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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 33.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.6705#0106
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— 8979

Nach der russischen Gegenoffensive.

„Wir haben geglaubt, Iwan, daß du gut kegeln kannst?"
„Kann ich auch, Bruderherz, aber die Kegel» stehen zu fest!"

besteigen und dort Vorposten beziehen. Nach
unserer Schätzung konnte die Höhe höchstens
tausend Meter entfernt sein. Wir sollten je-
doch bald inne werden, daß wir uns mit die-
ser Entfcrnungsschätzung gewaltig verrechnet
hatten. Der Abend dämmerte, als wir zu Tal
stiegen. Wir befanden uns bald in einer ganz
in sich abgeschlossenen, unendlich einsamen und
trostlos verlassenen Einsaltelung und bevor
noch eine Stunde vergangen war, stritten wir
uns schon eifrig, in welcher Richtung wohl
unsere Feldwache liegt. Es war eine recht
unbehagliche Entdeckung, als wir merkten, daß
ivir die Richtung gänzlich verloren hatten und
daß keiner von uns trotz Kompaß genau wußte,
wo wir uns befanden. Doch weiter auf gut
Glück!

Es war inzwischen Nacht geworden, eine
dicke, undurchdringlich finstere Nacht. Und um
das Elend voll zu machen, fing nun auch der
Regen mit verdoppelter Kraft an. Wir er-
innerten uns der Weisung, bei stärkerem Regen
besonders aufzupassen, da in diesem Knrst-
lande Hunderte von sonst leeren Rinnsalen
sich in einer halbe» Stunde zu reißendenBerg-
strömen verivandeln, die alles mitnehmen, was
ihnen in den Weg kommt. Mein Vordermann
patschte auch zehn Minuten später bereits bis
über die Knie i» ein Wasserloch und nicht
weit von uns war ein unheimliches Gurgeln
und Zische» zu hören, das bedrohlich anschwoll
und dem wir immer näher kamen. Nun hieß
es, sich in Sicherheit bringen. Aber wohin?
Wir folgten immer noch der Einsattelung, da

ein anderer halbwegs gangbarer Weg nicht
vorhanden war.

„Hallo! Kameraden! Ist das dort halb-
rechts nicht ein Feuerschein?... Los! Wir
wollen drauf halten .. " Etwas rechts über
uns lag wirklich so etwas ivie ein rötlicher
Schimmer auf der Felswand. Wir schwenkten
also rechts ab, kletterten über den Hang hin-
auf, stießen uns die Knochen wund an den
Spitzen und Schroffen des Gesteins und stan-
den plötzlich vor einer senkrechten, mindestens
zwanzig Meter hohen Wand, die spiegelglatt
steil vor uns aufragte. Ausgeschlossen, hier
hinauszukraxeln! Das Gurgeln und Schäumen
unter uns hatte sich verstärkt und war zu
einem Brüllen und Donnern geworden. Jeden
Augenblick spritzte es von da unten herauf,
näßte uns bis auf den letzten Fade» ein und
verschäumte klatschend an der Felswand. Die
Einsattelung war zum Wildbach geworden
und dieser Wildbach versperrte uns jeden
Rückzug. Nur vorwärts und aufivärts konn-
ten wir und zivar möglichst rasch, denn wir
hatten keine Ahnung, wie hoch das Wasser
noch steigen würde.

„Wie wir so überlegend ilnd beratend an
der steilen Wand standen, huschte plötzlich ein
blendender Blitz über die Felsmasse vor uns,
nur sekundenlang aufleuchtend, dann deckte
iviedcr die Nacht wie dicke Tinte alles zu..
„Dorthin, Kameraden! Dort brennt ein Feuer.
Geivehr fertig machen und nun los!"

Schritt für Schritt tasteten wir uns an der
Wand vorivärts und standen plötzlich vor

einer stufenarlig aufsteigenden Platte, die
dort, wo die Wand jäh aufhörte, vielleicht
acht Meter über uns lag. Die Glanzlichter
eines Feuers huschten hurtig und rastlos über
die Stufen, die ziemlich bequem zu der Platte
führten ... Wir stiegen vorsichtig die Stufen
hinauf, legte» uns auf der obersten nieder
und sahen vor uns eine ziemlich geräumige
und tief in den Felsen führende Nische, an
deren Ausgang ein Feuer brannte. Um dieses
Feuer hockten Gestalte», vielleicht zwanzig.
Wir aufspringen, das Gewehr entsichern und
die Gestalten laut anrufen, war das Werk
eines Augenblicks. Als hätte ein Blitz einge-
schlagen sprangen die Gestalten hoch, sahen
zu uns her und hoben die Hände zum Zeichen
der Ergebung in die Luft.

Mit aller Vorsicht näherten wir uns. Wer
konnte wissen, in welche Gesellschaft wir ge-
raten ivaren und was die Kerle im Schilde
führten. Da löste sich aus dem Schwarm
eine Gestalt los und kam mit ausgestreckten
Händen auf uns zu... „Grüß Gott, Kame-
raden! Tul's an Schießprügl weg. Mir san
gut Freund ..." Das Wundern war nun an
uns und dieses Wundern wurde noch erheb-
lich vermehrt, als wir die Gesellschaft näher
betrachteten. So bunt zusammengewürfelt wird
man die verschiedenen Freunde und Feinde
wohl nicht iviederfinden. Es waren da: Zwei
Mann von einer österreichische» Patrouille,
die sich vorletzte Nacht verirrt hatten; eine
gemischte Patrouille — zwei Franzosen, ein
Engländer und drei Kanadier — von der
 
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