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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 33.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.6705#0113
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8986 —-

Kennst du das Land, wo der Tsonzo schäumt,

Jim blauen Meer Criest, das stolze, träumt?

Und kennst die Cäler du von $üd--Cirol,

Das liebliche Crentino, kennst du’s wohl?

Kennst du es wohl? Dahin, dahin
Kottt ich bereits vor einem Jahr zu zieh»?

Kennst du das Seid, wo die zwölf Monde lang
Uergebens ich um Ruhm und Ehre rang?

Wo heut’ Zypressen statt des Lorbeers wehtt
Und hunderttausend schwarze Kreuze stehn?
Kennst du es wohl? Dahin, dahin
Sank meines Uolkes Blüte, jung und kühn!

Kennst das Rotel du auf dem Pincio,

UJo vom Balkon der Reld d’Jlnnunzio
Uor einem Jahr, fidel und schuldenfrei,
Grtönen Hess sein lust’ges Kriegsgeschrei?
Kennst du es wohl? Dahin, dahin
Sah ich mein Uolk, „Ewiva“ rufend, ziehn

Kennst du das Jahr, das jubelnd ich begann,

Und das in Blut und Dänen mir verrann?

Uerklungen ist d’Jlnnunzios Kriegsgeschrei
Und statt „Gwiva“ heisst es heut „au waih“!

Kennst du das Jahr? Dahin, dahin

Sah ich auf ewig alle Roffnung fliehn! Sulla.

Italiens Gedenktag.

Zum 23. TDai.

Kennst du die Stadt am fernen Donaustrand,
Dach der schon lang mein heisses Sehnen stand,
Die ich erwählt — es war ein feiner Coup —
Mit dem Kosaken mir als Rendezvous?

Kannst du sie wohl? Dahin, dahin
UJerd’ ich so wenig wie der andre ziehn!

Frage an Asquich.

Süße Lieder Hör' ich klingen,

Äolde, zarte Melodie»,

Die auf wohlig-weichen Schwingen
Durch die wunde Seele ziehen.

Mister Asquith hat gesprochen,

Und wie schön hat er geredet!

Ach, es war ein arger Frevel,

Daß wir uns so wüst befehdet.

Nur ein großes Mißverständnis
Riß die Säbel aus der Scheide:

Doch zu spät kommt die Erkenntnis
Und nun büßen wir es beide.

England will uns nur befreien
Von der bösen Last der Waffen
Und dem deutschen Volke endlich
Licht und Luft und Freiheit schaffen!

So will Asquith uns beglücken!

Staunend haben wir's vernommen
Und mit schweigendem Entzücken.

Doch nur eins macht uns beklommen:
Wenn wir brav die Waffen strecken
Bis zur allerletzten Rotte,

Mit Erlaubnis, Mister Asquith,

Was geschieht mit Englands Flotte?

A.W.

Feldpostbriefe.

XLT.

Geliebte Rieke! Ich freue mir sehr, daß es
nun auch bei Euch in Berlin Frühling ge-
worden ist und Du schon zweimal mit Meyers
in die Jungfernheide gemacht hast. Anch wir
genieße» hier die Schönheiten der wiederer-
wachten Natur — wie Du Dir so poetisch aus-
zuquetschen beliebst. Zwischen unsere und die
feindliche Linie mitten drinne lag aus eine von
blühende Kirschenbäume beschattete Anhöhe
ein einsames, friedliches Häuschen, und wir
freuten uns schon darauf, wenn im Sommer
ivürde» die Kirschen reif sein. Leider aber hat
unser Divisionskommando kein Verständnis für
Naturschauspiele und auch Kirschen scheinen
die Herren vom Stab nicht essen zu wollen.
Wenigstens kam gestern spät abends der Be-
fehl an unsere Kompagnie, es sollte sofort ein
Sprengkomniando abgehen,nmdas obigeLand-
schaftsbild zu beseitigen. Es war nämlich fest-

gestellt worden, daß in das friedliche Häus-
chen hinter die blühenden Kirschen der Beob-
achterposten für die russische Artillerie saß,
der die sogenannten Wirkungen der Geschosse
telephonisch übermittelte. Ein Leutnant mit
zehn Mann, zu die auch ich gehörte, marschier-
ten nachts um zwölfe aus.

Erst konnte» wir von wegen die Düsternis
keine drei Schritte weit sehen, dann aber kam
der Mond hinter die Wolken vor >md beleuch-
tete mit sein zauberisches Licht wie Du Dir
so tiefempfunden auszuquetschen pflegst — die
ganze dreckige Lausegegend. Und leider auch
uns elf Mann, denn wir bekamen aus das
stille Häuschen zweimal Feuer. Dann konnten
wir sehen, wie der telephonische Artillerie-
beobachter durch seine Hintertüre mit tele-
phonische Schnelligkeit Reißaus nahm und aus
unsere Blicke entschwand. Jetzt aber wir ohne
anzuklopfen mit Marsch, marsch hinein in die
Bude und die Sprengmunition kunstgerecht
angelegt! Wie wir damit gerade fertig waren,
tauchte auch schon zwischen uns und unsere
Linie eine russische Patrouille auf, die wir
gerade noch Zeit hatten, durch eine Salve zu
verscheuchen. Einer von die feindliche Mann-
schaft fiel, steifgerade, wie ein gefällter Baum-
stamm. Unser Leutnant sagte, es wäre Kopf-
schuß gewesen. Nachdem wir die Zündschnur
angestochen hatten, zogen wir uns im feld-
dienstmäßigen Eilmarsch zurück. Dabei kamen
wir an dem gefallenen Russen vorbei, dem
aber zu unserm Erstaunen der Kopfschuß sehr
gut bekommen zu sei» schien, denn wir stellten
fest, daß er ganz heil und gesund war und
ihm bloß aus Entsetzen über unsere Salve
etwas passiert war, was ich als gebildeter
Kavalier vor Deine Mädchenohren nicht höre»
lassen darf. Wir nahmen ihn in Eile gefan-
gen und er schloß sich unserm Dauerlauf mit
große Behendigkeit an. Eine knappe Minute
später erfolgte die Explosion. Eine riesige
Feuersäule schlug aus das Gebäude empor
und Steine, Erdklumpen und Baumäste sausten
uns um die Ohren. Wir hatten uns alle un-
willkürlich auf den Bauch geworfen. Am er-
schrockensten aber war unser Russe, der natür-
lich keine Ahnung von den bevorstehenden
Knalleffekt gehabt hatte, und, wie wir leider
seststellen mußten, seine Dienslhosen nun zum

zweiten Male verunglimpft hatte. Eine Viertel-
stunde später befanden wir uns alle wieder
wohlbehalten in unserem Unterstand.

Du siehst also, geliebte Rieke, daß auch wir
hier sehr merkwürdige Frühlingsausflüge in
schöne Gegenden machen, aber allerdings auf
eine andere Weise als wie Du hoffentlich mit
Meyers in die Jungfernheide.

Herzliche Grüße und viele tausend Küsse
sendend Dein getreuer Bräutigam

August Säge jun.. Garde-Grenadier.

Cs CS

Wonnemond 1916.

Wo rings die blauen Veilchen blüh»,

Sitz ich versteckt im Birkcngrün,

Und weil ich doch ein Dichter bin,

Geb ich mich Lenzgefühlen hin.

Es klopft das Lerz, das Auge schwimmt.
Der Leier Saiten sind gestimmt.

Und lieblich tönt's: Tandaradei!

Sei mir gegrüßt, du holder Mai!

Seid mir gegrüßt, ihr Blütenwogen,

Von Schützengräben sanft durchzogen!

Wie freundlich glänzt am Kirchenpfad
Im Maienlicht der Stacheldraht!

Der Buchfink schlägt im grünen Laube,

Am blauen Äimmel kreist die Taube,

Und mitten in die Frühlingswelt
Die rasche Fliegerbombe fällt.

Doch drüben von des Äügels Rand
Blick ich hinab zum Meeresstrand
Und seh, wie der Torpedo schnelle
Sich Bahn bricht durch, die blanke Welle.

Und komm ich fröhlich dann nach Äaus,

So schau ich nach Feinsliebchen aus:

Vor jenem Laden vis-ä-vis
Zu jeder Stund erblick ich sie.

Ich seh sie jung und morgen schön
Schon früh vor zehn nach Butter stehn.
Und abends spät noch steht mein Schatz —
Tandaradei — am selben Platz!

Drum füllt mit seliger Frühlingslust
Sich meine junge Dichterbrust,

Und schwellend wird das Äerz mir weit
Im Wonnemond der großen Zeit.

ftlstcrischa Konaission zu Berlin
 
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