. 9166 -——
Tod am heiligen Abend.
Don Rar! Bröger.
Huf Zappenmache am heiligen Cbrift
Unser lieber Kamerad gefallen ist.
Die kngel traf ihn so gut, so gut.
In purpurnen Nösiein erblühte sein Blut,
wir haben leise gesummt und gesungen:
„Cs ist eine Nos' entsprungen ...“
wir brachten clen toten wann zur Nuh
Und deckten ihn ganz mit Äveigen zu.
wir steckten ein Neisiein in feine Hand
flls lannengruh aus dem Heimatland.
Oer hi mmel stand hoch in Klarerpracht....
„Stille Nacht, heilige Nacht...!“
Nm andern Morgen lagen wir
Im zerschossenen Dorfquartier.
Las einer aus einem Bibelbuch
Manchen alten, bekannten Spruch.
Das „Gloria In exzelüs Deo“ erklang,
wir hörten alle andern Oefang.
wir hörten alle den Kehrreim gehn:
„Gloria! Diktoria! In der Heimat,
da gibt's ein Wiedersehn!...“
Die Bescherung.
Trüb »nd grau verdämmert der Nachmittag.
Stoch einige Stunde», dann wird es Abend
sei», heiliger Abend. . . .
Frau Bergmann sitzt an ihrer Nähmaschine,
aber schon seit zehn Minuten ist das fleißige
Surren des Schiffleins verstummt. Die
noch junge Frau hat die Hände in den
Schoß gelegt und starrt bewegungs-
los durch das Fenster. Diese Gedanken,
o diese Gedanken! . . .
Sechs Wochen sind es nun her, daß
sie die letzte Nachricht von ihm erhielt.
Damals schrieb er, daß es n och gut gehe
und daß er zu Weihnachten voraus-
sichtlich in Urlaub kommen werde.
Der nächste Brief, in dem sie ihrer
Freude über diese schöne Aussicht
Worte geliehen hatte, kam zurück mit
dem Vermerk: „Vermißt!" Bald
waren andere Briefschaften gefolgt.
Sie war in ihrer tiefen Herzensangst
gleich zu allen Bekannten gegangen
und hatte Umfrage gehalten. Doch
mit wenig tröstlichem Erfolg. Keiner
wußte seitdem verhängnisvollen Tag
mehr von ihrem Mann als sie. Einige
von ihnen hatten ebenfalls Briefe und
Paketchen zurückbekommen, die sie an
Bergmann gesandt hatten, überall
stand vermerkt: „Vermißt!"
Frau Bergmann erhebt sich von
ihrem Platz und geht zu der kleinen
Schatulle. Sie entnimmt ihr den
letzten Brief des Vermißten und liest
ihn aufmerksam durch. Zum wieviel-
ten Male schon! Aber nichts, nichts
ist daraus zu entnehmen. Der Kopf
der lesenden Frau sinkt müde herab,
und ein leises Schluchzen erschüttert
die Gestalt. Drauße>5 pocht es heftig alt die
Tür. Laute, frische Stimmen rufen durchein-
ander. Langsam erhebt sich die weinende Frau
und geht öffnen. Die letzten Tränen hat sie sich
noch schnell aus den Augen gewischt. Denn
die Kinder sollen nichts merken.
„Mutter, Mutter! Was krieg ich zum Christ-
kind? . . . Kommt es bald? . . . Draußen ist
es schon ganz finster."
Der stämmige Blondkopf preßt sich eng an
den Rock der Mutter, aber der Platz bleibt
ihm nicht unbestritten.
„Mutter, Mutter! Ich bin bräver als der
Fritz! Gelt? , . . Ich krieg auch mehr als er."
Der um zwei Jahre jüngere Hans zerrt
aus Leibeskräften an seinem Bruder, um ihn
von der Mutter wegzubringen. Daraus ent-
steht ein lebhaftes Geraufe, dem Frau Berg-
mann ein Ende macht, indem sie jeden der
Wildfänge bei der Hand nimmt und in den
Vorflur zieht.
„Ruhig seid ihr, alle zwei! Was ist das für
ein Lärm, den ihr da macht? Wenn ihr euch
nicht vertragt, kommt das Christkind über-
haupt nicht zu uns."
Liebkosend fährt die Hand der Frau durch
das Haar der Buben.
„So und nun geht ihr zur Großmutter hin-
über, bis ich euch holen lasse. Daß ihr euch
aber ordentlich benehmt!"
Wie der Wind sind die Buben schon wieder
aus dem Zimmer, und von der Straße herauf
dringt bald ihr kräftiges Schreien. Sie sind
anscheinend in einem neue» Streitgespräch über
die Bescherung begriffen.
Sinnend stehtFrau Bergmann vorder kleinen
Schatulle. Soll sie de» Brief nochmals lesen?
Doch wozu? Er gibt doch keine Kunde. . . .
Heiliger Abend! Wie hatte sie sich diesen
Abend ausgemalt! Er auf Urlaub daheim,
nach fast einem Jahr wieder ein paar Tage
gegenseitiger Aussprache, das Gefühl ihres
bescheidenen Glücks frisch geweckt ... es wäre
so schön geworden. Und jetzt? Seit sechs Wochen
war Ludwig verschollen. Wie aus der Welt
gewischt! Konnte sich ei» Mensch das über-
haupt ausdenken? Nein, nein! Er war nicht
tot. Er war vielleicht verwundet und konnte
nicht schreiben. Im fremden Land gefangen,
wo sich niemand um ihn kümmerte. Aber er
lebte doch, er mußte ja leben.
Die Dämmerung greift um sich. Im Zimmer
reichen die schwarzen Schlagschatten schon bis
an die Decke. Licht machen? Ach, es saß sich
so heimlich im Zwielicht. Man konnte so still
vor sich hinbrüten und Hoffnungen aufleben
lassen, die zu zart sind, um einen grellen Licht-
strahl zu ertragen.
Frau Bergmann setzt sich vor ihre Maschine,
läßt den Faden gedankenvoll durch die Finger
gleiten und merkt nicht, wie die Stube sich
immer weiter mit Dunkelheit füllt. Nur jetzt
nicht gestört werden im Nachdenken!
Weihnachtsabend! Im vorigen Jahr war
Ludwig noch auf Urlaub da. Sie hatten da-
mals so bestimmt davon gesprochen, daß sie
zum nächsten heiligen Abend sicher wieder,
ganz beisammen sein würden, daß sie ihr
kleines Geschäft wieder aufmachen wollten
und daß dann alles wieder sein sollte, wie
es vorher war.
Die Kinder! Sie ahnten nichts von dem
Geschick. Sie durften auch nichts davon wissen.
Weihnachten würde ja spärlich ausfallen, aber
das hatten die Buben doch schon gemerkt, daß
Weihnachten im Krieg nicht ist, was Weih-
nachten sein soll. Einige Kleinigkeiten
lagen bereit, und das kleine Tannen-
bäumchen war bald hergerichtet. Es
wurde Zeit, sich darüber zu machen.
Die Buben konnten sonst vorher
kommen.
Während sie Licht zündet, macht
Frau Bergmann die Kleinigkeiten des
Festes zurecht. Das Bäumchen kommt
in die Ecke beim Fenster auf ein Ge-
stell. Emsig arbeitet Frau Bergmann
an der Schmückung. Einige Glas-
kugeln daran gehängt, ein halbes
Dutzend Äpfel dazwischen und etwas
künstlichen Schnee auf die Zweige-
Ein schrilles Klingeln läßt die Frau
erschreckt auffahren. Die Buben wohl!
Aber nein, die konnten es nicht sein.
Seltsam unruhig begibt sich Frau
Bergmann auf den Vorplatz, um zu
horchen, wer da käme. Aber es kommt
niemand. Dan» mußte es die Post
sein.
Mit zitternden Händen öffnet Frau
Bergmann den Briefkasten im Haus-
flur. Ein Brief fällt ihr zwischen die
Finger, ein Brief in einem festen,
graue» Umschlag, ziemlich hart an-
zufühlen. Sie wirst eine» Blick auf
die Schrift. . . .
Ist das wahr? Kann das sein?
Seine Schrift, Ludwigs Handschrift...
Aus hundert Schriften würde sie diese
Züge erkennen. Also erlebt! Zitternd
Der friedliebende Zar.
M.
Meine Mobilmachungk-orLer von 1912 ist mm doch verraten und in,
Deutschen Reichstag von Bethmaun Hollweg milgeleilt worden.
Jetzt bin ich ein blamierter Europäers
Tod am heiligen Abend.
Don Rar! Bröger.
Huf Zappenmache am heiligen Cbrift
Unser lieber Kamerad gefallen ist.
Die kngel traf ihn so gut, so gut.
In purpurnen Nösiein erblühte sein Blut,
wir haben leise gesummt und gesungen:
„Cs ist eine Nos' entsprungen ...“
wir brachten clen toten wann zur Nuh
Und deckten ihn ganz mit Äveigen zu.
wir steckten ein Neisiein in feine Hand
flls lannengruh aus dem Heimatland.
Oer hi mmel stand hoch in Klarerpracht....
„Stille Nacht, heilige Nacht...!“
Nm andern Morgen lagen wir
Im zerschossenen Dorfquartier.
Las einer aus einem Bibelbuch
Manchen alten, bekannten Spruch.
Das „Gloria In exzelüs Deo“ erklang,
wir hörten alle andern Oefang.
wir hörten alle den Kehrreim gehn:
„Gloria! Diktoria! In der Heimat,
da gibt's ein Wiedersehn!...“
Die Bescherung.
Trüb »nd grau verdämmert der Nachmittag.
Stoch einige Stunde», dann wird es Abend
sei», heiliger Abend. . . .
Frau Bergmann sitzt an ihrer Nähmaschine,
aber schon seit zehn Minuten ist das fleißige
Surren des Schiffleins verstummt. Die
noch junge Frau hat die Hände in den
Schoß gelegt und starrt bewegungs-
los durch das Fenster. Diese Gedanken,
o diese Gedanken! . . .
Sechs Wochen sind es nun her, daß
sie die letzte Nachricht von ihm erhielt.
Damals schrieb er, daß es n och gut gehe
und daß er zu Weihnachten voraus-
sichtlich in Urlaub kommen werde.
Der nächste Brief, in dem sie ihrer
Freude über diese schöne Aussicht
Worte geliehen hatte, kam zurück mit
dem Vermerk: „Vermißt!" Bald
waren andere Briefschaften gefolgt.
Sie war in ihrer tiefen Herzensangst
gleich zu allen Bekannten gegangen
und hatte Umfrage gehalten. Doch
mit wenig tröstlichem Erfolg. Keiner
wußte seitdem verhängnisvollen Tag
mehr von ihrem Mann als sie. Einige
von ihnen hatten ebenfalls Briefe und
Paketchen zurückbekommen, die sie an
Bergmann gesandt hatten, überall
stand vermerkt: „Vermißt!"
Frau Bergmann erhebt sich von
ihrem Platz und geht zu der kleinen
Schatulle. Sie entnimmt ihr den
letzten Brief des Vermißten und liest
ihn aufmerksam durch. Zum wieviel-
ten Male schon! Aber nichts, nichts
ist daraus zu entnehmen. Der Kopf
der lesenden Frau sinkt müde herab,
und ein leises Schluchzen erschüttert
die Gestalt. Drauße>5 pocht es heftig alt die
Tür. Laute, frische Stimmen rufen durchein-
ander. Langsam erhebt sich die weinende Frau
und geht öffnen. Die letzten Tränen hat sie sich
noch schnell aus den Augen gewischt. Denn
die Kinder sollen nichts merken.
„Mutter, Mutter! Was krieg ich zum Christ-
kind? . . . Kommt es bald? . . . Draußen ist
es schon ganz finster."
Der stämmige Blondkopf preßt sich eng an
den Rock der Mutter, aber der Platz bleibt
ihm nicht unbestritten.
„Mutter, Mutter! Ich bin bräver als der
Fritz! Gelt? , . . Ich krieg auch mehr als er."
Der um zwei Jahre jüngere Hans zerrt
aus Leibeskräften an seinem Bruder, um ihn
von der Mutter wegzubringen. Daraus ent-
steht ein lebhaftes Geraufe, dem Frau Berg-
mann ein Ende macht, indem sie jeden der
Wildfänge bei der Hand nimmt und in den
Vorflur zieht.
„Ruhig seid ihr, alle zwei! Was ist das für
ein Lärm, den ihr da macht? Wenn ihr euch
nicht vertragt, kommt das Christkind über-
haupt nicht zu uns."
Liebkosend fährt die Hand der Frau durch
das Haar der Buben.
„So und nun geht ihr zur Großmutter hin-
über, bis ich euch holen lasse. Daß ihr euch
aber ordentlich benehmt!"
Wie der Wind sind die Buben schon wieder
aus dem Zimmer, und von der Straße herauf
dringt bald ihr kräftiges Schreien. Sie sind
anscheinend in einem neue» Streitgespräch über
die Bescherung begriffen.
Sinnend stehtFrau Bergmann vorder kleinen
Schatulle. Soll sie de» Brief nochmals lesen?
Doch wozu? Er gibt doch keine Kunde. . . .
Heiliger Abend! Wie hatte sie sich diesen
Abend ausgemalt! Er auf Urlaub daheim,
nach fast einem Jahr wieder ein paar Tage
gegenseitiger Aussprache, das Gefühl ihres
bescheidenen Glücks frisch geweckt ... es wäre
so schön geworden. Und jetzt? Seit sechs Wochen
war Ludwig verschollen. Wie aus der Welt
gewischt! Konnte sich ei» Mensch das über-
haupt ausdenken? Nein, nein! Er war nicht
tot. Er war vielleicht verwundet und konnte
nicht schreiben. Im fremden Land gefangen,
wo sich niemand um ihn kümmerte. Aber er
lebte doch, er mußte ja leben.
Die Dämmerung greift um sich. Im Zimmer
reichen die schwarzen Schlagschatten schon bis
an die Decke. Licht machen? Ach, es saß sich
so heimlich im Zwielicht. Man konnte so still
vor sich hinbrüten und Hoffnungen aufleben
lassen, die zu zart sind, um einen grellen Licht-
strahl zu ertragen.
Frau Bergmann setzt sich vor ihre Maschine,
läßt den Faden gedankenvoll durch die Finger
gleiten und merkt nicht, wie die Stube sich
immer weiter mit Dunkelheit füllt. Nur jetzt
nicht gestört werden im Nachdenken!
Weihnachtsabend! Im vorigen Jahr war
Ludwig noch auf Urlaub da. Sie hatten da-
mals so bestimmt davon gesprochen, daß sie
zum nächsten heiligen Abend sicher wieder,
ganz beisammen sein würden, daß sie ihr
kleines Geschäft wieder aufmachen wollten
und daß dann alles wieder sein sollte, wie
es vorher war.
Die Kinder! Sie ahnten nichts von dem
Geschick. Sie durften auch nichts davon wissen.
Weihnachten würde ja spärlich ausfallen, aber
das hatten die Buben doch schon gemerkt, daß
Weihnachten im Krieg nicht ist, was Weih-
nachten sein soll. Einige Kleinigkeiten
lagen bereit, und das kleine Tannen-
bäumchen war bald hergerichtet. Es
wurde Zeit, sich darüber zu machen.
Die Buben konnten sonst vorher
kommen.
Während sie Licht zündet, macht
Frau Bergmann die Kleinigkeiten des
Festes zurecht. Das Bäumchen kommt
in die Ecke beim Fenster auf ein Ge-
stell. Emsig arbeitet Frau Bergmann
an der Schmückung. Einige Glas-
kugeln daran gehängt, ein halbes
Dutzend Äpfel dazwischen und etwas
künstlichen Schnee auf die Zweige-
Ein schrilles Klingeln läßt die Frau
erschreckt auffahren. Die Buben wohl!
Aber nein, die konnten es nicht sein.
Seltsam unruhig begibt sich Frau
Bergmann auf den Vorplatz, um zu
horchen, wer da käme. Aber es kommt
niemand. Dan» mußte es die Post
sein.
Mit zitternden Händen öffnet Frau
Bergmann den Briefkasten im Haus-
flur. Ein Brief fällt ihr zwischen die
Finger, ein Brief in einem festen,
graue» Umschlag, ziemlich hart an-
zufühlen. Sie wirst eine» Blick auf
die Schrift. . . .
Ist das wahr? Kann das sein?
Seine Schrift, Ludwigs Handschrift...
Aus hundert Schriften würde sie diese
Züge erkennen. Also erlebt! Zitternd
Der friedliebende Zar.
M.
Meine Mobilmachungk-orLer von 1912 ist mm doch verraten und in,
Deutschen Reichstag von Bethmaun Hollweg milgeleilt worden.
Jetzt bin ich ein blamierter Europäers