8906
Ein Märtyrer.
Im Seherischen „Tag" zählte das preußische Äerrenhausmitglied Graf Kospoth die „Opfer" auf, zu denen der Krieg ihn zwingt: er trinkt
nur Sonntags noch Wein, fährt in der zweiten Eisenbahnklasse statt in der ersten, hält statt eines Dieners ein Stubenmädchen usw.
Graf Kospoth war ein Edelmann
Nach echtem preußischem Schnitt,
Lind dennoch ging vorurteilslos
Er mit den Zeiten mit;
Graf Kospolh war ein Edelmann
Von feinstem blauem Blut,
Lind doch fchrjtt er dem Volk voran
Mit kühnstem Opfermut.
„Entsagung heischt die große Zeit!"
So rief er frisch und froh,
„Darum erscheint auf meinem Tisch
Nur Sonntags der Bordeaux,
Lind zahlte früher zehn Mark ich
Für meine Flasche Wein,
So darb' ich als Spartaner jetzt
Lind zahle nur noch neun.
„Den Friedrich, der mir sonst serviert
In gräflicher Livree,
Den steckte man in Königs Rock
Lind rief ihn zur Armee;
Der Schlag war hart, doch leistete
Ich frohen Muts Verzicht,
Lalt' mir 'ne hübsche Stubenmaid
Lind murr' und klage nicht.
„Der Luxuszug nach Monaco
Fällt schon seit lange aus,
Drum mache ich als Patriot
Mein Ieuchen jetzt zu Laus,
Llnd reis' ich nach Sankt Moritz mal,
So steig, was kann da sein.
Ich zum gemeinen Bürgerpack
Der zweiten Klasse ein!"
So rief beherzt und unverzagt
Der wackre Edelmann,
Lind Deutschlands Proletarier sahn
Ihn voll Bewundrung an,
Llnd seines Vorbilds eingedenk
Entschlossen sic sich nun,-
An patriotischem Opfermut
Es diese»: gleich zu tun! Arminius.
Der Sieg der Brüderlichkeit.
Ein modernes Märchen.
Es war ein schön Stück Land, bewohnt von
einem fleißigen Volk, Aufwärts ging dessen
Bahn zu Wohlfahrt und Knltlir, und darum
waren die Landesnachbarn ringsum voll von
Neid und böswilligen Gedanken. Diese wur-
den eines Tages zur kriegerischen, blutigen Tat.
Aber mit den blanke» Mordwaffen konnten die
Böswilligen das brave Volk nicht bezwingen.
Erbost und enttäuscht über die mutige Abwehr
der Eingekreisten ersannen die feindliche»
Häuptlinge nunmehr einen neuen unmenschlich
grausamen Kriegsplan: Aushungern wollten
sie das verhaßte Volk!
Als dies den Tapferen zu Ohren kam, be-
rieten sie ihrerseits und das gemeine Volk
war sehr niedergeschlagen. Aber da traten die
besitzenden Ackerbauern, Viehzüchter, Groß-
händler bis hinab zu den kleinen Zwischen-
händlern vordasVolkhi» und sagten: „Brüder,
seid unverzagt! Wir haben vorgesorgt und
Nahrungsmittel in Hülle und Fülle in unsren
Lägern aufgespeichert. Glaubet uns! Sie sollen
euch nicht hungern sehen, die Ruchlosen! Ohne
jeden Gewinn geben wir alles gerne für alle
hin. Nicht mehr wollen wir, als daß wir ge-
rade leben können wie der Ärmste unter euch.
Brüder, hebt die Köpfe und seid wohlgemut!"
Da erhob sich ein großer Jubel inner-
halb der festen Mauern der Tapferen.
An großen Stangen hingen sie unge-
heure Würste, groß und dick wie Baum-
stämine, und zeigten diese lachend hin-
über zu ihren unerbittlichen Feinden.
Diese lagerten in Wehr und Waffen um
die festen Burgen und wartete», bis der
Hungertod durch die Tore der Einge-
keilten einziehen würde. Aber ihr War-
te» war vergebens. Die andern drinnen
jubelten und lachten; ja, sie verhöhnten
sogar ihre Belagerer. Ganze gebratene
Ochsen zogen sie an sinnreichen Maschi-
nerien über den Mauern und Türmen
in die Höhe, so daß die Belagerer den
Bratenduft riechen konnten. Voll Gelüsten
-o-
lief ihnen das Wasser im Munde zusammen.
Doch bei den Belagerten herrschte heller Jubel;
die Musik schmetterte lustige Weisen und die
Viehmakler, Metzger, Landwirte, Bäcker, kurz,
alles was hatte, gab her. Eier, Schinken, Butter
und kräftiges Braunbier hatten so niedrige
Preise, daß es nur volle Backen, fröhlicheFraucn,
singende Kinder und lebensfrohe Männer gab.
Ei» Teil dieser Freude klang hinüber zu den
Belagerern. Diese wurden kleinlaut und ver-
zagt; denn sie verschossen ihr Pulver und Blei
für die Katze und lebten selbst nur von kar-
gem Mahl und Baumrindenbrot. Ein Murren
ging durch ihre Kriegslager. Und sie stürmten
gegen die festen Mauern und kehrten mit blu-
tigen Köpfen um. Da trat ihr oberster Feld-
herr vor sie hin, zähneknirschend und ohn-
mächtig. Nach einem wüsten Fluch sprach er
zu seinem Kriegsvolk: „Hört! Wir müssen
unverrichteter Dinge heimkehren, die drinnen
sind nicht zu bezwingen. Mit dem Aushungern
ist es nichts, denn die Besitzer der Nahrungs-
mittel hinter den Mauern dort sind miserable
Kaufleute, unpraktische Handelsleute, kurz,
humanistische Schlappschwänze. Jdealmeuschen
nennt sie ihr Volk. Brüderlich geben sie alles
hin. Einer ihrer größten Ahnen soll einmal
gesagt haben: Edel sei der Mensch, hilfreich
und gut! Und danach handeln diese Idealisten...
Rieht euch! Kehrt marsch!"
Weihnacht in der Woevre-Ebene.
Zeichnung von P. Odenthal, tm Felde.
Und betrübten Herzens zogen die Belagerer
ab und fuhren in ihre Heimat über den
Kanal. Die andern aber feierten den Sieg der
Brüderlichkeit über die Hungerpeitsche.
So erzählt es das Märchen. . . . L.P.
Verdeutschungen.
Um zu der mühsamen Arbeit der zahlreichen
Verdeutschungskommissionen auch etwas beizu-
tragen, schlagen wir folgendellbersetzungen vor:
Moratorium — Borgfrieden.
Neutralität = Kanonenlieferung.
Entente Kardiale — Das Mißtrauen.
Zensor — Allmacht.
Lovcen = Berg des Ärgernisses.
Torpedo — Au Backe.
Nikita — Hans Huckebein. .
Schlaraffenland.
Der Abgeordnete Roesicke sagten» Haushalts-
ausschuß des Reichstags: „Nur das Schweine-
fleisch ist teurer geworden, die Fasanen sind
dagegen bei uns billiger als in Frankreich."
Sehr richtig! Auch die Kartoffeln sind teu-
rer geworden, die Austern dagegen sind nicht
gestiegen. Das Bier ist teurer, die Butter, die
Eier und noch einige andere Dinge - aber
was macht das, wenn der Sekt, die Kram-
metsvögel und der Kaviar ihren alten
Preis gehalten haben! Es kommt eben
nur auf die Wahl der Nahrungsmittel
an, »in auch dem verwöhntesten Prole-
tariergaumen die Illusion zu verschaf-
fen, daß wir in Schlaraffenland leben.
Auf Delikatessen lvie Bocklvurst oder
Kartoffelpuffer muß er natürlich ver-
zichten können. _^_
Ein Demonstrant.
„Ich werde am nächsten Ersten eine
Friedensdemonstration in Szene setzen."
„Mensch, Karle! Ick warne dir —"
„Zu spät! Ich ziehe am Ersten aus
die Grenadierstraße in die — Friedens-
straße!!"
Ein Märtyrer.
Im Seherischen „Tag" zählte das preußische Äerrenhausmitglied Graf Kospoth die „Opfer" auf, zu denen der Krieg ihn zwingt: er trinkt
nur Sonntags noch Wein, fährt in der zweiten Eisenbahnklasse statt in der ersten, hält statt eines Dieners ein Stubenmädchen usw.
Graf Kospoth war ein Edelmann
Nach echtem preußischem Schnitt,
Lind dennoch ging vorurteilslos
Er mit den Zeiten mit;
Graf Kospolh war ein Edelmann
Von feinstem blauem Blut,
Lind doch fchrjtt er dem Volk voran
Mit kühnstem Opfermut.
„Entsagung heischt die große Zeit!"
So rief er frisch und froh,
„Darum erscheint auf meinem Tisch
Nur Sonntags der Bordeaux,
Lind zahlte früher zehn Mark ich
Für meine Flasche Wein,
So darb' ich als Spartaner jetzt
Lind zahle nur noch neun.
„Den Friedrich, der mir sonst serviert
In gräflicher Livree,
Den steckte man in Königs Rock
Lind rief ihn zur Armee;
Der Schlag war hart, doch leistete
Ich frohen Muts Verzicht,
Lalt' mir 'ne hübsche Stubenmaid
Lind murr' und klage nicht.
„Der Luxuszug nach Monaco
Fällt schon seit lange aus,
Drum mache ich als Patriot
Mein Ieuchen jetzt zu Laus,
Llnd reis' ich nach Sankt Moritz mal,
So steig, was kann da sein.
Ich zum gemeinen Bürgerpack
Der zweiten Klasse ein!"
So rief beherzt und unverzagt
Der wackre Edelmann,
Lind Deutschlands Proletarier sahn
Ihn voll Bewundrung an,
Llnd seines Vorbilds eingedenk
Entschlossen sic sich nun,-
An patriotischem Opfermut
Es diese»: gleich zu tun! Arminius.
Der Sieg der Brüderlichkeit.
Ein modernes Märchen.
Es war ein schön Stück Land, bewohnt von
einem fleißigen Volk, Aufwärts ging dessen
Bahn zu Wohlfahrt und Knltlir, und darum
waren die Landesnachbarn ringsum voll von
Neid und böswilligen Gedanken. Diese wur-
den eines Tages zur kriegerischen, blutigen Tat.
Aber mit den blanke» Mordwaffen konnten die
Böswilligen das brave Volk nicht bezwingen.
Erbost und enttäuscht über die mutige Abwehr
der Eingekreisten ersannen die feindliche»
Häuptlinge nunmehr einen neuen unmenschlich
grausamen Kriegsplan: Aushungern wollten
sie das verhaßte Volk!
Als dies den Tapferen zu Ohren kam, be-
rieten sie ihrerseits und das gemeine Volk
war sehr niedergeschlagen. Aber da traten die
besitzenden Ackerbauern, Viehzüchter, Groß-
händler bis hinab zu den kleinen Zwischen-
händlern vordasVolkhi» und sagten: „Brüder,
seid unverzagt! Wir haben vorgesorgt und
Nahrungsmittel in Hülle und Fülle in unsren
Lägern aufgespeichert. Glaubet uns! Sie sollen
euch nicht hungern sehen, die Ruchlosen! Ohne
jeden Gewinn geben wir alles gerne für alle
hin. Nicht mehr wollen wir, als daß wir ge-
rade leben können wie der Ärmste unter euch.
Brüder, hebt die Köpfe und seid wohlgemut!"
Da erhob sich ein großer Jubel inner-
halb der festen Mauern der Tapferen.
An großen Stangen hingen sie unge-
heure Würste, groß und dick wie Baum-
stämine, und zeigten diese lachend hin-
über zu ihren unerbittlichen Feinden.
Diese lagerten in Wehr und Waffen um
die festen Burgen und wartete», bis der
Hungertod durch die Tore der Einge-
keilten einziehen würde. Aber ihr War-
te» war vergebens. Die andern drinnen
jubelten und lachten; ja, sie verhöhnten
sogar ihre Belagerer. Ganze gebratene
Ochsen zogen sie an sinnreichen Maschi-
nerien über den Mauern und Türmen
in die Höhe, so daß die Belagerer den
Bratenduft riechen konnten. Voll Gelüsten
-o-
lief ihnen das Wasser im Munde zusammen.
Doch bei den Belagerten herrschte heller Jubel;
die Musik schmetterte lustige Weisen und die
Viehmakler, Metzger, Landwirte, Bäcker, kurz,
alles was hatte, gab her. Eier, Schinken, Butter
und kräftiges Braunbier hatten so niedrige
Preise, daß es nur volle Backen, fröhlicheFraucn,
singende Kinder und lebensfrohe Männer gab.
Ei» Teil dieser Freude klang hinüber zu den
Belagerern. Diese wurden kleinlaut und ver-
zagt; denn sie verschossen ihr Pulver und Blei
für die Katze und lebten selbst nur von kar-
gem Mahl und Baumrindenbrot. Ein Murren
ging durch ihre Kriegslager. Und sie stürmten
gegen die festen Mauern und kehrten mit blu-
tigen Köpfen um. Da trat ihr oberster Feld-
herr vor sie hin, zähneknirschend und ohn-
mächtig. Nach einem wüsten Fluch sprach er
zu seinem Kriegsvolk: „Hört! Wir müssen
unverrichteter Dinge heimkehren, die drinnen
sind nicht zu bezwingen. Mit dem Aushungern
ist es nichts, denn die Besitzer der Nahrungs-
mittel hinter den Mauern dort sind miserable
Kaufleute, unpraktische Handelsleute, kurz,
humanistische Schlappschwänze. Jdealmeuschen
nennt sie ihr Volk. Brüderlich geben sie alles
hin. Einer ihrer größten Ahnen soll einmal
gesagt haben: Edel sei der Mensch, hilfreich
und gut! Und danach handeln diese Idealisten...
Rieht euch! Kehrt marsch!"
Weihnacht in der Woevre-Ebene.
Zeichnung von P. Odenthal, tm Felde.
Und betrübten Herzens zogen die Belagerer
ab und fuhren in ihre Heimat über den
Kanal. Die andern aber feierten den Sieg der
Brüderlichkeit über die Hungerpeitsche.
So erzählt es das Märchen. . . . L.P.
Verdeutschungen.
Um zu der mühsamen Arbeit der zahlreichen
Verdeutschungskommissionen auch etwas beizu-
tragen, schlagen wir folgendellbersetzungen vor:
Moratorium — Borgfrieden.
Neutralität = Kanonenlieferung.
Entente Kardiale — Das Mißtrauen.
Zensor — Allmacht.
Lovcen = Berg des Ärgernisses.
Torpedo — Au Backe.
Nikita — Hans Huckebein. .
Schlaraffenland.
Der Abgeordnete Roesicke sagten» Haushalts-
ausschuß des Reichstags: „Nur das Schweine-
fleisch ist teurer geworden, die Fasanen sind
dagegen bei uns billiger als in Frankreich."
Sehr richtig! Auch die Kartoffeln sind teu-
rer geworden, die Austern dagegen sind nicht
gestiegen. Das Bier ist teurer, die Butter, die
Eier und noch einige andere Dinge - aber
was macht das, wenn der Sekt, die Kram-
metsvögel und der Kaviar ihren alten
Preis gehalten haben! Es kommt eben
nur auf die Wahl der Nahrungsmittel
an, »in auch dem verwöhntesten Prole-
tariergaumen die Illusion zu verschaf-
fen, daß wir in Schlaraffenland leben.
Auf Delikatessen lvie Bocklvurst oder
Kartoffelpuffer muß er natürlich ver-
zichten können. _^_
Ein Demonstrant.
„Ich werde am nächsten Ersten eine
Friedensdemonstration in Szene setzen."
„Mensch, Karle! Ick warne dir —"
„Zu spät! Ich ziehe am Ersten aus
die Grenadierstraße in die — Friedens-
straße!!"