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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 33.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.6705#0245
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9118

horch, es rauscht im Blätterwald
Offen teils und teils verstohlen:

Teufel, willst du denn nicht bald
Den-du weißt schon!-endlich holen?

Unsre Unzufriedenheit
hat der Mann sich längst errungen,
wer dies tut, wird umgedrungen!
war's nicht fo in fruh'rer Zeit?

)a, was hilft's? So mancher koch
Braut doch weiter an den Giften,
Und es häuft sich bergehoch
Eine Flut erboster Schriften.
Gärend zischt und braust und wallt
vieles Meer der Üblen Düfte;

Und es schwirren durch die Lütte
Pfeile aus dem Hinterhalt.

Dieser aber lächelt still:

Damit hat es gute weile,
euer wütendstes Pasquill
Treibt mich keineswegs zur Eile.
Tretet ihr auch das Pedal
Eurer schroffsten Orgelpfeifen —
Mählich müßt ihr's doch begreifen:
was gewesen, war einmal!

was gewesen, war einmal...!

Laßt uns dieses recht bedenken:
welchen Seelen macht es Oual?
welche Geister kann es kränken?

Die vor ungeheurer Tat
Sich in ehrfurcht nicht verneigen
Und die kleinen Fngste zeigen,
weil die Götterdämm'rung naht. pan.

Oie Fronde.

FUfo war es: sittlich - ländlich -
Und bedurfte keines Grundes;

Cs genügte selbstverständlich
ein entrüstungshauch des Mundes.
Und wer in den Gräten hing
Allzu schlapp kür unfern Modus,
Der entfch.otz sich zum exodus
Nahm fein Köfferchen und ging.

Kdolf hofrichler.

Hbolf Hofrichter, der an feinem 59. Geburtstage einem
Lungenleiden erlegen ist, wurde am 14. Oktober 1857 in
Danzig geboren. Nach dem Besuch der Volksschule erlernte
er das 5ch!osserhandwcrk und arbeitete als Schlossergeselle
in der Rh inprovinz, bis er 1892 erst in die geschäftliche
Leitung und 1894 in die Redaktion der „Rheinischen Zei-
tung" in Köln eintrat. 1901 wurde er dort Llrbeitersekrelür
und 1905 Parteisekretär für die obere Rheinprovinz. Im
Jahre 1912 gelang es ihm, im Wahlkreise Röln-Stadt das
vom Zentrum innegchabte Reichslagsmandat zu erringen.
Die Parteigenossen werden sein Andenken in Ehren halten.

Feldpostbriefe.

LVII.

Geliebte Eltern! Jetzt sind wir noch weiter
nach Süden heruntergerutscht, und ich befinde
mir bereits in Griechenland. Als ich hörte,
daß die Tour hierher ginge, überkani mir
anfangs ein Gruseln, denn ich hatte noch von
die Schulzeit her vor dieses Land einen starken
Bammel. Ich erinnerte mir an die zahlreichen
Scheußlichkeiten aus die Mythologie. Da ivurde
von einen Onkel berichtet, der seine kleinen
Neffen schlachtete und sie dann ihren leibhaf-
tigen Vater zum Frühstück vorsetzte, wo dieser
seine Geschmacksverirrung erst geivahr wurde,
als er in die Sauce ein Haar von den Jüngsten

vorfand. Am meisten aber hatte ich mir immer
vor Prokrustes'n seine orthopädische Anstalt
gegrault, wo kleine Naukes in große Betten
so lange gereckt wurden, bis ihnen sämtliche
Gelenke aus den Leim gingen, während langen
Lulatschen in kurzen Betten die Beine abge-
hackt wurden. Uber diesen gemeinen Betrieb
habe ich mir schon in mein zarlestes Lebens-
alter geärgert.

Ich habe daher mit einige abgeneigte Vor-
urteile die griechische Grenze überschritte».
Ui» so angenehmer war ich berührt, als wir
weit und breit nichts von die gemutmaßleu
Niederträchtigkeiten wahrnehmen konnten. Die-
ses Land hat sich sehr vorteilhast aus seinen
mythologischen Zustand entwickelt, und das
einzige, was noch an das verflossene Helden-
zeitalter erinnert, sind die Augiasställe, wo wir
zuweilen Quartier zu nehmen genötigt sind.
Auch dürfl Ihr nicht glauben, geliebte Ellern,
daß die Grieche» noch immer, wie man es
ins Museum auf dem Luslgarlen beobachten
kann, nackend heruinlanseu. Sie sind vielmehr
ganz ordentlich angezogen, und statt die dor-
tigen Feigenblätter tragen sie richtige anstän-
dige Hose», die ihnen man bloß ein bißchen
zu iveit nach unten hängen, so daß der Hosen-
boden fast in die Kniekehlen zu sitzen komint.

Schlimm ist es nur mit die hiesigen Nah-
rungsmittel bestellt, wenigstens für uns ver-
wöhnte Berliner, wovon namentlich Fritze
Lehmann aus die Ackerstraße ein Lied singen
kann, der der Verfressenste von's ganze Ba-
taillon ist. Südfrüchte, Wein und Hammel ist
das einzige, was in dieses Land zu wachsen
scheint. Aber die Apfelsinen sind noch nicht
reif, und die Hammel muß wohl die Entente
verboten haben. Außerdem sind auch noch
Feigen da, aber leider nicht getrocknete Kranz-
feigen, wie sie der zivilisierte Kulturmensch
beim Grünkramsritze zu kaufen pflegt, sondern
sogenannte frische. Geliebte Eltern, es wurden
zwei volle Stalleimer davon an unsere Kor-

poralschaft verteilt, aber einmal hineinbeißen
und den mießen Zavder im Bogen von sich
spucken, war das momentane Werk eines
Augenblicks. Bloß Fritze Lehmann faßte dem
ganzen Vorrat und fraß sie alle. Dem natur-
getreuen Erlolg zu schildern, verbietet mir
meine wohlerzogene Schamhastigkeit. Ich be-
schränke mir daher auf die zarte Andeutung,
daß Fritze vierunvzwanzig Stunden lang egal
gegerbt hat, und zwar von beide Seiten, so
daß er sich nicht bloß dem Magen ausgekrem-
pelt, sondern auch einen Wolf zugezogen hat.
Jetzt geht es ihm aber schon besser, und er
hat das heutige Liebespaket, was ihn seine
Eltern geschickt halten, bereits bis auf den
letzten Fischwurstzipfel erlevigt.

In welche entsprechende Erwartung auch
ich Euch ebenfalls herzlichst grüße als Euer
dankbarer Sohn

August Säge jun.. Garde-Grenadier.

Nachschrift. Läuse gibt es hier keine, son-
dern bloß Skorpione. Ich bitte deshalb, mir
kein Insektenpulver mehr zu schicken, sondern
den dadurch gewonnene» Frachtraum mitctwas
Genießbares gütigst auszufüllen.

Schicksal.

Millionen Menschenherzen
Sind nur darauf bedacht.

Daß bald dem großen Kriege
Ein Ende wird gemacht.

In Seufzern und in Tränen —

O welch ein Trauerchor! —

Quillt überall das Sehnen
Der Menschheit heiß hervor!

Ein ehern Schicksal schreitet
Dahin wie ein Weltgericht
Und seine Bahnen lenken
Seufzer und Tränen nicht. 21-'S.

,-Nr.:

Inv.-
 
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