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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 33.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.6705#0187
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•• 9060

In fremder Erde.

• Draußen in fremdem Land
Hebt sich ein Lüget —

Ehern von Schicksals Land
Klirrte ein Riegel.

Ruht dort ein junges Blut,

Vorm Feind gestorben.

Lat sich d» Kreuzlei» gut
Im Kampf erworben.

Weint wo ein Mädel braun
Gar bittre Tränen,

Wird nie ihir wieder schaun.

Trotz heißem Sehnen.

Ringt eine Mutter schwer
In stiller Kammer,

Lerze so öd und leer
Von all dem Jammer.

Krampst sich ein ‘2lttcv wund
Stumm beide Lände —

All seine Loffnung schwund
Auf glücklich Ende.

Weiß keiner, wo er liegt.

Der blonde Knabe,

Nur heißes Sehnen fliegt
Nach seinem Grabe.

Zaubert aus ödem Sand
Kreuz ihm und Blum« —

Streut ihm als Geisterhand
Lorbeer zum Ruhme. ErnstKiaar.

Falsch geträumt.

Eine merkwürdige Geschichte von Karl Bröger.

Ich weiß nicht, wo andere Leute ihre Brot-,
Fleisch-, Eier-, Zucker-, Kartoffel- und Fett-
marken aufbewahren. Meine Frau hat die
ganze bunte Gesellschaft in eine Tischlade ge-
sperrt. Tort führen sie ein beneidenswert un-
gestörtes und beschauliches Dasein, den» nur
selten geschieht es, daß einige aus der Gesell-
schaft gerissen und einem praktischen Zweck
zugeführt iverden. Hätten wir einen Kassa-
schrank, dann müßten die kostbaren Amvei-
sungen unbedingt darin untergebracht werden,
wie es sich nun einmal für echte und rechte
Wertpapiere ziemt.

Manchmal vertreibe ich mir die Zeit mit
einem etwas sonderbaren Vergnügen. Ich lege
eine Fleischmarte zwischen zwei Brotmarken
und bilde mir recht lebhaft ein, nun hätte ich
belegtes Brot. Man sagt mir allgemein eine
sehr starke Phantasie nach, allein trotz dieser
starken Phantasie kann ich beschivören, daß
inein belegtes Brot ganz abscheulich schmeckt
— wie Löschpapier und gar nicht anders. Zu-
fällig habe ich in einem Kochbuch gelesen, aus
Mehl, Eiern, Zucker und Schmalz könnte ei»
recht nahrhafter Kuchen hergestellt iverden.
Mehl, Eier, Zucker und Schmalz habe» wir
nun zwar nicht, dafür aber einen klberfluß an
Mehl-, Eier-, Zucker- und Fettkarten. Pro-
bieren geht vor Studiere», sagte ich mir also,
>oarf die verschiedenen Mehl-, Eier, Zucker-
and Schmalzkarten in einen Topf und rührte
sie ivohl zehn Minuten andächtig durcheinander.
Es ist dann zivar ein Kuchen geworden, aber
keiner zum Essen.

Wenn es in der ganzen Wohnung still ist
— es muß jedoch schon recht still sein —, höre
ich die unterschiedlichen Marken miteinander
reden. Das ist iuni eine arg interessante Ilnter-
haltung. Mün kann da vernehmen, wie die
Fleischmarken über sich mrd wie sie über die
andern Marken denken. Es geht ihnen wie so
vielen Menschen. Von der eigenen Wichtigkeit
durchaus überzeugt, lassen sie an den andern
kein gutes Haar. Weil aber die andern Marken
ebenso denken, gleicht sich alles wieder schön
aus. Bis jetzt habe ich aus den Gesprächen
entnehmen können, daß jede Marke von der
Wertlosigkeit der andern überzeugt ist, nur
niit der Brotkarte niachen alle-eine Ausnahme
und behandeln sie sogar respektvoll. Tie De-
batte wird oft recht lebhaft und droht sogar
tätlich z» iverden. Wenn ich merke, das; dieser
Punkt erreicht sein könnte, reiße ich schnell die
Schublade auf. Daun liegen die Marken auf
einmal ganz ruhig und friedlich bei- und aus-
einander. Das fehlte gerade noch, daß sich
meine kostbaren Brot-, Mehl-, Fleisch-, Eier-,
Zucker- und Fellmarken gegenseitig selbst auf-
fressen. Was bliebe da für uns?

In letzter Zei! träume ich sogar von meinen
vielen Marken. Erst diese Nacht wieder. Es
ist ein reichlich schwerer Traum gewesen, den»
noch immer surrt mir der Kopf von den sonder-
baren Erlebnissen, die ich diese Nacht mit meiner
Marken schar halte.

Eine alte deutsche Volkssage voni Rhein er-,
zählt von Heinzelmännchen. Das sollen kleine,
freundliche Geister geivesen sein, die den Men-
schen bei der Nacht an die Hand gingen. In
solche Heinzelmännchen verwandelten sich nun

Anerhört.

„Denken Sie sich, Fran Wurzelhuber, der Verein
für soziale Bcvölkermigspolitik will, daß alle un-
ehelichen Kriegskinder jetzt ans Staatskosten erzogen
werden sollen!"

„Na, soivas! Da haben wir uns ja in unserem
Verein zur Hebung der Sittlichkeit ganz umsonst
geplagt."

im Traum auch meine lieben Marken. Ich
sehe sie noch ganz deutlich vor mir: die Brot
marken in weißen, mehlbestaubten Röcken, die
Fleischmarken stämmige, nntersehte Bursche»
in blauen Fleischerkitteln, die Eiermarken mit
Kiepen auf den Schultern und die Kartoffel-
marken mit Säcken unter den Armen. Diese'
ganze wirbelnde Gesellschaft tänzle einige Zeit
um mein Bett, daun flogen sie husch!
aus den Fenstern und begannen ihr geschäf-
tiges Werk. Die Brotmarken schleppten Brot-
laibe und Mehisäcke aus den Kellern. Die
Fleischmarken brachte» Schutte», Würste und
Fleisch daher, die Eiermarken keuchten unter
der Last ihrer Kiepen, und die Kartoffelmnrken
hatten eine Kette gebildet und die Säcke flogen
nur so von Hand zu Hand, stiller Segen kam
zu meinem Fenster herein, und um mein Bett
herum häuften sich die Reichtümer. Ich schlief
schließlich zwischen lauter Brot und Mehl.
Schinken und Würste», Eiern und Kartoffeln
in einem gerechten, ivenn auch nur geträumte,!
Hamslernest. . . . Meine Neugier wurde wach.
Ich wollte sehen, woher die papierenen Heinzel-
männchen all die Sachen nur bringen. Allein
die Welt war außer meinem Bett wie ein zu-
gebnndener Sack.

Heute früh beim Aufwachen hat mich meine
Frau ausgelacht. Sie behauptet, ich hätte furcht
bar komisch ausgesehcn, hätte den Mund ge-
spitzt und die Lippe» geleckt und ein Mal über
das andere etwas von Schinken und Eiern ge-
brummelt.

Seitdem zerbreche ich mir nun den Kopf,
was das heute nacht gewesen sein mag. Sollte»
sich die Heinzelmännchen viclleicht im Haus
geirrt und die ganzen schönen Leckerbissen, die
mir zngedacht ivaren, einem andern heimge-
schafft haben? Haupt- und Kardinalfrage: Wer
is! dieser andere?

Ich glaube nicht an das Wunder ron Kana
und nicht an den Ölkrng der Witwe von Saron,
so lieb mir auch ein solcher Ölkrug wäre. Ich
habe auch seil heute nacht erhebliche Zweifel
au der Existenz von Heiuzeliuäuueni, dcnn
meine Brot-, Fleisch-, Eier-, Zucker-, Fett- und
.Kartoffelmarken liegen in ihrer Schublade so
beschaulich und unberührt, wie sie immer darin
liegen. Aber ich weiß ganz sicher, daß es diesen
andern gibt, für den kleine, geschäflige Geister
in der Nacht arbeiten.

„Übrigens ein schöner Gedanke, du, die e
Heinzelmännchen! Nur sollte es auch welche
für unsereins geben," seufzte meine Frau. Cie
hat drei Kinder zu versorgen und fürchtet jeden
Tag die Weltreise, die mit der Beschaffung
des Mittagessens verbundcu ist. . . .

Lieber Wahrer Jacob!

Bei einer Abteilung ncneingezogener Lanb-
sturnileute wurden Freiübungen gemacht. Am
das Koinmnndo des Unteroffiziers „Rump
rechts beugt!" führte ein Mann diese Bewegung
nach links aus. Der aufsichtführeude Feld
webelleulnaut sah es, trat hinzu und fragte
ihn:

„Was sind Sie eigentlich von Beruf?"

„Gcrichtsassessor, Herr Leuinaut!"

„Aha, kein Wunder!" sagte spöttisch der Feld
ivebelleutuant, „da muß Ihnen eine .Rechts
beugung* natürlich besonders schwer fallen!" e
 
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