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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 33.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.6705#0235
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—. 9108

Roter herbst.

Uom Acker schwand die letzte Garbe,
Das reife, sonnengoldne Brot,
nun streut der Rerbst die neue Tarbe
Uerscbweuderiscb umber: das Rot.

Der wilde (Dein iu diesen Lagen
Ist wie von tiefer Glut belaubt,

Und wo des (Daldes (Gipfel ragen,
Stebt leuchtend jedes Bucbenbanpt.

Die Beide glüht, ein Meer von Trinken,
Im ((linde wellt die Purpurflut,

(lud Milliarden Blüten prunken
Und singen wie lebendiges Blut.

£$ brennt der Berbst auf Cal und Bügel;
Die letzten Rosen flammen aus;

Und todeswilde Teuerflügel
Umloben Bütte, Burg und Baus.

Qualmwolken röten rings die €rde;
Raketen zischen in die Dacht.

€$ gebt mit herrischer Geberde
Der Berbst, der Berbst durch all die Pracht.

Und düngt das Land mit reichen Spenden
(Oie es so kostbar nie gedüngt,

Und sät und sät mit vollen Bänden,
(Gas rot aus frischen Adern springt.

Rot sinkt das Laub auf Grab und Anger, Und aus dein Abend, nebelschwanger,

Rauh heult des Berbstes Sturmgespann, Glotzt uns ein rotes Auge an. ernst Preczang.

Nach der Neichskonferenz.

Zwar gingen Hoch des Kampfes Woge»,
Doch schließlich blieb das Wort bestehn:

„Es zeigt sich uns, trotz mancher Irrung,
Kein Grund zum Ausciuandergehn."
Bedentt's und grabt's in eure Lerzen,
Genossen ihr in Ost und West!

Dies Wort soll euer Leitstern werden.

An diesem Worte haltet fest!

Sich schärfster Waffen zu bedienen
Nicht nur im blutigen Gefecht,

Nein, auch im Streit mit guten Freunden,
Gilt als des deutschen Brauch und Recht;
Ihr kennt den allen Kampfgenossen,

Der heut als Gegner euch erscheint:

Mag er im Zorn auch überschäume».

Es ist nicht halb so schlimm gemeint!

And trennen manchmal sich die Wege,

Dem Ziele bleibt ihr alle treu:

Der drüben will, ganz wie du selber.

Doch nur das Beste der Partei.

Blickt auf das Ziel und zimmert Brücke»!
Schließt eure Reih'n und gebet Acht,

Daß nicht, dieweil ihr euch zerfleischet.

Zum Schluß der schnöde Dritte lacht!

Schnral sind die Risse, die euch trennen.
Doch tausendfältig ist das Band,

Das uns umschließt! Drum zimmert Brücken
And reicht und nehmt die Bruderhand!

Ihr seid der Menschheit Dort und Löschung!
Drum blickt aufs Ziel und schließt die Reih'n!
Des Alltags Lader sei vergessen,

„Seid einig!" soll die Losung sein! Balduin

Feldpostbriefe.

LVI.

Lieber Maxe! Die Nachricht, daß ich jetzt
Schulter an Schulter mit die Türken kämpfe,
hat Dir, wie Dll schreibst, mit Graulen erfüllt.
Ich bedaure Dir herzlichst wegen diesen qual-
vollen Seeleuzustand und bitte Dir, Dich zu
trösten, denn Du befindest Dir in bezug auf
die Muselmänner in eine optische Täuschung.
Die Türken sind nämlich ganz anders, als wie
Du sie Dir in Dein dauernd dienstuntaugliches
Gehirn vorstellen tust. Zunächst einmal als

Soldaten. Du meinst, daß Leute, die den gan-
zen Tag mit untergeschlagene Beine auf einen
Teppich sitzen und aus eine Wasserpfeife rau-
chen, für jeden Parademarsch ganz ungeeignet
sind. Daß. man mit untergeschlagene Beine
keinen strammen Parademarsch nicht leisten
'kann, ist. richtig. Aber wer sagt Dir denn,
daß ivir hier an die südliche Ostfront über-
haupt Parademarsch machen? Der Parade-
marsch, lieber Maxe, ist für das Tempelhofer
Feld, aber nicht für das Feld der Ehre! Und
wenn Du die Türken einmal gesehen'hättest,
wie sie zum Sturm vorwärts marsch marsch
loslegen, dann würdest Du z>l die unmaßgeb-
liche Überzeugung gelangen, daß diese Leute
mehr können als wie aus eine Wasserpfeife
rauchen. Außerdem rauchen sie hier gar nicht
aus die Wasserpfeife, sondern genau so wie
ivir, bloß daß ihr Liebestabak etivas besser
riecht wie unserer, weil die Uckermark näher an
Berlin als ivie an Konstantinopel gelegen ist.

Was Deine weitere Bemerkung anbelangt,
daß sich auf einem türkischen Fez zwar eine
Troddel, aber keine richtige Helmspitze nicht
befestigen läßt, so gehe ich über diese Däm-
lichkeit mit freundschaftliches Stillschweigen
hinweg und bitte Dir bloß, zu bedenken, daß
es noch immer besser ist, einer hat eine Troddel
an die Kohlrübe, als er hat einen Nagel in
dieselbe — womit ich mir natürlich bloß bildlich
ausgedrückt haben möchte. Schließlich fragst
Du mir noch, wie viele Frauen jeder Türke
durchschnittlich in seinen Harem hat und ob
sie zu Hause beim Butterstehen alle zusammen
anlreten müssen oder ob eine für die ganze
Familie einholen geht. Darüber kann ich Dir
leider nicht instruieren, iveil ich in die Harems-
verhältnisse nicht genügend cingedrungen bi».
Wenn Du Dir aber so lebhaft dafür inter-
essierst, so möchte ich Dir den Rat geben, Dir
nach Friedensschluß in einem türkischen Harem
anstellen zu lassen. Männer wie ich haben dort
zivar im allgemeinen keinen Zutritt, aber solche
von Deine Konstitution sollen, rvie ich gehört
habe, als Aufseher sehr gut bezahlt werden.
Und damit bitte ich Dir, mir in Zukunft mit
Deine türkischen Betrachtungen in Ruhe zu
lassen und bloß von Sachen zu quasseln, von
die Dw was verstehst, wenn es auch nicht
viel ist!

HJsfortsc/li KammitiiHM

Auch in betreffs Deine Besorgnisse von
wegen die Rumänen kann ich Dir vollständig
beruhigen. Wir haben schon mehrfach das
dienstliche Vergnügen mit die Herrschaften
gehabt, aber diese „halbe Million kampfes-
frischer Truppen" sieht sich auf das Zeitungs-
papier viel bedrohlicher aus als wie in die
natürliche Wirklichkeit. Kaum waren sie in
Siebenbürgeil eingerückt, da kriegten sie von
uns auch schon einen Stoß vor die Dobrudscha,
daß sie hundert Kilometer hinter ihre angebo-
rene Front zurückkugelte». Ich schmeichle mir
mit die unberufene Hoffnung, daß ivir von
diese Seite keine besonderen Belästigungen
nicht zu befürchten haben werden, und es kann
sogar vielleicht sein, daß ivir uns auf diesen
Weg sachte in den Frieden hineinschlängeln,
der bei die europäische Diplomatie heute schon
ganz in Vergessenheit geraten zu sein scheint.
Ich meine nämlich, iveil die Engländer mit
die Rumänen glücklich ihr letztes Trumpfas
ausgespielt haben. Die Entente hofft zwar,
daß uns die Nahrung, die Menschen und die
Munition ausgehen iverden; ich aber frage:
was sängt die Entente an, >ven» ihr die
Neutralen ausgehen? Und auf diesen Punkt,
glaube ich, sind wir jetzt angekommen. Un-
berufen!

Hiermit hoffe ich, Dir von Dein vielseitiges
Graulen kuriert zu haben, und grüße Dir hcrz-
lichst als Dein Freund

August Säge jun., Garde-Grenadier.

Nachschrift. Der türkische Katechismus
verbietet seine Anhänger dem Alkoholgenuß.
Sie sind aber gegen Andersgläubige sehr duld-
sam und haben nichts dagegen, ivenn in ihre
Umgebung Mampe Halb und Halb genossen
wird. Ich erwarte von Dein freundschaftliches
Zartgefühl, daß ich mir verständlich genug
ausgcquetscht habe.

Eine neue Zeitschrift.

In den Kreisen des deutschen Lnndwirt-
schnftsrats wird die Herausgabe einer Monats-
schrift zur Kritik der Ernährungspolitik ge-
plant. Mit Anspielung auf das wechselnde
Gesicht unserer Kriegswirtschaft ist als Name
iu Aussicht genommen:

„Die Janus-Schau".
 
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