• 8944
Tage der Rosen.
(Schluß von <5 . 8942.)
Der Durst ist groß, die Seeluft salzig. Der
dicke Wirt am Zapfhahn beginnt schon zu
schivitzen. Ohne Unterbrechung strömt das
braune Naß.
Auch die Musik gönnt sich selten eine Pause.
Sie hämmert, fiedelt, flötet niit feurigem Eifer,
mit unermüdlicher Ausdauer. Denn heute erntet
sie Beifall ivie nie. Nach jedein Stück rollt ein
donnerndes Beifallklatschen durch den Raum.
Sie sind so dankbar, die Blaujacken. Dankbar
für Leben und Lustigkeit.
Es klirrt und schwirrt, summt und brummt
vou hundert Geräuschen im Raume. Rufe.
. Lachen, halblautes Singe». . . .
Wie jung die meisten sind, >vie fröhlich!
Einige streicheln sich lächelnd den kleinen Spitz-
bart, andere zupfen an den ersten Härchen.
Und jene dort. Leichtmatrosen, sind die reinen
Milchgesichter. 2(uf ihren knabenhaften Wan-
gen steht ein tiefes Rot. Haben ein paar
blutjunge Mädchen neben sich und tuscheln
ihnen lustige Torheiten ins Ohr. Das Kichern
nimmt kein Ende. Andere, ältere Paare sitzen
versunken da. Hand in Hand, reden leise
von Liebe, Hochzeit und Zukuuftspläne». Sie
blicken einander glücklich in die Augen und
stoßen mit den Gläsern an: „Du sollst leben,
Frieda!"
Manches Glas zerbricht. Aber Scherben
bedeuten Glück, sagen die Mädchen. Und
lachen. . . .
Dicke, blaue Tabakswolken schweben über
den Köpfen. Die Musik beginnt ein neues
Stück: „Noch ist die blühende, goldene Zeit..."
Zuerst versickert es in dem Gelärm. Aber
nun erhebt sich ein klarer, schöner Bariton und
begleitet die Musik. Die Gespräche der Gruppen
brechen ab. Ganz still wird es allmählich.
Der Sänger steht in der Mitte
des Raumes. Alle Augen richten
sich auf ihn.
Man sieht's au seinem bewegten
Antlitz, hört es an der ausdrucks-
vollen Stimme: jeder Ton kommt
ihm aus dem Herzen.
DieBlnujacken alle kennen ihn gut:
es ist ein Maschinistenmaat, den sie
einfach „Gemütsmensch Karle" nen-
nen. Wenn die Stimmung ihren Höhe-
punkt erreicht hat, muß er singen. Er
kann nicht anders; muß es hinaus-
schmetter», was sie alle bewegt.
„Noch ist die blühende, goldene Zeit,
Noch sind die Tage der Rosen..."
Sie stimmen in gewaltigem Chorus
ein in diesen Refrain, alle, alle.
Sie haben Biergläser vor sich,
Zigarren in der Hand, haben einen
Arm um ihre Mädchen gelegt und
singen voll Andacht wie in der
Kirche. . ..
Und das Lied will an diesem Abend
nicht mehr verstummen. Bald raunt
es hier, bald dort auf: Noch sind die
Tage der Rosen. Wie jung sie alle
sind! Wie fröhlich und zukunftsfroh!
das Leben in der kleinen Hafenstadt. Draußen
wütet der Krieg.
Zuweilen kommt eine Kunde von dem Schiff.
Es schwimmt irgendwo auf dem grauen, weiten
Wasser und hält Wacht, daß die hier drinnen
sich ruhig aufs Ohr legen können.
Die Feldpost bringt Briefe. Bald in diese,
bald in jene Stube.
Sie vergessen ja ihre Mädchen nicht, dieBlau-
jacken. Von Kämpfen und Gefahren schreiben
sie, aber mehr noch von Liebe und Treue.
Von den frohen Stunden, die vergangen sind,
und den glücklichen Tagen, die noch kommen
sollen.
Wochen gehen darüber hin. Die Mädchen
warten. Sehnsüchtig warten sie. Schreiben und
warten. Wie die Eltern auch, die manchen
Sohn da draußen haben.
Die Tage der Rosen wollen nicht kommen.
Aber etwas anderes kommt eines Tages:
Ein Extrablatt!
Die Stadt erwacht wie unter einem schmerz-
haften Schlage. Der Admiralstab der Marine
gibt bekannt, daß jener Kreuzer torpediert und
gesunken ist.
Es dauert keine Stunde, dann weiß man
es in den entlegensten Gassen.
In allen Augen blitzt das Entsetzen auf.
Und die Köpfe neigen sich, — neigen sich tief
unter der grausamen Faust des Krieges.
Trauer wandelt durch die stillen Straßen.
Noch summt in manchen Ohren jenes Lied;
noch lächeln vor manchen! inneren Auge all
die jungen, frischen, lustigen Gesichter der
Matrosen, noch sehen sie das bewegte Antlitz
des Sängers. . . .
Tage der Rosen . . . Sie sind dahin.
Aus der schweigenden, dunklen Tiefe des
Meeres quellen die blutigroten Rosen der Nacht.
Einzige Erklärung.
Fabel.
Von Willibald Krain.
Es gab einmal eine Zeit, da brach unter
den Tieren der Erde ein heftiges Gezänk aus.
Kaum wußten sie, was eigentlich die Ursache
war — und schon lagen sich alle in den Haaren.
Die Tiere auf und unter der Erde, dieWasser-
bewohner und die Beherrscher der Lüfte zogen
gegeneinander, und ein ungeheures Rasen er-
füllte die Welt. Schrecklich verbissen sich die
Gegner ineinander, die Leiber der Getöteten
häuften sich zu Bergen, die Flüsse und Meere,
ja die Tümpel und Pfützen färbten sich von
ihrem Blute. Aber keines ließ das andere
frei und fürchterlich gellten die Schreie der
Kämpfenden.
Als die Tiere ohne Unterlaß so gewütet
hatten, kamen die Menschen, die lange ruhig
und staunend zugesehen hatten, zusammen und
fragten sich, ivas zu tun sei. Sie gingen zu
vielen Tieren, uin deren Meinung zu hören.
Die meisten wußten gar nichts zu sagen, son-
dern ergaben sich nur dumpfstöhnend in das
Walten des unbekannten Schicksals. Worte von
Futterneid und Raubgier fielen, aber das half
nicht weiter. Andere meinten, das sei doch
ein herrliches Erleben, denn jedes müßte jetzt
seine angeborene Kräfte entfalten, und die un-
nützen Schwachen würden mit Recht vernichtet.
Die Klügsten aber erklärten, dieses Streiten
habe tieferen Sinn, da eine „höhere" Macht
es den Tieren geschickt habe, nämlich — der
Mensch!
Da erschracken die Menschen geivaltig, daß
sie an dein zwecklosen Morden noch schilld sein
sollten, und sie schüttelten den Kopf über so
einfältiges Denken. So taten sie sich zusammen
und gründeten einen Tierschutzverein, dein es
mit größter Mühe gelang, die Tiere allmäh-
lich zu überzeugen, daß die Menschen
nur ihr Bestes ivollten, aber nicht
ihren Tod; und endlich ebbte der
Kampf unter den Tieren der Erde
ab, bis er zuletzt ganz aufhörte.
Dann sagte aber der Klügste unter
den Menschen: „Ja, wenn uns nun
mal so eine Dummheit passieren sollte
wie jetzt den Tieren, iver gründet
dann wohl einen — Menschenschutz-
verein. . .
Federvieh.
Das dänische Blatt„Folkets Avis"
behauptete kürzlich, daß in Deutsch-
land außer Hunden und Katzen längst
alle Vögel, auch die Singvögel, die
Störche, Stare, Schwalben und das
Wasserwild in den Kochtopf gelangt
seien.
Es ist nur gut, daß wir ab und
zu aus dem Staate „Neutralien" so
fette Enten geschickt bekommen, die
unsere Ernährung entschieden auf-
befsern.
Der Kreuzer hat den Hafen ver-
lassen. Schläfrig erscheint wieder
„Oberkommando der Marken — wat Hecht bet eijentlich?"
„Na, bet wirb woll berOberkommanbierende von bic Villen Brot-, Butter-,
Fett-, Fleisch-, Milch- und Jemiesemarken sind! Dxt kann eene jeweehnliche
Orts- ober Pollezeibeheerbe jetzt nich inehr alleene schaffen!"
Immer militärisch.
Der kleine Fritz (der gerade dazu
kommt, wie in der Küche die Milch überkocht):
Mutter! Mutter! Die Milch geht zur
Offensive über!
Tage der Rosen.
(Schluß von <5 . 8942.)
Der Durst ist groß, die Seeluft salzig. Der
dicke Wirt am Zapfhahn beginnt schon zu
schivitzen. Ohne Unterbrechung strömt das
braune Naß.
Auch die Musik gönnt sich selten eine Pause.
Sie hämmert, fiedelt, flötet niit feurigem Eifer,
mit unermüdlicher Ausdauer. Denn heute erntet
sie Beifall ivie nie. Nach jedein Stück rollt ein
donnerndes Beifallklatschen durch den Raum.
Sie sind so dankbar, die Blaujacken. Dankbar
für Leben und Lustigkeit.
Es klirrt und schwirrt, summt und brummt
vou hundert Geräuschen im Raume. Rufe.
. Lachen, halblautes Singe». . . .
Wie jung die meisten sind, >vie fröhlich!
Einige streicheln sich lächelnd den kleinen Spitz-
bart, andere zupfen an den ersten Härchen.
Und jene dort. Leichtmatrosen, sind die reinen
Milchgesichter. 2(uf ihren knabenhaften Wan-
gen steht ein tiefes Rot. Haben ein paar
blutjunge Mädchen neben sich und tuscheln
ihnen lustige Torheiten ins Ohr. Das Kichern
nimmt kein Ende. Andere, ältere Paare sitzen
versunken da. Hand in Hand, reden leise
von Liebe, Hochzeit und Zukuuftspläne». Sie
blicken einander glücklich in die Augen und
stoßen mit den Gläsern an: „Du sollst leben,
Frieda!"
Manches Glas zerbricht. Aber Scherben
bedeuten Glück, sagen die Mädchen. Und
lachen. . . .
Dicke, blaue Tabakswolken schweben über
den Köpfen. Die Musik beginnt ein neues
Stück: „Noch ist die blühende, goldene Zeit..."
Zuerst versickert es in dem Gelärm. Aber
nun erhebt sich ein klarer, schöner Bariton und
begleitet die Musik. Die Gespräche der Gruppen
brechen ab. Ganz still wird es allmählich.
Der Sänger steht in der Mitte
des Raumes. Alle Augen richten
sich auf ihn.
Man sieht's au seinem bewegten
Antlitz, hört es an der ausdrucks-
vollen Stimme: jeder Ton kommt
ihm aus dem Herzen.
DieBlnujacken alle kennen ihn gut:
es ist ein Maschinistenmaat, den sie
einfach „Gemütsmensch Karle" nen-
nen. Wenn die Stimmung ihren Höhe-
punkt erreicht hat, muß er singen. Er
kann nicht anders; muß es hinaus-
schmetter», was sie alle bewegt.
„Noch ist die blühende, goldene Zeit,
Noch sind die Tage der Rosen..."
Sie stimmen in gewaltigem Chorus
ein in diesen Refrain, alle, alle.
Sie haben Biergläser vor sich,
Zigarren in der Hand, haben einen
Arm um ihre Mädchen gelegt und
singen voll Andacht wie in der
Kirche. . ..
Und das Lied will an diesem Abend
nicht mehr verstummen. Bald raunt
es hier, bald dort auf: Noch sind die
Tage der Rosen. Wie jung sie alle
sind! Wie fröhlich und zukunftsfroh!
das Leben in der kleinen Hafenstadt. Draußen
wütet der Krieg.
Zuweilen kommt eine Kunde von dem Schiff.
Es schwimmt irgendwo auf dem grauen, weiten
Wasser und hält Wacht, daß die hier drinnen
sich ruhig aufs Ohr legen können.
Die Feldpost bringt Briefe. Bald in diese,
bald in jene Stube.
Sie vergessen ja ihre Mädchen nicht, dieBlau-
jacken. Von Kämpfen und Gefahren schreiben
sie, aber mehr noch von Liebe und Treue.
Von den frohen Stunden, die vergangen sind,
und den glücklichen Tagen, die noch kommen
sollen.
Wochen gehen darüber hin. Die Mädchen
warten. Sehnsüchtig warten sie. Schreiben und
warten. Wie die Eltern auch, die manchen
Sohn da draußen haben.
Die Tage der Rosen wollen nicht kommen.
Aber etwas anderes kommt eines Tages:
Ein Extrablatt!
Die Stadt erwacht wie unter einem schmerz-
haften Schlage. Der Admiralstab der Marine
gibt bekannt, daß jener Kreuzer torpediert und
gesunken ist.
Es dauert keine Stunde, dann weiß man
es in den entlegensten Gassen.
In allen Augen blitzt das Entsetzen auf.
Und die Köpfe neigen sich, — neigen sich tief
unter der grausamen Faust des Krieges.
Trauer wandelt durch die stillen Straßen.
Noch summt in manchen Ohren jenes Lied;
noch lächeln vor manchen! inneren Auge all
die jungen, frischen, lustigen Gesichter der
Matrosen, noch sehen sie das bewegte Antlitz
des Sängers. . . .
Tage der Rosen . . . Sie sind dahin.
Aus der schweigenden, dunklen Tiefe des
Meeres quellen die blutigroten Rosen der Nacht.
Einzige Erklärung.
Fabel.
Von Willibald Krain.
Es gab einmal eine Zeit, da brach unter
den Tieren der Erde ein heftiges Gezänk aus.
Kaum wußten sie, was eigentlich die Ursache
war — und schon lagen sich alle in den Haaren.
Die Tiere auf und unter der Erde, dieWasser-
bewohner und die Beherrscher der Lüfte zogen
gegeneinander, und ein ungeheures Rasen er-
füllte die Welt. Schrecklich verbissen sich die
Gegner ineinander, die Leiber der Getöteten
häuften sich zu Bergen, die Flüsse und Meere,
ja die Tümpel und Pfützen färbten sich von
ihrem Blute. Aber keines ließ das andere
frei und fürchterlich gellten die Schreie der
Kämpfenden.
Als die Tiere ohne Unterlaß so gewütet
hatten, kamen die Menschen, die lange ruhig
und staunend zugesehen hatten, zusammen und
fragten sich, ivas zu tun sei. Sie gingen zu
vielen Tieren, uin deren Meinung zu hören.
Die meisten wußten gar nichts zu sagen, son-
dern ergaben sich nur dumpfstöhnend in das
Walten des unbekannten Schicksals. Worte von
Futterneid und Raubgier fielen, aber das half
nicht weiter. Andere meinten, das sei doch
ein herrliches Erleben, denn jedes müßte jetzt
seine angeborene Kräfte entfalten, und die un-
nützen Schwachen würden mit Recht vernichtet.
Die Klügsten aber erklärten, dieses Streiten
habe tieferen Sinn, da eine „höhere" Macht
es den Tieren geschickt habe, nämlich — der
Mensch!
Da erschracken die Menschen geivaltig, daß
sie an dein zwecklosen Morden noch schilld sein
sollten, und sie schüttelten den Kopf über so
einfältiges Denken. So taten sie sich zusammen
und gründeten einen Tierschutzverein, dein es
mit größter Mühe gelang, die Tiere allmäh-
lich zu überzeugen, daß die Menschen
nur ihr Bestes ivollten, aber nicht
ihren Tod; und endlich ebbte der
Kampf unter den Tieren der Erde
ab, bis er zuletzt ganz aufhörte.
Dann sagte aber der Klügste unter
den Menschen: „Ja, wenn uns nun
mal so eine Dummheit passieren sollte
wie jetzt den Tieren, iver gründet
dann wohl einen — Menschenschutz-
verein. . .
Federvieh.
Das dänische Blatt„Folkets Avis"
behauptete kürzlich, daß in Deutsch-
land außer Hunden und Katzen längst
alle Vögel, auch die Singvögel, die
Störche, Stare, Schwalben und das
Wasserwild in den Kochtopf gelangt
seien.
Es ist nur gut, daß wir ab und
zu aus dem Staate „Neutralien" so
fette Enten geschickt bekommen, die
unsere Ernährung entschieden auf-
befsern.
Der Kreuzer hat den Hafen ver-
lassen. Schläfrig erscheint wieder
„Oberkommando der Marken — wat Hecht bet eijentlich?"
„Na, bet wirb woll berOberkommanbierende von bic Villen Brot-, Butter-,
Fett-, Fleisch-, Milch- und Jemiesemarken sind! Dxt kann eene jeweehnliche
Orts- ober Pollezeibeheerbe jetzt nich inehr alleene schaffen!"
Immer militärisch.
Der kleine Fritz (der gerade dazu
kommt, wie in der Küche die Milch überkocht):
Mutter! Mutter! Die Milch geht zur
Offensive über!