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9197 -

nUyi G,rixch,eu mib
Römer, an Friedrich von
Preußen und Napoleon.

Doch es gibt auch noch
andere Gattungen von
Menschen unter uns alS
Helven. Das weiß
'»ein Freund Raff zum
Prffpiel sehr gut.

Raff ist vor dem Krieg
ein Zeitgenosse gewesen
wie Millionen andere
auch. Wäre der Krieg
nicht gekommen, so hätte
die Lebensgeschichte Mi-
chael Raffs sehr einfach
gelautet: „Er wurde ge-
boren, nahm ein Weib
und starb." Aber durch
den Krieg ist er auf ein-
mal in das hellste Licht
gerückt und aus einem
Zeitgenossen eine Per-
sönlichkeit geworden.

Wer Michael Raff ist ?
Welcher' Abstammung,
welcher Landsmann-
schaft, welcher Weltan-
schauung?

Michael Raff ist der
Mann, der die Zeit ver-
steht. Nicht mehr und
nicht weniger. Ich erin-
nere mich noch ganz ge-
nau der Zeit vor dem
Krieg, so sagenhaft diese
Zeit auch heute erscheint.
Damals nährte sich Mi-
chael Raff schlecht und
recht durch den Verkauf
von Schulheften und
Stahlfedern an die Göh-
ren der Nachbarschaft,
Die Einnahmen flössen

Französische Karikaturen aus dem Kriege 1870/71.

VII.

„Armes Frankreich! ... Der Siamm ist zerschmeilerk, aber die Wurzeln
hallen noch fest!" Bon Honorü Daumier.

pfeiuvgwtzisx, und trotz
allerF-ilzigkeit hätte Raff
seinen Lebensabend aus
ein bescheidenes Spar-
kassenkonto stellen müs-
sen. Da kan> der Krieg,
und mit ihm kamen un-
geahnte Möglichkeiten
des Profits. Im Anfang
zögerte Michael Raff
noch etwas. Der Krieg
konnte ja in drei Mo-
naten aus sein, was alle
Welt damals auch hoffte.
Aber etwas wollte erdoch
an der Begeisterung ver-
dienen. MitHindenburg-
karten und Schlachtbil-
dern ging ein Geschäft,
das bei richtigem Be-
trieb seine Kosten deckle.
Michael Raff ist ein gro-
ßer Verehrer von Hin-
denburg, schon wegen
der Siege, aber auch we-
gen der Ansichtskarten,
die er mit seinem Bild-
nis abgesetzt hat, „Der
Mann konnte eine Gold-
, ube werden, ivennman
etwas insGeschäft steckt,"
meinte er geschchtskun-
dig.Aber er sagte das nur
zu seinen besten Freun-
den. Sonst pries er
Hindenburg wegen der
Siege.

Das zweite Kriegsjahr
verging langsam. Mi-
chael Raff wälzte einen
großen Gedankt». Mit
Schreibheften »ndStahl-
sedern war es so eine
Sache. Die Kinder be-

Die Gänsemutter.

Als die alte Günsemutter davon hörte, wie
sehr das Ansehen ihres Geschlechts in den
Augen der Menschen gestiegen sei, erhob sie
sich stolz auf ihren Pfote», schlug mit den
Flügeln und sagte: „Endlich kommt das Ver-
dienst zu Ehren! Früher dünkte sich jedes
blinde Huhn besser als unsereins, und jeder
dumme Hahn hielt sich berechtigt, uns vom
Futter wegznbeißen. Von den Schwänen ganz
zu schweigen, die sich wer weiß was einbilden
auf Figur und Eleganz. . . . Figur und Ele-
ganz — ha, was ist alle Schönheit der Welt
gegen den inneren Charakter? Tragen sie so-
viel Fett an den Därmen wie ivir? Gibt es
ein- zaubervolleres Wort bei de» Menschen
als: Gänseschmalz!? . . . Ach, ich habe viele
Generationen in die Welt gesetzt, und keines
meiner Kinder ist unter siebe» Kilo dahin-
gegangen, geschätzt und geachtet von seinen
Verzehrern. Aber init ivelcher Hochachtung
empfängt man uns jetzt! Zu welcher Kostbar-
keit sind wir ruhmvoll erhoben! Wir sind die
Freude jeder echten Hausfrau und der alles
überstrahlende Glanz der Tafel Zärtlich ruhen

aller Augen auf uns, und der Respekt leuchtet
aus allen Blicken. Wer wagt heute noch das
törichte Schmähwort: ,Dumme Gans!?' . . .
Ach, ich bin stolz und glücklich!"

Und die Gänsemutter walschelle mit er-
hobenem Kopfe über den Hof und sah ver-
ächtlich auf das andere Federvieh.

Da trat die Bäurin mit einer Dame aus
der Stadt auf den Hof und sagte: „Nein, ich
will sie nicht verkaufen; es ist meine letzte."

„Ich zahle hundert Mark", erwiderte die
Dame.

„Wenn ich sie nicht so nötig zur Zucht
brauchte! . . . Sie brütet gar gut."

„Ich gebe Ihnen hundertuudzwanzig Mark."

Die Bäuerin wiegte den Kopf und betrach-
tete nachdenklich die Gaus, die sich immer
höher ausreckte und mit den Flügeln schlug.

„Hunderlundfünfzig. . ."

Da griff die Bäurin,zu. Es war ein Griff.

Die Gänsemutter schrie kläglich auf. Daun
lag sie mit gebundenen Beineu im Korbe und
rollte angstvoll die Augen.

Die Dame streichelte sie liebreich und sagte
tröstend: „Du gibst wenigstens zwei Pfund
Schmalz." Pec.

Agrarisches Duett.

„Du schreist und tobst, als ging es um dein Lebe»,
Und sagst, man hätte dich beraubt!

Ist solche Un-zufriedenheit wohl noch erlaubt.

Da man dir dreifach, vierfach hat gegcben?"

„„Beraubt, bestohlen ha« man mich i» schlimmster

Weise,

Man hat mir alle Freude am Beruf geiiomme»!
Was helfen mir die vierfach hohe» Preise,

Da ich könnt'- zwanzigsältigc bekommen?!"" B.

Der Riesenkater.

In verschiedenen thüringischen Städten ist
die Kutzensteuer eingeführt ivorden.

„Wie gut," sagte Bratianu, als er das las,
„daß ich nicht in Thüringen ivohne: ivieviel
Steuer würde ich dort ivohl für nieinen Kater
zu zahlen haben?"

Der „Leilige".

In der Religionsstunde fiagte der Lehrer
den Sohn eines Wucherers, ob er ihm einen
Heiligen nennen könne, der in der Kriegszeil
von ganz besonderer Bedeutung sei. Prompt
antwortete der Junge: „Lloyd George, der sorgt
dafür, daß Vater immer reicher wird!"
 
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