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9187

uu^vc ,:.i) kurz luict) Behrend um. Der schal-
tete mit einein'Griff daS Fallbenzi» ein. Da-
mit kamen sie noch nach Hause, zumal sie der
Wind heimtrug. Keine Sorge!

Da stand der Leutnant auf und verklebte
das Loch mit Knetgummi, so gut es eben ging.

Noch eine Minute-

Der brave Motor donnerte gegen den Wind
an. Immer langsamer kamen sie vorwärts
immer näher die Tod
bringenden Geschosse.

Leutnant von Heu» in g
lehnte sich über die Brü-
stung und blickte durch
den dafür bestimmten
viereckigen Ausschnitt in
der unteren Tragfläche
hinab. Er konnte sich auf
sein Auge verlassen. Roch
>var er nicht genau über
seinem Ziel.

Eben wollte er den
Befehl zum Niedergehen
geben, denn zum Abiver-
fen war ervielzuhoch, da
erbebte das ganze Flug-
zeug von einem furcht-
baren Stoß und legte sich
nach links über.

Ein kurzes, würgendes
Gefühl im Hals —
schnell packte die Hand
die Wandung der Karos-
serie, die, ans dünnem
Holz, sich unter dem eiser-
nen Griff bog — dann
flogen sie ruhig und ta-
dellos iveiter.

O Behrend! dachte der
Leutnant, daß Gott dich
ohne Nerve» geschaffen
hat!

DerKühlerwar getrof-
fen. In breitem Strahl,
in der eisigen Luft von
einer dichten Dampf-
wolke umgeben, spritzte
das heiße Wasser aus
dem Aluminiumbehälter
an der linken Seite der
Karosserie.

Henning klebte wieder
und wußte dabei, daß es
vergeblich sein ivürde.

Er konnte mit Knetgum-
mi das Loch nicht stopfen,
das Wasser rann, ob-
gleich er die Hand auf
den Riß preßte.

Wenn sie sofort uin-
lehrten, der Wind würde
sie heimtragen! Aber so
kurz vor dein Ziel kehrt
machen?! Niemals! Er wechselte mit Behrend
einen Blick. Sie verstanden sich. Der stellte
den Motor ab und setzte zum Gleitflug an.
2000— 1900 - 1800. Dann hob der Leutnant
die Rechte, ivährend die Linke auf die schwere
Wunde des Metalls gepreßt blieb.

Der Motor dröhnte wieder.

Sie waren über dem Munitionsbahnhof.
Rings um die tödlich verwundete Maschine

krachte und blitzte es. Noch einen kühlen sach-
i,..,en Blick warf der Offizier durch das Guck-
loch hinab — dann ließ er schnell hinterein-
ander die Bomben falle». Durch das Motoren-
geränsch deutlich wahrnehmbar dröhnten von
unten Explosionen auf. Ter Bahnhof hüllte
sich in schwarzne Rauch. Immer neue Geschosse
mochten dort platzen, immer neue Munitions-
waggons in die Lust fliegen.

Der Knotenpunkt lag hinter ihnen. Es war
vorbei. Behrend hatte den Apparat herum-
gerissen. Sie stiegen rasch. Trotz des Knet-
gummis drang das Wasser durch den dicken
Handschuh, in dem des Leutnants Linke schon
ganz erstarrt war. Minuten vergingen. Hen-
ning blickte zurück. Fern dort hinten stiegen
dicke Rauchivolken auf. Irgend was mochte
brennen. Ein Gefühl heißer Freude durch-

strvmte ihn, als er das sah. Bor denr Winde
rasten sie, langsam steigend, der Sicherheit,
der Rettung entgegen.

Aber nun stieg der ivnnde Apparat immer
langsamer. Mit starren Augen blickte der Leut-
nant auf das Baronleter. In ohnmächtigem
Zorn brüllten ringsum die platzenden Ge-
schosse.

Er segnete den Nordwestwind. In sausen-
der Fahrt glitt das Flug-
zeug heim. Endlich wa-
ren sie wieder auf 2200
Meter.

Die Bäuine und Häu-
ser waren wieder ganz
klein, wie winziges Spiel-
zeug. Abenddunst zog
herauf. Immer mehr
Wasser und Benzin ging
verloren. Als Henning
ihn fragend ansah, nickte
Behrend mit dem Kopf,
eine Bewegung, die sich
der Leutnant auslegen
konnte, wie er wollte.

2300. Der Apparat
stieg nicht mehr. Bis zur
Front mochten es noch
zehn oder elf Kilometer
sein. Ja, wenn der Wind
nicht gewesen wäre!

Wiederum verginget:
lange, bange Minuten.
Der Leutnant preßte jetzt
beide Hände auf die Me-
tallwunde. Er lag nun
auf der linken Seite in
seinem Sitz. So konnte
er auch bequem durch
den viereckigen Aus-
schnitt hinabsehen.

Gott sei Dank, da kam
ja schon der Wald in
Sicht, hinter dem sich die
Front hinzog. Manchmal
setzte der Motor aus.
Behrend pumpte daun
Benzin vor. Das Fall-
benzin mochte zur Neige
gehen. Der Flugapparat
fiel. 2000 — 1900. Und
die Front war noch weit.

Wieder vergingen ei-
nige Minuten. Mit ver-
haltenemAtem sahen bei-
de nach dein sich langsam
nähernden Waldrand.

Endlich! Nun lag der
Wald unter ihnen und
da — die Schützen-
gräben ! Stark beschossen
überflogen sie dann in
1600 Meter Höhe die
Linie. Noch ein paar heulende Eisengrüße
sandte ihnen der Feind nach, endlich wurde
es still.

Henning konitte seine steif gewordenen Glie-
der nicht länger in der unbequcinen Lage halten
und richtete sich auf. In breitem Strahl spritzte
das Kühlwasser hervor. Mochte es . . .

Schwer fiel er in seinen Sitz zurück. Er
schloß die Augen! Wie wohltuend das war,

Französische Karikaturen aus dem Kriege 1870/71.

vi.

„Wer halle das gedachl!" (Anonym.)
 
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