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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 33.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.6705#0041
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8914

Lloyd Georges Hoffnungen.

Lloyd George, der Briten Freude,

Sprach jüngst beherzt und froh
Zu einem Interviewer
Des Blattes „Secolo":

„Ich fühl' mich guter Hoffnung!

Denn unser ist der Sieg -
Daran gibt es zu tippen nichts -
In diesem schönen Krieg!

„Der eine zeigt im Osten
So blöd sich wie er kann,

Der andre stellt im Westen sich
Noch sehr viel dümmer an.
Doch was im Süd' der dritte
Nn Kohl zusammenbraut,

Das geht, l beZ ^our paräon,
Huf keine Bullenhaut!

„vermittels dieser Tugend
Manch Wunder schon geschah:

Denkt, Freunde, nur an Griechenland
Und Nordamerika!

Und wenn es an Erfolgen
Trotzdem uns fehlt bis heut,

So liegt's allein an eurer —
verzeiht - Uneinigkeit!

„Kurz: der Entente mangelt
Die Einheit der Aktion,

Sobald wir diese haben,

Geht alles andre schon;

Zerfahrenheit, ihr Lieben,

War unser Hindernis-

Doch bei vereinter Dummheit ist

Der Endsieg UNS gewiß!" Lehmann.

„Das Nennen, das wir machen,
Ging etwas langsam zwar
Sowohl in dem verffoss'nen
Uls auch in diesem Jahr;

Ich leugne nicht, der Deutsche
Ist klug, gewandt und schnell,

Doch gab dem Briten Gott der Herr
Ein zehnmal dickres Fell.

Feldpostbriefe.

XXXIX.

Lieber Maxe! Die Kriegsnachrichten in die
Zeitungen befriedigen Dir also nicht mehr,
indem sie sich in die letzten Wochen meistens mit
die Meldung begnügten: „Keine besonderen Er-
eignisse." Wenn Du im Felde stehen würdest,
statt zu Hause herumzupennen, so würdest Du
über diese Sache eine andere Meinung haben.
Denn für den Soldaten, der mehr als ander-
halb Jahre Weltkrieg genossen hat, ist kein
anderer Dienst so angenehm, wie der, der
„keine besonderen Ereignisse" mit sich bringt.
Nämlich, mein lieber Maxe, an die Lange-
weile kann man sich mit der Zeit gewöhnen,
an den Heldentod aber nicht. Infolgedessen
bin ich und meine Kameraden mit die gegen-
wärtige sogenannte Ruhepause an unsere Front
ganz zufrieden, und wir haben keinen anderen
Kummer als wie den, daß Du Dir bei Deine
Zeitnngslektüre so sehr mopse» mußt. Dadrum
will ich gerne Deinem Wunsch entgegenkommen
und Dir eine wahrheitsgetreue Erzählung
geben, wie es bei uns zugeht, wen» „keine
besonderen Ereignisse" nicht stattfinden.

Ich wähle als Beispiel den gestrige» Tag.
Derselbe fing bei uns, gerade so wie im Ka-
lender, Punkt Schlag zwölf Uhr nachts an.
Wir waren um diese Zeit zur Ablösung der
Kompagnie bestimmt, die zwei Kilometer vor
uns im Schützengraben lag, und sagten die
lieblichen Kellerquartiere Lebewohl, in die wir
die letzte Woche residiert und so lehrreiche
botanische Studien über das Pilzwachstum
auf unsere feuchten Strohsäcke getrieben hatten.

Fünf Minuten nach zwölf tippelte die Korn-
pagnie los. Wir brauchten nicht Schritt zu
halten, sondern dursten uns wie auf einem
späten Spaziergang im Treptower Park be-
nehmen, bloß daß keine Damenwelt nicht mang
war und keine Zigarren nicht geraucht werden
durften, weil wir uns der feindlichen Beob-
achtungsgabe nicht aufdrängeln wollten. Auch

war der Weg nicht im geringsten so angenehm
wie die dortigen Promenaden, sondern egal
Schutt und Geröll, mit Lehmpampe angerührt.
Alle hundert Schritte griffen uns die gefälligen
Franzosen mit Scheinwerfer und Leuchtkugeln
unter die Arme. Feuer bekamen wir aber bloß
wenig, weil mir zu iveit weg waren. Außer
zwei Slreifschüsse fanden in die Kompagnie
„keine besonderen Ereignisse" nicht statt.

Sowie wir aber ein kleines Wäldchen durch-
schritten hatten, bewillkommte uns der Feind
mit Maschinengewehre. Da kam das Koni-
mando „Gruppenweise einschwärmen" und nun
ging es in gebückte Haltung noch durch ein
paar Wasserlöcher, wo uns die Kugeln eklig
um die Horchlappen pfiffen und wir leider
ziemlich starke Verluste hatten. Dies feuerte
uns zu große Behendigkeit an, so daß mir das
letzte Stück in Null Komma zwei Sekunden
zurücklegten und uns bald vor dem bewußten
Graben befanden. Wir sprangen hinein und
die bisherige Besatzung inachte sich dünne, das
heißt, sie promenierte auf dieselbe angenehme
Art in die von uns verlassenen Quartiere retour,
wie wir hermarschiert waren. Und sie erreichte
ihr Ziel auch nicht in dieselbe Kompagniestärke
ivie sie ausniarschiert war. Außer zwei Ver-
wundete und einem Toten fanden aber auch
bei sie „keine besonderen Ereignisse" nicht statt.

Nachdem wir uns im Schützengraben fest-
gesetzt hatten, war unsere erste Pflicht, sich
über die freundlichen Absichten des Feindes
zu unterrichten, der nur vierzig Meter vor
uns lag. Durch den ungenierten Augenschein
war das nicht möglich; deswegen mußten
heimliche Patrouillen vorgeschickt werden und
auch ich beteiligte mir an eine solche. Wir
schlängelten uns auf dein Bauche heran. In eine
Entfernung von zehn Meter blieben wir ganz
stille liegen und horchten und beobachteten so
gut wie wir konnten. Dann sprangen wir
auf, schleuderten Handgranaten in den feind-
lichen Graben und benutzten die dadurch her-
vorgernfene Verwirrung zu einem beschleu-

Btetortsck Kowralsslan zu Berlin
Inv.-Nr.:

nigten Ausriß. Drei von uns kamen auch
glücklich ivieder zurück, der vierte aber, ein
guter Freund von mir, leider nicht, weil er
von einem Herzschuß getroffen worden war.
Außer diesem Vorfall fanden „keine beson-
deren Ereignisse" nicht statt.

Dan» durften wir uns noch eine kleine
Weile in unsere Unterstände legen, wo keine
Pilze nicht gedeihen, weil da auch für die
bescheidenste Morchel nicht Platz wäre, son-
dern jeder Millimeter von dachsenden Krie-
gern besetzt ist. Um sechs Uhr morgens wurde
ich zum Essenholen kommandiert und begab
mir mit noch einem von unsere Korporalschaft
nach die Feldküche, die in ein einsames Ge-
höft hinter unsere Front untergebracht ist. Auf
dem Weg fanden wir noch einige tote Fran-
zosen, die von dem letzten Durchbruchsversuch
vor vierzehn Tagen liegen geblieben waren.
Nach diese appetitanreizende Morgenprome-
nade auf nüchternen Magen konnten wir unser
Frühstück genießen, und dann mußte ich auf
Wache ziehen, von die ich erst gegen Abend
abgelöst wurde, wo ich mir dann sofort be-
sinnungslos in die Klappe schmiß und bis
heute früh gepennt habe.

Du siehst also, lieber Maxe, daß es für einen
Soldaten doch immer hier und da etwas zu
tun gibt, auch wenn auf dem Kriegsschauplatz
„keine besonderen Ereignisse" nicht stattstnden,
und daß Du schief gewickelt bist, wenn Du
Dir einbildest, daß wir augenblicklich hier auf
einem Sofa sitzen und gähnen oder Fliegen
fangen. Da Dir aber die Zeitungen jetzt so sehr
langweilig sind, so könntest Du die Zigarren,
die Du mir umgehend schicken wirst, in einige
neueste Nummern einpacken, damit wir hier
erfahren, wie es in die Welt aussieht und ob
Du und Deinesgleichen unter den Butter-
mangel nicht zu schwer zu leiden habt, wo ich
mir schon lange große Sorgen drüber mache.

In welche angenehme Hoffnung ich niir
wiege als Dein alter Freund

August Säge jun„ Garde-Grenadier.
 
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