9139
Der 2ar und der Denker.
„Da wir Polen verloren haben, Väterchen, kann ich wohl den Galgen
in die Rumpelkammer tragen?"
„Nein, Iwan, ich werde schon dafür sorgen, daß er von den eigenen
Landcskindern fleißig benutzt wird."
DobeWäne. IT
Alles wundert sich nicht wenig,
Polen kriegt nun auch'n König,
Wird von Rußland abgetrennt,
Himmelherrgottsakrament!
Irland und die Marokkaner
Und verschiedne Insulaner
Meinen: „Was den Polen recht,
Das bekommt uns auch nicht schlecht."
Drob ein Heulen der Entente,
Deren Ziel doch die bekannte
„Freiheit aller Völker" sei, —
Und nun dieses Kuckucksei!
Eine heidnische Hand vermag keine Wunden zu heilen, deshalb können
Ärzte, sofern sie Dissidenten sind, auch nicht Offiziere werden.
Für Freiheit hat ihr Herz geglüht Jetzt, wo cs um das Höchste geht
Und Menschentum und Glück, In großer Zeiten Lauf,
Doch hinter Eisenstüben nun Schließ' eine kluge, milde Hand
Erfüllt sich ihr Geschick. Die Kerkertüren auf.
Ich habe Zensurfreiheit und kann schreiben, was ich will, — aber
drucken lassen darf ich es nicht.
Poincare und Mister Grey
Stritten jüngst sich um Calais,
Poincars schrie Ach und Weh, —
Calais bleibt englisch! sagte Grey.
Hast du deine Winterkartoffeln schon jekriegt? Nee? Ick ooch nicht,
aber versprochen hat se mir mein Oberbirjermeester.
Ihr getreuer Säge, Schreiner und Landstürmer.
*
Ernährungsfragen.
Vor einem Jahr noch hatte ich
Die peinlichsten Beschwerden'
Und fragte täglich kummervoll:
„Wovon soll satt ich werden?"
Denn schmachvoll wurden dazumal
Durch finstere Gewalten
Die Lebensmittel jeder Art
Vom Markt zurückgehalten.
Da griff denn ein die Obrigkeit,
Wie immer klug und weise.
Und brachte durch Beschlagnahmung
Das Ding ins rechte Gleise.
Doch, ach, das Faustrecht herrschte noch,
And gleich den gierigen Raben
Gönnt' keiner einem andern was.
Wollt'-jeder alles haben!
Von früh an stand der Hamster Schar
In meilenlanger Chaine
Vor jedem Milch- und Wurstgeschäft
Sich in den Bauch die Beene.
Jedoch auch hier ward Rat geschafft:
Vermittels strenger Karten
Kriegt jedermann, was ihm gebührt.
Und ohne langes Warten.
Run bin ich wirklich fein heraus.
Daran ist nicht zu tippen:
Ich habe ein verbrieftes Recht
Auf Butter, Fleisch und Schrippen.
And reich beschickt ist jeder Markt,
Ich brauch' nicht weit zu laufen — — —
Wenn ich jetzt bloß noch Pinke hätt',
Könnt' ich mir etwas kaufen! Sulla.
Oldenburg.
O Oldenburg, o Oldenburg, wie reich bist du au Butter!
EiuhundertZwanzig Gramm pro Kopf
Gibt's wöchentlich in jeden ^opf -
O Oldenburg, o Oldenburg, wie reich bist du an Butter!
O Oldenburg, o Oldenburg, du Land des Überflusses!
Oer Säugling selbst in seinem Bett
Schwimmt bis zum hals im Schweinefett -
G Oldenburg, o Oldenburg, du Land des Überflusses!
Trotz alledem, trotz alledem verschließst du deine Grenzen:
verlangend blickt das Vaterland
Tluf deinen Vieh- und Schweinestand -
Trotz alledem, trotz alledem verschließst du deine Grenzen!
den Hamster nahmst, den Hamster nahmst du leider dir zum
Zullst deinen Bau bis oben an Muster:
Ünd lässest keinen andern 'ran -
Oen Hamster nahmst, den Hamster nahmst du leider dir zum
Muster!
G Oldenburg, o Oldenburg, wie mies ist dein Verfahren!
Wer selber sich die plauze mäst't
Ünd seinen Nächsten darben läßt -
O Oldenburg, o Oldenburg, - den nenn' ich einen Nuppsack!
Balduin.
Lieber Jacob!
Unter uns jcsagt, finde ick, bet der Krieg
uff de Dauer dem Charakter verdirbt, nota-
bene, wann eener eenen hat. Bald jönnt eener
den andern nischt mehr, un de Neutralen
unter sich sind ooch nich einig, se schielen mit
beide Oogen immer nach'» Rebbach. Det de
feindlichen Razjoncu sich nich nett zu uns be-
nehmen, will ick se nich verdenken, denn dazu
sind se schließlich da. Aber wie sich de Nei-
tralen manchmal ussiehren, det is nich mehr
scheen! Du erinnerst Dir vielleicht noch, wie
wir dunnemals in Holland 'n Posten Kakao
bestellt jehabt halten un anstatt diesen 'ne
Waggonladung Äppel jeschickt bekanien, un
zwar nich aus 'n Jarten, sondern aus'» Ferde-
stall. Dieses vierbeenije Fallobst hatte ville
beeses Blut jemacht, aber schließlich konnte
wenigstens de holländesche Rejierung nischt
dafor, weil et 'n privates Jeschäft zwischen
zwee Firmen jewesen war. Aber jetz las ick
neilich, det Dänemark de Ausfuhr von Kuh-
häuten un Kuhschwänzen verboten hat, un da
reißt mir denn doch de Jeduld! Ick hatte mir
noch voriglen Sonntagabend so herzlich jefreit,
wie ick in unsre Stammdestille meine janze
wöchentliche Fleeschkarte in Jestalt von een
richtig sehendes Biefstick druffjehen ließ. Keenen
Oogenblick zweifelte ick daran, det det Biefstick
aus '» Stick dänische Kuhhaut herjestellt wo»
den war, un ick segnete schon det nahrhafte
Vaterland des Prinzen Hamlet. Det is nu
der Dank dafor! Aber nich bloß de Kuhhäute,
sondern ooch ihre Kuhschwänze zieht uns de
dänische Rejierung unter de Reese weg. Wo
der inländische Kuhschwoof schon seit Kriegs-'
beginn pollezeilich untersagt is, soll uns jetz
ooch noch der ausländsche vorenthalten wer-
den! Nich bloß det Nahrhaftste, sondern ooch
det Unterhaltende wollen se uns nich mehr
jönnen. Un da de „Deutsche Tageszeitung"
bis jetz noch keen vierundzwanzigstindliches
Ultimatum oder 'n sonstijes U-Boot jejen
Dänemark nich vorjeschlagen hat, so tue ick
det hiermit! Demi allens hat seine natierlichen
Jrenzen, un det mit de Kuhhäute seht uff keene
Kuhhaut nich mehr!
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,
an 'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
Redakttonsschluß iS. Novembber 1916.
Der 2ar und der Denker.
„Da wir Polen verloren haben, Väterchen, kann ich wohl den Galgen
in die Rumpelkammer tragen?"
„Nein, Iwan, ich werde schon dafür sorgen, daß er von den eigenen
Landcskindern fleißig benutzt wird."
DobeWäne. IT
Alles wundert sich nicht wenig,
Polen kriegt nun auch'n König,
Wird von Rußland abgetrennt,
Himmelherrgottsakrament!
Irland und die Marokkaner
Und verschiedne Insulaner
Meinen: „Was den Polen recht,
Das bekommt uns auch nicht schlecht."
Drob ein Heulen der Entente,
Deren Ziel doch die bekannte
„Freiheit aller Völker" sei, —
Und nun dieses Kuckucksei!
Eine heidnische Hand vermag keine Wunden zu heilen, deshalb können
Ärzte, sofern sie Dissidenten sind, auch nicht Offiziere werden.
Für Freiheit hat ihr Herz geglüht Jetzt, wo cs um das Höchste geht
Und Menschentum und Glück, In großer Zeiten Lauf,
Doch hinter Eisenstüben nun Schließ' eine kluge, milde Hand
Erfüllt sich ihr Geschick. Die Kerkertüren auf.
Ich habe Zensurfreiheit und kann schreiben, was ich will, — aber
drucken lassen darf ich es nicht.
Poincare und Mister Grey
Stritten jüngst sich um Calais,
Poincars schrie Ach und Weh, —
Calais bleibt englisch! sagte Grey.
Hast du deine Winterkartoffeln schon jekriegt? Nee? Ick ooch nicht,
aber versprochen hat se mir mein Oberbirjermeester.
Ihr getreuer Säge, Schreiner und Landstürmer.
*
Ernährungsfragen.
Vor einem Jahr noch hatte ich
Die peinlichsten Beschwerden'
Und fragte täglich kummervoll:
„Wovon soll satt ich werden?"
Denn schmachvoll wurden dazumal
Durch finstere Gewalten
Die Lebensmittel jeder Art
Vom Markt zurückgehalten.
Da griff denn ein die Obrigkeit,
Wie immer klug und weise.
Und brachte durch Beschlagnahmung
Das Ding ins rechte Gleise.
Doch, ach, das Faustrecht herrschte noch,
And gleich den gierigen Raben
Gönnt' keiner einem andern was.
Wollt'-jeder alles haben!
Von früh an stand der Hamster Schar
In meilenlanger Chaine
Vor jedem Milch- und Wurstgeschäft
Sich in den Bauch die Beene.
Jedoch auch hier ward Rat geschafft:
Vermittels strenger Karten
Kriegt jedermann, was ihm gebührt.
Und ohne langes Warten.
Run bin ich wirklich fein heraus.
Daran ist nicht zu tippen:
Ich habe ein verbrieftes Recht
Auf Butter, Fleisch und Schrippen.
And reich beschickt ist jeder Markt,
Ich brauch' nicht weit zu laufen — — —
Wenn ich jetzt bloß noch Pinke hätt',
Könnt' ich mir etwas kaufen! Sulla.
Oldenburg.
O Oldenburg, o Oldenburg, wie reich bist du au Butter!
EiuhundertZwanzig Gramm pro Kopf
Gibt's wöchentlich in jeden ^opf -
O Oldenburg, o Oldenburg, wie reich bist du an Butter!
O Oldenburg, o Oldenburg, du Land des Überflusses!
Oer Säugling selbst in seinem Bett
Schwimmt bis zum hals im Schweinefett -
G Oldenburg, o Oldenburg, du Land des Überflusses!
Trotz alledem, trotz alledem verschließst du deine Grenzen:
verlangend blickt das Vaterland
Tluf deinen Vieh- und Schweinestand -
Trotz alledem, trotz alledem verschließst du deine Grenzen!
den Hamster nahmst, den Hamster nahmst du leider dir zum
Zullst deinen Bau bis oben an Muster:
Ünd lässest keinen andern 'ran -
Oen Hamster nahmst, den Hamster nahmst du leider dir zum
Muster!
G Oldenburg, o Oldenburg, wie mies ist dein Verfahren!
Wer selber sich die plauze mäst't
Ünd seinen Nächsten darben läßt -
O Oldenburg, o Oldenburg, - den nenn' ich einen Nuppsack!
Balduin.
Lieber Jacob!
Unter uns jcsagt, finde ick, bet der Krieg
uff de Dauer dem Charakter verdirbt, nota-
bene, wann eener eenen hat. Bald jönnt eener
den andern nischt mehr, un de Neutralen
unter sich sind ooch nich einig, se schielen mit
beide Oogen immer nach'» Rebbach. Det de
feindlichen Razjoncu sich nich nett zu uns be-
nehmen, will ick se nich verdenken, denn dazu
sind se schließlich da. Aber wie sich de Nei-
tralen manchmal ussiehren, det is nich mehr
scheen! Du erinnerst Dir vielleicht noch, wie
wir dunnemals in Holland 'n Posten Kakao
bestellt jehabt halten un anstatt diesen 'ne
Waggonladung Äppel jeschickt bekanien, un
zwar nich aus 'n Jarten, sondern aus'» Ferde-
stall. Dieses vierbeenije Fallobst hatte ville
beeses Blut jemacht, aber schließlich konnte
wenigstens de holländesche Rejierung nischt
dafor, weil et 'n privates Jeschäft zwischen
zwee Firmen jewesen war. Aber jetz las ick
neilich, det Dänemark de Ausfuhr von Kuh-
häuten un Kuhschwänzen verboten hat, un da
reißt mir denn doch de Jeduld! Ick hatte mir
noch voriglen Sonntagabend so herzlich jefreit,
wie ick in unsre Stammdestille meine janze
wöchentliche Fleeschkarte in Jestalt von een
richtig sehendes Biefstick druffjehen ließ. Keenen
Oogenblick zweifelte ick daran, det det Biefstick
aus '» Stick dänische Kuhhaut herjestellt wo»
den war, un ick segnete schon det nahrhafte
Vaterland des Prinzen Hamlet. Det is nu
der Dank dafor! Aber nich bloß de Kuhhäute,
sondern ooch ihre Kuhschwänze zieht uns de
dänische Rejierung unter de Reese weg. Wo
der inländische Kuhschwoof schon seit Kriegs-'
beginn pollezeilich untersagt is, soll uns jetz
ooch noch der ausländsche vorenthalten wer-
den! Nich bloß det Nahrhaftste, sondern ooch
det Unterhaltende wollen se uns nich mehr
jönnen. Un da de „Deutsche Tageszeitung"
bis jetz noch keen vierundzwanzigstindliches
Ultimatum oder 'n sonstijes U-Boot jejen
Dänemark nich vorjeschlagen hat, so tue ick
det hiermit! Demi allens hat seine natierlichen
Jrenzen, un det mit de Kuhhäute seht uff keene
Kuhhaut nich mehr!
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,
an 'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
Redakttonsschluß iS. Novembber 1916.