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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 33.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.6705#0203
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9076

3m Fieber lag die Welt. So heiß wie nie
Ein Fieber sich in blühndes Leben fraß,
Wühlte der Krieg in aller Länder Warb.
Blut quoll und floß und strömte, daß ein Meer,
Tränk's nicht der Staub in wild zerrißner Flur,
Ein neues Meer die Erde könnt'umspülen.

Mit immer neuen peitschen fuhr der haß,
Beflügelt von der Lüge Gaukelschwung,
von West nach Vst, vonNord nach Süd, zurück
3n frecher Bahn und niederm Zickzackflug.
Vas kitmen aller Kreatur war tyual.

3n Eisenklammern mitleidlos gespannt
Röchelten wir dahin in dumpfen Fiebern—

Und eine Nacht lag sommerheiß auf uns,

Da gingen wieder unsre Sinne irr
Nach jenen Fernen suchen, die ein Schein
Einmal durch tiefste Nacht uns zeigen muß
Wie lang ersehnten Schiffes fernes Licht.

Da hob ein Ton - wer kann es sagen, wo? -

Feldpostbriefe..

UH.

Lieber Maxe! Du beklagst Dir in Deinen
letzten lieben Brief, daß Euch in Berlin die
Brot-, Butter- und Fleischrationen noch immer
nicht in die wünschenswerte Weise erhöht wor-
den sind, obgleich die Ernte bereits in die
Scheunen und nicht zu knapp ausgefallen ist.
Wenn Du eine Ahnung davon hättest, wie
heftig uns im Felde solche Klagen schmerzen
und wieviele Tränen wir in die Schützengräben
über die ungestillte Verfressenheit der teuren
Heimgebliebenen vergießen, dann wurdest Du
Deinen Gram in eine schweigsame Busenfalte
verbergen. Es ist aber auch wirklich zu trau-
rig, hören zu müssen, daß Leute wie Du sich
wöchentlich mit ein halbes Pfund Schweine-
bauch begnügen sollen, während wir hier in
einem Überflüsse planschen, von dem Du Dir
auch in Deine ausschweifendsten Hunger-
typhusphantasien gar keine Vorstellung nicht
machen kannst.

Vorige Woche zum Beispiel hatte ich den
dienstlichen Genuß, mit einem Unteroffizier und
elf Mann auf Bahuhoswache kommandiert zu
werden. Der Bahnhof lag an eine frisch be-
setzte Strecke mitten in das paradiesischste Ge-
filde von Polen, wo unabsehbare Kartoffel-
felder sich bis zum fernen Horizont erstrecken,
die in friedliche Zeiten zur Herstellung von
Schnaps verwendet zu werden pflegen, jetzt
aber noch ungeerntet dalagen, weil die Wuttki-
'winzer sie aus strategischen Gründen plötzlich
im Stich gelassen hatten. Als wir dem Bahn-
hof besetzten, erblickten ivir zur Linken einen
verlassenen Bauernhof, aus dem das viel-
versprechende Gegacker eines Huhnes uns ent-
gegenschallte. Rasch waren ivir in das Sta-
tionsgebäude untergebracht, aus dem wir nach
einer halbstündigen angestrengten Arbeit den
landesüblichen Dreck, soweit ivie er fahrbar
war, hinausbefördert hatte». Dann sollten ivir

Die Glocken.

Ein banger Ton sich schwankend durch die Luft,
Stieß einen Bruderton mitrufend an,

Der riß den hall verwandten Klanges mit:
So riefen Glocken, geisterhaft bewegt,
von selbst sich an. Und bis zum nächsten Grt,
Mo eines Gottestempels Turm aufragt,

Ging laut der Schall, der neues Tönen weckt.
3m ganzen Lande ging das Glockenseil,
von unbekannten Händen jäh gezerrt,

Bald waren'; Tausend, bald Millionen schon:
Pilgerkapellen auf verlornem Berg,

Kirchen und Klöster in der fernsten Stadt,
Vas klrmesünderglöcklein und der vom
Vermengten sich zu schwesterlichem Bund.

3ns Land des Feindes, wo aus Trümmerschutt
Ein Mauerstumpf metallnen Rest nur hielt,
Sprang über Feind und Freund selbstDissonanz
Zu einem einz'gen klingenden Gebet,

Schlug an den Himmel mit der ganzen Wucht
Gequälter Seelen, die in höchster Not
Die letzte Kraft zu stärkster Tat beschwingt.

uns das Mittagessen Herstellen. Unsere Er-
wartungen waren in diese Hinsicht auf das
allerhöchste gespannt, denn zu unser Kommando
gehörte ein frisch eingezogener Küchenchef aus
das nobelste Hotel Unter den Linden, namens
Meyer, und er hatte die Herstellung eines
feinen Diners mit dienstfertige Bereitwilligkeit
übernommen.

Zur Herbeischaffung des erforderlichen Roh-
materials wurden zwei von uns abkomman-
diert, indem daß meine Wenigkeit Kartoffeln
buddeln und ein anderer das oben besagte
Huhn einfangen sollte. Währenddem stellte
Meyer eigenhändig einen Salat her, zu dem
er grüne Blätter von eine mir .unbewußte
botanische Sorte verwendete, die er an einem
Wegrande gesammelt hatte. Essig war nicht
da, aber der Einjährige, der sich bei unser
Kommando befand, hatte in seinem Affen
eine halbe Pulle Moselwein, den ihm ein
guter Freund als Liebesgabe geschickt hatte
und den der Küchenchef als sehr geeignet für
Salatzwecke erachtete. Eine Stunde später
setzten wir uns an die von Meyer kunstgerecht
gedeckte Tafel, auf die sich auch eine Menu-
karte befand, die bei noble Diners niemals
nicht fehlen darf und folgenden Inhalt hatte:

Erster Gang: Kartoffelsuppe.

Zweiter Gang: Pellkartoffeln ohne Matjes-
heringe.

Dritter Gang: Junges Huhn mit Salat
aus feinen Kräutern. (NB. Das Huhn mußte
leider ausfallen, weil es dem damit betrauten
Stiesel weggelaufeu und nicht wiedergekom-
men war.)

Vierter Gang: Kommißbrot.

Getränk: Pumpenheimer, Jahrgang 1916.

Zum Schluß sollteix noch sehr gute Havanna-
zigarren herumgereicht werde», es stellte sich
aber bei nähere Untersuchung leider heraus,
daß in unserm Kreise nicht einmal ein Stück
Priem mehr vorhanden war. Daher begnügten
sich die Herren Kameraden, ein Glas von ihr

HtetorlSGltB Konoluiw zu Berlin „
lnv.-Nr,;

Willibald Ural,,.

Die ganze Erde brauste im klkkord,

Den unsichtbare Rrme aufgeweckt,

3n jener Nacht an Gottes dunkle Tür:

„Gib Frieden uns, gib Frieden uns, o lferr!
Gib Frieden, Frieden! hemme nun das Blut!"
Die Sterne schwankten. Glühend war die Luft
von solcher Wellen Ntemglut erhitzt.

Die Stunde schwand, das Glockenwunder blieb.

Und endlich starb es. Zäh zersprang der Schall.
Still hing der Klöppel, unbewegt der Strang.
Die Welt war leer, als sei sie hohl und tot,
Unendlich still, zerschlagen und betäubt
von so viel Ängsten und dem heiligen Lärm.

Da hob der Vorhang sich am Erdenrand
Und gab ein überirdisch Frührot bloß,

Wie niemals noch ein Morgen auf uns kam.
Bald aber klaffte dort der himmelsspalt
Wie eine Riesenwunde, rot wie Blut,

Und aus ihr quoll der Sonne neue Glut....

Tischgetränk auf das Wohl der jammernden
Berliner zu leeren, die noch immer nicht die
gewünschte» Fleisch-, Butter- und Brotrationen
erhalten können und dabei nicht einmal einen
Küchenchef von Unter die Linden bei sich haben.
Zur Linderung ihres Grams wünschten wir
ihnen allen von Herzen, daß es ihnen ver-
gönnt sein möchte, recht bald in die Front
abzngehen und an unser Wohlleben teilzu-
nehinen.

Diesen Glückwunsch spreche ich auch ganz
besonders Dir gegenüber aus, als Dein ge-
treuer Freund

August Sage jun., Garde-Grenadier.

Nachschrift. Wenn Du vielleicht das Be-
dürfnis fühlen solltest, Dich für unsere freund-
liche Teilnahme an Dein Futtermauko dankbar
zu beweise», so brauche ich Dir ivohl bloß
stillschweigend auf den obenstehenden Tobak-
dalles hinzudeuten. Kisten zu Hundert konunen
am wohlbehaltensten an.

&<3S

Volksvermehrung.

Zur Förderung der Volksvermehrung ist unlängst eine um-
fassende Organisation entstanden, an der die Gesellschaft für
Nassenhpgiene, der vund zur Erhaltung und Mehrung der
volkslrraft, die Gesellschaft für Vevölkerungspolitik, der
Zentralausschutz für innere Mission, öiq Vereinigung für
Familienwohl, der deutsch-evangelische Zittlichkeitsverein

und andere mehr beteiligt sind.

Sie bilden Vereine, und auf Kongressen
Soll Volksvermehrung und Kraft gedeihn —
Du lieber Gott, ja, nach nicinem Ermessen
Erscheint mir die Lösung nicht schwer zu sein.

Oie Kinder kommen, wie deutsche Eichen,
klm meisten, wenn man entbehren sie kann.
Oie Sorgen sich häufen, die Kosten steigen,

Vie Mutter hat Kummer, schwer kämpft der Mann.

Mit Lehren, Broschüren und allem Oaneben,
.Mit Theorien stellt ihr euch ein. — —

Gebt nur den Eltern dar Geld zum Leben,
Vas andere find't sich von ganz allein.
 
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