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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 33.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.6705#0213
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9086

Scbier sinkt der Menschheit Nachen
ln blntberauscbter Gegenwart.

Dun wird in neuen Sprachen
Bespien des Deutschen Sinn und Art:
Air sind Barbaren, hassenswert —
Zertrümmert sei der deutsche Berd!
Zur Zukunft lasst uns lenken
Die Blicke nun zur Trist:

Das Berz lässt sich nicht kränken,
Das rechter Meinung ist.

Reue Kämpfe.

Gin jeder Cag macht krasser
Und mildert nicht den Übermut:

Cs ward der Chor der Hasser
Uermehrt um zwei voll Glut und Aut.
Dun sind vom Teind wir rings umstellt,
Sein Cügenschrei ins Ohr uns gellt.
Air wollten ihnen schenken
Den Menschheitstraum, ihr wisst!
Das Herz lässt sich nicht kränken
Das rechter Meinung ist.

„Das Ijerz lässt sich nit kränken,
Das rechter Meinung ist — —“

Ulrich von Butten.

einst wird der Arbeit gelten,

Dicht mehr dem Krieg, der essen Qualm
Dann tönt ob allen Aelten
erneut der Menschheit Sriedenspsalm.
Drum haltet über Bass und Qual
Hoch unsrer Zukunft Ideal,

Hoch über allen Ränken,

Hoch über trug und List!

Das Berz lässt sich nicht kränken,
Das rechter Meinung ist.

Der Rubel rollt.

Die Meute der Hetzer rast und tollt:

Der Rubel rollt!

Hell blinkt der politischen Sklaven Sold:

Der Rubel rollt!

So rollt er schon von Alters her.

Manch Blutbad schaffend, manch Tränenmeer.

Gemeinsam mit Englands glänzendem Gold
Der Rubel rollt!

Fort, wer ihm nicht Verehrung zollt —

Der Rubel rollt!

Sein Klingen ein Grablied des Völkerrechts,
SeinMirkeneinHohndesMenschengeschlechts.

And ob das Volk nicht Krieg gewollt —

Der Rubel rollt!

Und ist es auch dem Frieden hold —

Der Rubel rollt,

Begrabend ringsum der Völker Glück,
Furchtbar erfüllend der Länder Geschick.

Feldpostbriefe.

uv.

Geliebte Eltern! Ihr wundert Euch, das;
trotz unserer Heldenhaftigkeit der Krieg noch
immer nicht aus ist und daß wir die russische
Armee, die doch nach die Berichte mancher
Zeitungen bloß aus Lausejungen und faulen
Koppen bestehen soll, nicht schon längst bis
hinter Sibirien vertrieben haben. Diese weit
verbreitete Ansicht beruht leider auf eine be-
klagenswerte Unreise des zivilistischen Begriffs-
vermögens. Wer, wie ich, selber mit bei rst,
der weiß besser, wie der Hase läuft, und der
weiß auch, daß die Reihe, den Hasen zu spielen,
nicht immer bloß die gegnerische Seite trifft.
Unsere Truppen sind so tapfer, wie es üher-
haupt in dem Bereich der Menschenmöglich-
keit liegen tut, aber auch die Russen könne»
mehr wie Läuse knacken. Und wenn sich unter
die östlichsten Heerscharen auch zahlreiche Reh-
berger befinden, die jede menschliche Gemein-
schaft verleugnen, so gibt es doch auch russische
Truppen, die sich gewaschen haben, sowohl
körperlich wie dienstlich. Daß wir die Russen
in die militärische Ausbildung über sind, wird
keiner nicht leugnen wollen. Aber es gibt auch
Augenblicke ins dienstliche Leben, wo die Wis-
senschaften aus die Jnstruktiynsstunden und

alle aufs Tempelhofer Feld erworbene Ele-
ganzen in die Binsen gehen. So zum Beispiel
letzten Mittwoch, als unsere Kompagnie auf
Erkundungspatrouille ausrückte und an einen
Fluß gelangte, durch dem wir durch mußten.
In diese Hinsicht konnte uns schon in Frie-
denszeiten keiner was vormachen, indem wir
dem Flußübergang durch die Spree bei Nieder-
schöneweide jeden Sommer zweimal geübt
haben, und es klappte immer großartig. Auch
bei das russische Gewässer traten wir vor-
schriftsmäßig an und gaben uns zu je drei
Mann die Vorderflossen, damit, wenn einer
von die Strömung oder von einen Jklei ent-
rissen werden sollte, ihm die anderen beiden
festhalten tonnten. Das ist nämlich dienstliche
Vorschrift. Ich hatte meinen Freund Fritze
Lehmann aus die Ackerstraße angefaßt, der
trotz seiner Verfressenheit mein liebster und
treuester Kamerad ist und mit dem ich jede
Nacht unseren gemeinsamen Strohsack teile,
wenn wir einen haben. So latschten wir durch
das feuchte Element und kamen trotz die starke
Strömung alle gesund vollzählig am andern
Ufer an. Der Hauptmann belobte uns wegen
die tadellose Ordnung und musterhafte Ruhe,
mit die wir das schwierige Manöver aus-
geführt hatten, und schloß seine Rede mit die
Worte: „Ihr konntet hier wieder einmal deut-
lich erkennen, wie iveise die Vorschriften des
Felddienstreglements sind: hättet ihr sie nicht
befolgt, so wäre die Hälfte von euch elend
ersoffen!"

Leider aber belohnte das Schicksal unsere
soldatische Tugend nicht. Schon eine halbe
Stunde nach dem glorreichen Flußübergang
sahen wir uns einer so starken russischen Über-
macht gegenüber, daß wir einen beschleunigten
Rückzug antreten mußten. Geliebte Eltern, ich
muß Euch ganz offen gestehen, daß es im
Kriege nicht immer heldenhaft zugehen tut,
sondern es kommen manchmal auch entgegen-
gesetzte Momente. Ich hätte nicht geglaubt,
daß ein Mensch so schnell laufen kann. In
höchstens zehn Minuten waren wir wieder' an
das bekannte Flußufer zurückgelangt, aber kein
geordnetes Antreten fand statt und kein Fritze
Lehmann und kein nichts war da, dem man
die vorschriftsmäßigen Vorderflossen reichen
konnte, sondern jeder schmiß sich ohne mili-
tärische Zeremonie in das reißende Wasser

Historisch« Ktnnalssloft 20 Benin

Inv.-Nr.:^ Jß/foy.

und paddelte durch, so gut es ging. Wie ich
in unser Quartier gekommen bin, weiß ich
nicht, jedenfalls war mir die Puste oben und
unten weg und ich stürzte mir halb entseelt
auf meinen Strohsack, wo ich zu meinen freu-
digen Erstaunen bereits Fritze Lehmann vor-
fand! Aber die Wollust des unverhofften Wie-
dersehens ließ mit einem plötzlichen Ruck nach,
als ich aus sein verschämtes Geständnis die
näheren Umstände erfuhr. Das Aas hatte mit
seine lange Beine noch besser laufen gekonnt
wie ich, war schon seit zehn Minuten retour
und hatte bereits nicht bloß sein, sondern auch
mein ganzesKomißbrot aufgefressen! DieserFall
von unkameradschaftliches Verfahren lähmte
meinen Frohsinn über unsere wunderbare Er-
rettung, der noch mehr getrübt wurde, als
unser Hauptmann die Kompagnie antreten
ließ und ihr wegen den ungeordneten Rück-
marsch eine sehr energische Standpauke hielt.
Geliebte Eltern, unser Hauptmann gebraucht
in solchen Fällen derartige Worte, daß auch
dein abgehärtetsten Krieger die Lebenssäfte er-
starren, und ein feindlichesLrommelfeuer klingt
dagegen wie ein Liebeslied. Außer diese dienst-
liche Anrede war ein weiteres Unglück aber
nicht geschehen, denn den Zweck unserer Pa-
trouille hatten wir erreicht, und von die ganze
Kompagnie fehlte auch nicht ein einziger Mann.
Woraus man entnehmen konnte, daß sich in
gewissen kriegerischen Notfällen selbst die rei-
ßendsten Flußübergänge manchmal auch ohne
genaue Einhaltung des Felddienstreglements
glücklich bewerkstelligen lassen.

In diese dienstliche Erkenntnis grüße ich
Euch herzlich als Euer dankbarer Sohn

August Säge jun., Garde-Grenadier.

Nachschrift. Durch die obige Gemeinheit
meines Kameraden Fritze Lehmann bin ich in
meine notwendigste Nahrungsaufnahme be-
hindert worden. Ich ivürde mir daher sehr
freuen, wenn Ihr das mir widerfahrene Un-
recht durch ein recht baldiges Paket wieder
ausgleichen möchtet.

Piefke: Ick wünschte, ick wäre wie mein
Hut.

Lehmann: Woso denn?

Piefke: Der hat ooch keen Futter mehr und
wird doch immer fetter!
 
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