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Epigramme.
Der neue Termin.
„Zur russischen Weihnacht", sprach Väterchen Zar.
„Weht über Galizien der Russen-Nar."
Jetzt nach dem östreich'schen Gegenschlag
verschob er es auf den — Sankt Nimmerleinstag.
Der Glückliche.
„So manch Geschäft jetzt über Nacht",
Sprach ich, „in dieser Zeit verkracht."
Mein Butterhändler sprach: „Nanu?
„Wieso? Ich — butterte noch nichts zu!"
Lin klusweg.
Line schreckliche Kunde vernahmen wir:
Italien fehlt es jetzt an Papier.
Könnte man nicht heben die Nöte,
Wenn man d'Nnnunzio das Dichten verböte?
Ls stimmt.
John French hat sich im Schlaf gereckt
Und spricht: „Wie richtig ich jetzt träume:
„Ich träumte, ich war' edler Sekt
Und bin auch kaltgestellt und schäume ..."
Strafe muß sein.
Im Wartezimmer des Jugendgerichtshofs
herrschte ein lebhaftes Durcheinander. Man
sprach aufeinander ein, unterhielt sich und
schalt auf Beklagte oder Kläger. Der Gerichts-
diener hatte oft Mühe, die Ruhe herzustellen,
dientier Ewert nickte ihm stets aufmunternd
zu und vertiefte sich dann ivieder in die Zeitung.
Da stand ein schöner Leitartikel von der
notwendigen Einigkeit im Inneren, von der
Größe der Zeit, die jeden veran-
lassen sollte, persönlichen Hader ver-
gessen zu lassen und nicht jede Klei-
nigkeit aufzubauschen und damit vor
die Gerichte zu laufen.
Der Rentier nickte beifällig. Solche
Prozeßhuber begriff er in diesem
Moment gar nicht: bei einer einzigen
Abteilung in Moabit seien sechzehn
Beleidigungsklagen an einem Tage
verhandelt ivorden! In dieser Zeit!
Bisweilen war es dem Verhand-
lungsleiter gelungen, einen Vergleich
zustande zu bringen und so den
große» Apparat einer strafrecht-
lichen Hauptverhandlung zu ver-
meiden. Aber das kain nur selten vor.
Inzwischen gingen drinnen die
Verhandlungen gegen die Jugend-
lichen weiter. Große und schwere
Delikte waren es selten.
Eine leichtsinnige Sechzehnjährige,
die aus ihrem Geschäft Taschentücher
und Schuhe für ihren eigenen Bedarf
entwendet hat, um ebenso „schick" wie
ihre Freundinnen sein zu können,
wird bestraft, bekommt aber Straf-
aufschub, das heißt bedingte Begna-
digung.
Ein Dreizehnjähriger hat sich mit
Kameraden auf den Weihnachtsmarkt
geschlichen und einen kleinen Baum
mitgehen heißen, um ihn der Mutter
zu bringen, die kein Geld zu solchem Luxus
hat. Er bekommt einen Verweis wegen Dieb-
stahls, ist also dadurch „vorbestraft".
Rentier Ewerts Fall kommt zum Aufruf.
In seinem eigenen Hause hatte dieser halb-
wüchsige Junge da drüben mit Schnürsenkeln
und Zündholzschachteln gehandelt, und als er,
der Hauswirt, ihn aus dem Flur mies, hatte
dieser ihm ein kräftiges Schimpfwort zuge-
rufen und war dann, heidi, davongelaufen.
Aber die Nemesis war ihm in Gestalt des
Rentiers im Nacken und erreichte ihn.
Dem Rentier ist etwas ungemütlich zumute,
denn drüben sitzt die Mutter des Delinquenten
und schluchzt. Er betont darum in weit-
schweifiger Rede, daß er zwar in dieser großen
Zeit nicht für kleinliches Prozessieren sei, aber
in diesem Fall müsse Strafe fein. Denn die
Jugend verwahrlose sonst zu sehr und verliere
ganz den Respekt.
Das Gericht hat sich zur Beratung zurück-
gezogen, die aber nur sehr kurz ist. Der Ren-
tier folgt gespannt den Worten des Richters.
Er muß zu seinem Schmerz erleben, daß die
Beleidigung straffrei bleibt; aber er hat die
Genugtuung, daß dem Bengel wegen Über-
tretung des Gewerbegesetzes zwei Tage Ge-
fängnis oder sechs Mark Strafe aufgebrummt
iverden.
Die Mutter geht fort: die sechs Mark, die
sie ja aufbringen muß, kosten sie viele Stun-
den Näharbeit und sie weiß so schon nicht,
wie sie ihre vier Kinder durchbringen soll.
Aber wenn der Junge ins Gefängnis kommt,
droht ihm Schutzaufsicht oder gar Fürsorge-
Erziehung.
„In, Strafe muß sein!" brummt Rentier
Ewert. Er sagt es trotzig und doch klingt es
beinahe wie eine Entschuldigung vor sich selber.
Der Unteroffizier.
Von Sans Flux.
Da war ein Preußenmädcl,
Gar schneidig und gar keck.
Die hat noch nie vor'm Kriege
Empfunden einen Schreck.
Die wollte Leldin werden,
Es war ihr Drang enorm,
Drum schlüpfte sie in eine
Feldgraue Aniform.
Gar grimmig tat sie schreiten
Als Anteroffizier,
Lätt' sie der Feind gesehen.
Er fürchtet' sich vor ihr.
Jedoch zu Kreuz" am Bahnhof
Die schlaue Wache stund,
lind der erschien die Lüste
Des Leiden allzu rund.
Der Lew ward festgenoinmen
And bald war völlig klar.
Daß dieser stolze Krieger
Ein Frauenziminer war.
Die sitzt betrübt im Loche
And ist gar sehr erbost —
Doch gibt es für die Leldin
Noch immer einen Trost.
Denn der sie nimmt zum Weibe,
Wird bald bezeugen ihr.
Daß sie sich trefflich eignet
Zum Anteroffizier.
* Eisenbahnstation in der Provinz Pose».
Ein Wermutstropfen.
Wie das nun mal in Amerika so üblich ist,
ivurde Woodroiv Wilson auf seiner Hochzeits-
reise andauernd interviewt.
„Ach," sagte er neulich, „ein Wer-
mutstropfen ist in meinen Glücks-
becher gefallen."
„Meinen Sie die englische Note,
Mister Präsident?"
„Ach nein. Noten regen mich längst
nicht mehr auf; aber seit mein Kol-
lege, der Präsident Aüanschikai,
sich zum Kais er von China gemacht
hat, läßt mir meine Frau keine
ruhige Stunde mehr!"
Berliner Stoßseufzer.
Vor dem Butterladen: Ach,
wie gerne möchte ich jetzt mein Fett
abkriegen!
Vor dem Bäckerladen: Wer
mir doch jetzt ein paar — Knippel
zwischen die Beine würfe!
Gefundenes Fressen.
Der „Gaulois" behauptet, daß die
deutsche Chemie aus alten Zeitungen
Futter fürs Vieh herstelle.
Die deutsche Cheniie kann ja viel;
aber dieses Experiment ist ihr doch
mißglückt. Vielleicht lag es daran,
daß sich unter den Zeitungen, die
sie benutzte, der „Gaulois" befand,
der immer - ungenießbarer wird.
Zwischen zwei Feuern.
Der arme König von Griechenland Doch bleibt er, bei allein Beteuern,
Möch«' Frieden halten im Weltcnbrand; Ein Zündholz zwischen zwei Feuern.
Epigramme.
Der neue Termin.
„Zur russischen Weihnacht", sprach Väterchen Zar.
„Weht über Galizien der Russen-Nar."
Jetzt nach dem östreich'schen Gegenschlag
verschob er es auf den — Sankt Nimmerleinstag.
Der Glückliche.
„So manch Geschäft jetzt über Nacht",
Sprach ich, „in dieser Zeit verkracht."
Mein Butterhändler sprach: „Nanu?
„Wieso? Ich — butterte noch nichts zu!"
Lin klusweg.
Line schreckliche Kunde vernahmen wir:
Italien fehlt es jetzt an Papier.
Könnte man nicht heben die Nöte,
Wenn man d'Nnnunzio das Dichten verböte?
Ls stimmt.
John French hat sich im Schlaf gereckt
Und spricht: „Wie richtig ich jetzt träume:
„Ich träumte, ich war' edler Sekt
Und bin auch kaltgestellt und schäume ..."
Strafe muß sein.
Im Wartezimmer des Jugendgerichtshofs
herrschte ein lebhaftes Durcheinander. Man
sprach aufeinander ein, unterhielt sich und
schalt auf Beklagte oder Kläger. Der Gerichts-
diener hatte oft Mühe, die Ruhe herzustellen,
dientier Ewert nickte ihm stets aufmunternd
zu und vertiefte sich dann ivieder in die Zeitung.
Da stand ein schöner Leitartikel von der
notwendigen Einigkeit im Inneren, von der
Größe der Zeit, die jeden veran-
lassen sollte, persönlichen Hader ver-
gessen zu lassen und nicht jede Klei-
nigkeit aufzubauschen und damit vor
die Gerichte zu laufen.
Der Rentier nickte beifällig. Solche
Prozeßhuber begriff er in diesem
Moment gar nicht: bei einer einzigen
Abteilung in Moabit seien sechzehn
Beleidigungsklagen an einem Tage
verhandelt ivorden! In dieser Zeit!
Bisweilen war es dem Verhand-
lungsleiter gelungen, einen Vergleich
zustande zu bringen und so den
große» Apparat einer strafrecht-
lichen Hauptverhandlung zu ver-
meiden. Aber das kain nur selten vor.
Inzwischen gingen drinnen die
Verhandlungen gegen die Jugend-
lichen weiter. Große und schwere
Delikte waren es selten.
Eine leichtsinnige Sechzehnjährige,
die aus ihrem Geschäft Taschentücher
und Schuhe für ihren eigenen Bedarf
entwendet hat, um ebenso „schick" wie
ihre Freundinnen sein zu können,
wird bestraft, bekommt aber Straf-
aufschub, das heißt bedingte Begna-
digung.
Ein Dreizehnjähriger hat sich mit
Kameraden auf den Weihnachtsmarkt
geschlichen und einen kleinen Baum
mitgehen heißen, um ihn der Mutter
zu bringen, die kein Geld zu solchem Luxus
hat. Er bekommt einen Verweis wegen Dieb-
stahls, ist also dadurch „vorbestraft".
Rentier Ewerts Fall kommt zum Aufruf.
In seinem eigenen Hause hatte dieser halb-
wüchsige Junge da drüben mit Schnürsenkeln
und Zündholzschachteln gehandelt, und als er,
der Hauswirt, ihn aus dem Flur mies, hatte
dieser ihm ein kräftiges Schimpfwort zuge-
rufen und war dann, heidi, davongelaufen.
Aber die Nemesis war ihm in Gestalt des
Rentiers im Nacken und erreichte ihn.
Dem Rentier ist etwas ungemütlich zumute,
denn drüben sitzt die Mutter des Delinquenten
und schluchzt. Er betont darum in weit-
schweifiger Rede, daß er zwar in dieser großen
Zeit nicht für kleinliches Prozessieren sei, aber
in diesem Fall müsse Strafe fein. Denn die
Jugend verwahrlose sonst zu sehr und verliere
ganz den Respekt.
Das Gericht hat sich zur Beratung zurück-
gezogen, die aber nur sehr kurz ist. Der Ren-
tier folgt gespannt den Worten des Richters.
Er muß zu seinem Schmerz erleben, daß die
Beleidigung straffrei bleibt; aber er hat die
Genugtuung, daß dem Bengel wegen Über-
tretung des Gewerbegesetzes zwei Tage Ge-
fängnis oder sechs Mark Strafe aufgebrummt
iverden.
Die Mutter geht fort: die sechs Mark, die
sie ja aufbringen muß, kosten sie viele Stun-
den Näharbeit und sie weiß so schon nicht,
wie sie ihre vier Kinder durchbringen soll.
Aber wenn der Junge ins Gefängnis kommt,
droht ihm Schutzaufsicht oder gar Fürsorge-
Erziehung.
„In, Strafe muß sein!" brummt Rentier
Ewert. Er sagt es trotzig und doch klingt es
beinahe wie eine Entschuldigung vor sich selber.
Der Unteroffizier.
Von Sans Flux.
Da war ein Preußenmädcl,
Gar schneidig und gar keck.
Die hat noch nie vor'm Kriege
Empfunden einen Schreck.
Die wollte Leldin werden,
Es war ihr Drang enorm,
Drum schlüpfte sie in eine
Feldgraue Aniform.
Gar grimmig tat sie schreiten
Als Anteroffizier,
Lätt' sie der Feind gesehen.
Er fürchtet' sich vor ihr.
Jedoch zu Kreuz" am Bahnhof
Die schlaue Wache stund,
lind der erschien die Lüste
Des Leiden allzu rund.
Der Lew ward festgenoinmen
And bald war völlig klar.
Daß dieser stolze Krieger
Ein Frauenziminer war.
Die sitzt betrübt im Loche
And ist gar sehr erbost —
Doch gibt es für die Leldin
Noch immer einen Trost.
Denn der sie nimmt zum Weibe,
Wird bald bezeugen ihr.
Daß sie sich trefflich eignet
Zum Anteroffizier.
* Eisenbahnstation in der Provinz Pose».
Ein Wermutstropfen.
Wie das nun mal in Amerika so üblich ist,
ivurde Woodroiv Wilson auf seiner Hochzeits-
reise andauernd interviewt.
„Ach," sagte er neulich, „ein Wer-
mutstropfen ist in meinen Glücks-
becher gefallen."
„Meinen Sie die englische Note,
Mister Präsident?"
„Ach nein. Noten regen mich längst
nicht mehr auf; aber seit mein Kol-
lege, der Präsident Aüanschikai,
sich zum Kais er von China gemacht
hat, läßt mir meine Frau keine
ruhige Stunde mehr!"
Berliner Stoßseufzer.
Vor dem Butterladen: Ach,
wie gerne möchte ich jetzt mein Fett
abkriegen!
Vor dem Bäckerladen: Wer
mir doch jetzt ein paar — Knippel
zwischen die Beine würfe!
Gefundenes Fressen.
Der „Gaulois" behauptet, daß die
deutsche Chemie aus alten Zeitungen
Futter fürs Vieh herstelle.
Die deutsche Cheniie kann ja viel;
aber dieses Experiment ist ihr doch
mißglückt. Vielleicht lag es daran,
daß sich unter den Zeitungen, die
sie benutzte, der „Gaulois" befand,
der immer - ungenießbarer wird.
Zwischen zwei Feuern.
Der arme König von Griechenland Doch bleibt er, bei allein Beteuern,
Möch«' Frieden halten im Weltcnbrand; Ein Zündholz zwischen zwei Feuern.