiter
zu bemitleiden und darfst mir in Zukunst mit
Deine schmeichelhaften Erlebnisse verschonen!
Wohingegen ich mir über etwas Rauchbares
sehr freue» würde, was ich Dich bitte, Deiuem
nächsten lieben Brief höflichst beizupacken.
In diese sichere Erwartung wünsche ich Dir
und Deinen sämtlichen Tanten und Cousinen
ein glückliches neues Jahr! Dein Freund
August Säge ju»., Garde-Grenadier.
Schlimme Zeiten.
Laudrat v. Bonin hat einen offene» Brief
an seine Wähler gerichtet, worin er vor „noch
größerer Demokratisierung und Verjudung un-
serer öffentlichen Zustände" warnt.
Die Zustände sind allerdings himmelschrei-
end. Demokraten und Juden werde» ohne jedes
besondere Abzeichen in Feldgrau gesteckt, so
daß man sie — o Schmach -- von weitem
mit einem derer von Bonin verwechseln kann.
Ja, mancher von ihnen erfrecht sich mit der
bekannten Zudringlichkeit, Heldentaten wie
andere zu begehen und das Eiserne Kreuz eiu-
zuheimsen. Der Zusammenbruch Deutschlands
wäre tatsächlich unvermeidlich, wenn nicht zu
unserem Glück Herr v. Bonin so gut aufpasseu
würde. Heil!