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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 33.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.6705#0085
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8958

Blutveilchen.

Ein Veilchen blüht in Flandern.

Ein Veilchen purpurblau.

Es war das Blut sein Dünger.

Es war das Blut sein Ta».

Ein junger deutscher Krieger.

Der schläft im kühlen Grund —

Der küßte noch die Blüle
Mit seinem bleichen Mund.

Nun über seiner Stätte
Äält sie getreue Wacht,

And reicher jeden Frühling

Erhebt sich ihre Pracht. Ernst Klaar.

Frau Kutscher.

Wie Eisbein und „Weiße", so ist auch die
Schmierseife, die nach Regen- und Schncefall
die Asphaltstraße» Berlins fingerdick bedeckt,
eine Spezialität der Reichshauptstadt. Au der
Kreuzung Voß- und Wilhelmstraße — also zwi-
schen Reichskanzlerpalais und Reichsschatzamt—
schien mir der Schmutz am klebrigsten zu sein.

Ich sah von der Leipziger Straße einen Post-
wagen kommen, bespannt mit einem Fuchs
und einem Schimmel. Hoch oben thront der
Kescher, der eine Frau ist. Das erkannte ich
schon von weitem zweifelsfrei an der lieb-
lichen Stimme. Die Frau Kutscher redete sehr
eindringlich auf die Rösser ein, die auf dem
geschmierten Asphalt immer wieder ins Gleiten
kamen. Gerade an der Straßenkreuzung pas-
sierte das Unglück. Der Schimmel fiel hin. Im
Handumdrehen war das für solche Gelegen-
heiten unentbehrliche Publikum versammelt.
Wir sind an dieser schmutzigen Stelle am Sonn-
tag abend freilich nur wenige: fünf Menschen
und ein Schutzmann.

DerKulscher, der eine Frau ist, steigt graziös
von seinem hohen Bock und flüstert gottes-
lästerliche Reden. Dann stellt sie sich neben
den Schimmel und hält ihm eine Ansprache:
„Mensch, wie kannste dir nur hier in die
Schmiere legen! Wie de nu aussehen wirst!
Wie willste denn iewerhaupt wieder uff die
ollen Beene kommen? Ick hab's aber kommen
sehn. Schon bei Helffrichen an die Ecke Hab
ick's jemerkt, bet 's nich mehr lange dauert—"

Der Schutzmann unterbricht sie: „Woll'n Se
denn nich dem Jaul 's Jeschirre abknöppen?"

Sie antwortet: „Hat sich wat mit Ab-
knöppen — nix ze machen — wer'n ’mer schon
fingern."

Sie löst sachkundig die Schnallen und Rie-
men. Dann streichelt sie den Hals des Pferdes
und redet ihm liebevoll zu: „Na, nu erheb
dir. Schenier dir man nich, weil de nn nich
mehr janz sauber bist. Na, steh man uff! Oder
meinste, bet ick dir uff hebe? Mau uff, oller
Schieber!"

Das Pferd kommt wirklich schnell wieder
hoch. Worauf sie fortfährt: „Na, siehste woll,
Nante, det's de wieder uff de Beene kommst?
So, nu mal wieder rin ins Jeschirre! Aber
nachher de Beenecken n' bisken hoch, sonst
packste dir noch mal in'n Dreck rin. . . . So,
nu kann de Reichspost wieder losjondeln. Aber
Mensch, eh ick wieder uffsteige, wer ick d'r
doch erst eene kleben, sonst verjißte mir de
juten Lehren."

Sie klatscht dem Gaul mit der flachen Hand
fest auf die linke Backe, so daß das Tier heftig
den Kopf zur Seite wendet und sich ein wenig
bäumt. Beim Hinaufklettern auf den Bock sagt
sie: „Na, nu Hab dir man nich, oller Affe!
Mach man keene Springe nich. Hat mer iewer-
haupt so wat schon erlebt — legt sich mir nischt,
dir nischt in den Dreck rin, mitten mang! Na
nu hoppla un benimm dir, Nante!"

Damit fährt sie los. Henncr.

Im Zeichen der Milchpantscherei.

Frau: Haben Sie nicht eine Anstellung für
meine Katze, Herr Sekretär?

Sekretär: Sie sind wohl nicht recht bei
Verstand? Als was soll ich Ihre Katze denn
anstellen?

Frau: Hm ich dachte mir als Milch-
prüfer! Das ist nämlich ein sehr gescheites
Vieh! Sobald nur ein Tropfen Wasser in
der Milch ist, sauft sie das Luder nicht!

Der „Kampfgenosse".

Urlauber: Herr Mayer, was wissen denn
Sie vom Krieg? Sie waren ja doch noch nicht
im Schützengraben!

Mayer: O, bitte sehr! Sogar fünfzig Pfen-
nig Eintritt habe ich dafür gezahlt — und ein
Paar Zigarren für den Posten noch extra!

Der Schreck.

(Nach der Musterung.)

„Mächtig bin ich gealtert: über Nacht bin
ich — feldgrau geivorden!"

Schwere Zeit.

Das gnädige Fräulein, die Tochter vom ffaus,
Zieht sehr verärgert das Näschen kraus:

„Die ew'gen Berichte vom Schlachtengetöf'
Ulachen am Ende mich ganz nervös.

Es giebt keinen Schlagrahm, kein rechtes Bonbon
Und, ach, auch keinerlei Ballsaison!

„was nützt mir Schmuck und Eleganz?
klein klavalier führt mich zum Tanz.

Der Fasching ist schon wieder verschoben —
wie sollte ich diese Zeit wohl loben,

Die große Zeit mit all ihren Siegen?

Mir tat die kleine völlig genügen!

„Eine Ulenge Pakete sandt' ich ins Feld
Ulit Zigaretten und Versen und Geld,
klein Einz'ger mir die Ehe bot:

Oie Männer sind entsetzlich verroht.

Sch magere ab und war einst so rund -
was ist so ein Krieg doch ungesund!"

Der englische Baedeker.

In England hat man den deutschen Baedeker
boykottiert und will ihn durch ein eigenes
Fabrikat ersetzen. Wir können schon heute fol-
gende Zitate daraus bringen:

Calais. Englische Hafenstadt. On parle fran-
<jais. Empfehlenswertes Hotel: „Zur Jeanne
d'Arc".

Berlin. Wegen schlechter Verbindungen von
Rußland und Frankreich zurzeit unerreichbar;
die meisten Züge hallen bereits in Döberitz
und Zossen. Wegen des rauhen Klimas zu
meiden. Hotel: „Zum dunkelhäuligen Gurkha".

Antwerpen. Interessanter englischer Ver-
sprecherkeller „Zum tapferen Churchill". Man
versäume nicht den Spaziergang nach den Wäl-
len, wo die englischenKanonen stehen — sollten.

Italien. Englische Kolonie. Sehr geeignet
zum Aushauen — des Marmors. Lorbeer in-
folge nördlicher Stürme vertrocknet. Kohlen
mitbringen!!

Saloniki. Empfehlenswertes Ulklokal„Zum
neutralen John". Griechen werden nur als
Schuhputzer geduldet.

Dolomiten. Gefährlich und halsbrecherisch.
Als Führer empfiehlt sich Signor Cadorna.
Regenschirm nicht vergessen!

Gallipoli. Grobe Bevölkerung. Ist gegen-
wärtig boykottiert!

Kaukasus. Bekannt als Aufenthalt zi.veier
Wohltäter der Menschheit, Prometheus und
Nikolajewitsch. Schöne Gegend. Billige Preise.

Uerlag von J. ß.HV.'&iefy DXadjf. in Stuttgart.«

Zum bevorstehenden Osterfest empfehlen wir die nachstehenden Bücher:

Gerd Wullenweber (j

Die Geschichte eines jungen Arbeiters A

von Jürgen Brand y

preis gebunden Mark l.—

Das heilige Feuer

Gesammelte Erzählungen, Aussätze und Gedichte
für die arbeitende Jugend von Jürgen Brand

preis gebunden Mark I.—

Erinnerungen

aus meinen Ilindheits- und Mädchenjahren
Aus der Agitation und anderes.

von Adelheid Popp
preis gebunden Mark 1.—

Die rote Feldpost

unterm Sozialistengesetz

Mit einer Einleitung: Erinnerungen aus meinen
Rinder-, Lehr- und Wanderjahren, von I. Belli
Preis gebunden Mark l.—

0

Ein Rückblick

aus dem Jahr 2000 auf das Jahr 1887
von Eduard Bellamy
übersetzt von Nlara Zetkin
Zweite Kuflage. preis gebunden Mark I.—

Runde von Nirgendwo

Ein utopischer Roman von William Morris
fferausgegeben von Wilhelm Liebknecht
Zweite, illustrierte Auflage. preis gebunden Mark 1.—
 
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