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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 33.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.6705#0289
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9162

♦ And

And doch: aufstrahle Licht um Licht
Aus Hüttennacht und dunklem Nauru;
Hoch hebe sich das Angesicht
Zum hoffnungsgrünen Weihnachtsbaum!
Der Tod schleicht durch die Gaffen,

Vom Sicheln müd, vom Würgen krumm;
Das blutige Lied vom Haffen,

Es wird auch einmal stumm.

Aus Bethlehem die fromme Mär
Verseufzt im Schlachtensturme,

And klagend trauert um uns her
Das Glockenlied vom Turme:

Zweitausend Jahr ... Zweitausend Jahr..
Vergrubst, o Welt, du den Gewinn?

Die Liebe geht in greisem Haar
Als blinde Bettlerin.

doch! *

Nehmt, Kinder, doch die Freuden hin.

Die diese Sorgenweihnacht beut:

Den Goldstaub, den euch treuer Sinn
Auf eure grauen Stunden streut.

Daß Mut und Kraft euch werde
And eisenharte Zuversicht:

Es siegt auf dieser Erde
And doch und doch das Licht!

Wie spiegelt in den Augen hell
Sich warm der Glanz der Kerzen!

O springe auf, du frischer Quell
Der Zukunft in den Herzen!

. Von Flämmchen glüht es nah und fern
Zn dieser Welt, die tiefverirrt....

Ach, jedes Licht, es sei ein Stern,
Darunter ein Erlöser wird! Ernst Preczang.

Rumänien.

Am den Entente-Karren
Aus seinem Dreck zu zieh«.

Griffst du in letzter Stunde
Zur Plempe rasch und kühn.

Den Gnadentritt zu geben
Dem kampfesmüden Leu'»,

Erhobst du keck und sieg'sgewiß
Dein edles Linierbein.

Von Ruhm- und Raubbegierde
Schwoll deine Leldenbrust,

Du warst des leichten Kaufes
Frohlockend dir bewußt.

Doch wehe, wehe, wehe:

Der Löwe lebte noch

And trieb mit seinem Prankenhieb

Dich in ein Mauseloch!

Jetzt wird dir klar mit Grausen,

Daß du zu früh frohlockt.

Die Suppe mußt du fressen,

Die du dir eingebrockt!

Nun sammle deine Knochen,

Du arg geschundnes Tier!

Das andern helfen hat gewollt.

Sag an: wer hilft jetzt dir?

Zn Frieden konntest bauen
Du Tabak, Mais und Wein,

And stürztest dich kopfüber
In das Schlamassel 'rein.

Wie wahr sprach doch vor Jahren
Ein vielerfahrner Greis:

„Wenn sich zu wohl der Esel fühlt.
Begibt er sich aufs Eis!" Sulla.

Feldpostbriefe.

LXI.

Geliebte Rieke! Also nun sitzen wir mitten
drin in das dickste Rumänien. Zuerst ging es
egal in Eilmärschen vorwärts, aber jetzt hat

unser Regiment eine längere Hühneraugen-
erholungspause und liegt in ein kleines Dorf
in Quartier. Sehr viele hübsche Mädchen sind
hier zu sehen, aber Verhältnisse zwischen un-
sere Truppen und die hiesige Weiblichkeit gibt
es nicht, da kannst Du ganz beruhigt bleiben,
denn die eifersüchtige Rachsucht ist bei die
Rumänen zu groß, und man riskiert zu leicht
einen Dolchstoß zwischen die unvermuteten
kurzen Rippen. Bloß der Einjährige Meyer
hatte sich eine Geliebte zugelegt, und zwar
das schönste Mädchen von das ganze Dorf.
Er renommierte egal mit seine Pussiererfolge
und machte damit viele von uns den Mund
wässerig. Aber dann wurde er auf einmal sehr
kleinlaut, denn seine Mirza — so nannte er
ihr — hatte ihm erklärt, daß sie nichts mehr
von ihm wissen wolle, wenn er ihr nicht ohne
weitere Umschweife heirate. Und das geht
natürlich nicht auf einem Marsche mit vollem
Kriegsgepäck. Die männliche Bevölkerung zeigt
im übrigen sehr wenig kriegerische Begeiste-
rung. Man möchte es kaum für menschen-
möglich halben, wieviel Drückeberger sich hier
herumtreiben und durch ivas für ausgefallene
Listen und Gaunereien sich die Leute manch-
mal ihrer Dienstpflicht zu entziehen wissen.

Auch kolossal viel Läuse gibt es, und eine
große Generalentlausung fand statt, zu ivelche
auch die Zivilbevölkerung zugezogen wurde.
Das freudige Ergebnis wurde dann durch
einen Entlausungsball gefeiert, ebenfalls unter
lebhafte Beteiligung der Eingeborenen. Diese
letzteren verursachten mit die merkwürdigsten
Instrumente eine Art Nationalmusik, die un-
gefähr so klang, als wie wenn der alte Mie-
ricke aus die Koppenstraße mit seine Nase auf
dem Kamm bläst. Dazu tanzten die Dorf-
bewohner ihre Nationaltänze, wobei sich die
Damenwelt ziemlich gebildet benimmt, wäh-
rend die sogenannten Herren ihre Spazier-
hölzer auf die ungenierteste und halsbreche-
rischeste Art in die Lust herumschwenken, so

lUstorlsoba Ksaalssiu & Berlin

daß man manchmal nicht mehr weiß, wo oben
und wo unten ist.

Meyern seine schöne Mirza sagte, daß sie
nicht tanzen könne, und lächelte egal auf eine
geheimnisvolle Weise. Uns kam die Sache un-
wahrscheinlich vor, denn bei uns pflegen sich die
hübschesten Mädchen, wie du ja aus eigene Er-
fahrung weißt, nicht so lange zu zieren. Meyer
ging ihr auch nicht von die Pelle, und schließlich
sprang sie mit eine Art entschlossenes Kriegs-
geheul auf und trat mitten mang die männ-
liche Jugend zum Tanze an, und zu unserm
größten Entsetzen konnte sie ihre Beine noch
doller schivenken wie die andere eingeborene
Herrenwelt! In demselben Augenblick aber
umärmelte ihr auch schon ein junges Mädchen
und rief auf Rumänisch: „Stanko, mein Bräu-
tigam, veralbere dir doch vor die dämliche
Bande nicht länger!" Und das Mädchen hatte
wahrhaftig nicht gelogen: diese Mirza war
nichts anderes als wie ein jugendlicher Lause-
junge, der sich aus militärpflichtige Gründe
in Mädchenkleider gestochen gehabt hatte! Dn
kannst Dir unsere Bergnüglichkeit vorstellen!
Aber der Einjährige Meyer hat sich an dem
Abend nicht mehr sehen lassen und fühlte sich
auch die nächsten Tage nicht ganz wohl.

So was kann einem, geliebte Rieke, in
Feindesland passieren, wenn man die geschlecht-
lichen Unterschiede nicht sorgfältig genug be-
obachtet und überhaupt ein Dussel ist.

In die feste Überzeugung, dieses nicht zu
sein, küsse ich Dir auf zweitausend Kilometer
Entfernung innigst als Dein ewig getreuer
Bräutigam

August Säge jun., Garde-Grenadier.

Nachschrift. Auf dem Entlausungsball
habe auch ich aus allgemeinen Bildungsdrang
versucht, an einem rumänischen Nationaltanz
mitzuwirken, aber dabei sind mir leider die
Unterhosen geplatzt. Falls es in Berlin noch
welche gibt, wäre ich Dir für ein neues Paar
herzlich dankbar.
 
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