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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 33.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.6705#0193
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9066 -

England und die neutralen.

Und also sprach John Bull: „Gewiss!
Der Randei ist ein Ärgernis
Und sollte füglich unterbleiben,

Sofern ihn andere betreiben.

„Zwar unterschrieb ich manchen Pakt:
Die See ist frei! Doch der Kontrakt
(Dar-meine Rerrn, ich muss sehr bitten!
Huf diese Zeit nicht zugeschnitten.
Uerträgen bin ich wohlgesinnt,

Solange sie mir nützlich sind,

Doch siegt the German rings zu Lande,
Dann sieg’ ich mit der Konterbande.

„CUas sagen Sie? Sie sind neutral?
Dear Sir, grad dies ist ein Skandal;
Doch dass Ihr Recht ich recht behüte,
Jühr’ ich Ihr Schiff mir zu Gemiite.
Durch meine Jaust, neutraler Raus,
Lass' ich nicht einen Reringsschwanz;
Denn Prise ist, genau gefasst,

Gin jedes Ding, das mir nicht passt!“

Rört, hört! Man murrt und ist pikiert,
Schreibt einen Brief und protestiert,
Entrüstet siehst du allerwegen
Die Jaust im Sacke sich bewegen,

Und aus dem Chore der Gntrüster
Jragt melancholisch ein Geflüster:
CUo bleibt der edle Pelikan
Uon drüben überm Ozean?!

Der grosse Bruder, der so forsch
Das Recht verbessert, wo es morsch;
Gr, der für manches andre Land
So sittlich-tiefe töne fand
Uoll herzerquickender Moral...?
Rerr CUilson reden Sie doch mal!

Rerr CUilson schweigt und denkt:
Bald kommt die CUahl. Pan.

Deutsche Kämpfer.

Graue, graue Massen,

Massen dumpf und schwer.

Zieh» sie durch die Gassen,

Durch die Straßen her.

Riesig, eine Schlange,

Wälzt es sich durchs Land,

Macht das Lerze bange.

Setzt die Seel' in Brand.

Ziehen ihre Gräben
Weit durch Wald und Flur,

Wagen keck ihr Leben
Ohne Zagens Spur.

Trotz in jedem Blicke,

Fäuste, fest und stark —

And doch ohne Tücke,

Voller Kraft und Mark!

Laben auch zu Lause
Eltern, Weib und Kind,

Wo um ihre Klause
Grau die Sorge spinnt.

Laben auch ein Lerze
Ties in treuer Brust,

Offen jedem Schmerze,

Offen jeder Lust.

Ob von ihren Lieben
Mancher auch sich wand.

Sind sie Mensch geblieben

Doch in Feindesland! Ernst Klaar.

G3&

Feldpostbriefe.

LII.

Geliebte Rieke! Ich bin leicht verwundet
gewesen, aber es geht mir schon wieder gut.
Heute vor acht Tagen bekam unsere Kom-
pagnie den Befehl, sich mit List in den Besitz
des russischen Brigadestabs zu versetzen, von
dem gemeldet worden war, daß er sich dicht
vor unsere Stellung in ein geheimnisvolles
Versteck eingenistet hatte. In der ersten Morgen-
dämmerung marschierten wir los, und auf nüch-

ternen Magen hatte ich bereits einen Schuß in
den linken Unterarm erwischt, der mir einigen
Blutverlust veranlagte und verdammt wehe
tat. Da mir ein anderes Frühstück nicht ser-
viert wurde und auch da? Mittagessen durch
stramme Haltung ersetzt werden mußte, so um-
fächelte mir bald ein unaussprechlicher Hunger
und das Verlangen nach einen ordentlichen
Verband. Aber ich mußte mir auf bessere
Zeiten vertrösten.

Die Russen entschwanden unsichtbar vor un-
sere Augen und wir konnten ohne Störung
weitertippeln. Gegen Abend aber gelangten
wir plötzlich an eine idyllisch gelegene Kirche,
von deren Turm die Genfer Flagge vielver-
heißend wehte. Es war ein russisches Lazarett,
das der Feind beim Abzug zurückgelassen hatte.
Ich freute mir wie ein Schneekönig von wegen
meinen linken Unterarm, obgleich die russischen
Sanitäter so ziemlich die lebensgefährlichste
Art von Massenmörder sind, die die Entente
aufzuweisen hat. Da den Russen nie zu trauen
ist und sie immer allerhand Kriegslisten zu
gebrauchen pflegen, so wurde zuerst eine Pa-
trouille in das Gebäude geschickt, um den Tat-
bestand aufzunehnie». Sie kam retour mit die
überraschende Meldung, in die Kirche befände
sich kein Lazarett oder sonst was Menschen-
freundliches nicht, sondern sie sei offenbar von
russische Truppen besetzt gewesen, die sehr
intim darin gehaust hätten.

■ Nun drang die Kompagniö in die Kirche
ein, in der sich nichts weiter wie einige ver-
lassene Strohsäcke und zahlreiche leere Flaschen
befanden, die, wie es schien, Abeudmahlswein
enthalten halten. Als wir aber die Sakristei
betraten, bot sich uns ein schaudervoller An-
blick dar, den ich mein Leben lang nicht ver-
gesse» werde. Unter der brennende» Lampe
eines Muttergottesbildes saß, steif hochauf-
gerichlet, die Leiche eines russischen Generals
und um ihn herum geschart eine Anzahl Offi-
ziere — alle tot! Sogar unser Hauptmanu,
der sonst nicht so ist, wischte sich die Augen
und sagte: „Das ist der russische Brigadestab,
den wir gefangen nehmen sollten! Die Leute
haben völkerrechtswidrig die Genfer Flagge
gehißt, aber sie sind einen ehrlichen Soldaten-
tod gestorben und sie sollen ein anständiges

■WwlMto KrnaluM 2» Bertis

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Begräbnis haben!" Wir trugen darauf die
Toten aus die Sakristei, und zwei ungeschickte
Kerls ließen dabei die Leiche des Generals
fallen. Dieses Malheur aber war sein Glück.
Denn wie die Kohlrübe auf die Kirchenfliesen
aufschlug, öffnete der Tote langsam die Augen,
grunzte in wilden Tönen und übergab sich
auf die unverkennbarste Weise. Sofort wurden
Wiederbelebungsversuche auch mit die anderen
Offiziere angestellt, und alle waren von erfreu-
lichem Erfolge begleitet. Nach zehn Minute»
lag der ganze Brigadestab in lebendigem, aber
hoffnungslos besoffenem Zustande vor uns!
Der Abendmahlswein muß in die griechisch-
katholische Kirche doch viel schwerer eingebraut
werden wie bei andern Konfessionen.

Ein Unteroffizier und fünf Manu wurden
mit den Rücktransport der Gefangenen beauf-
tragt, und ich durfte mir als Verwundeter
diese Patrouille anschließen. Die Abenddäm-
merung brach herein, und seitwärts vom Wege
sahen wir am rötlichen Himmel Dampf und
Rauch aufwirbeln. Es schien ein brennendes Ge-
höft zu sein, aber mir war alles schnchppe, denn
der Blutverlust hatte meine Manneskräste ge-
schwächt. Ich hoffte dort wenigstens ein paar
mitleidige Bauersleute anzutreffen und mir
von meine Schmerzen und meinen Hunger
ausruhen zu können. Aber ich sah mir auf
die angenehmste Weise getäuscht. Es war kein
brennendes Gehöft nicht, sondern eine von
unsere Feldlüchen nebst Verbandplatz! Meine
Wunde wurde gereinigt, und ich bekam zum
Abendbrot Hammelfleisch mit grüne Bohnen,
die mir erheblich schmeichelhafter waren wie
die blaue Bohne, mit die man mir zum Früh-
stück bewirtet hatte. Seit drei Tagen bin ich
wieder wohlauf und dienstfertig.

In die Hoffnung, von Dir das gleiche an-
nehmen zu dürfen, grüße ich Dir, geliebte
Rieke, mit herzliche Küsse als Dein getreuer
Bräutigam

August Säge jun., Garde-Grenadier.

?. 8. Um mir von die obigen schrecklichen
Folgen der etwaigen russischen Getränke zu
bewahren, möchte ich Dir bitten, mir mit Dein
baldigstes Liebespnket eine Pulle von unseren
heimatlichen Gilka zu veranlassen. Aber es
kann auch Mampe sind.
 
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