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9232 —

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Osternacht! Die Sterne blinken,
heilige Ruhe webt im JWÜ,

Jlllcs Niedre will versinken,

Wiörer Dunst und blöder Schwall.
Schwarz der Wald, kein milder Schimmer,
Nur am Himmel flammt es klar,

Oer Gestirne Glanz und Glimmer
hebt die Seele wunderbar.

Gsternacht.*

Ruhig ziehn sie ihre Bahnen,
Ohne Lust und ohne Leid,
Unbeschwert von Sorg' und Mnen,
Kern dem Raum und fern der Zeit.
Ewig! Krei von allen Schranken,
was uns drückt und was uns engt,
was in quälenden Gedanken
Schwer und lastend auf uns hängt!

Ewig! wer vermag'« zu fassen?
wer erschöpft des Wortes Grund?
Unser Lieben, unser hassen
Macht uns Herz und Seele wund.
Ewig! Und wir Menschen wüten
(immer noch mit Mord und Brand,
Und zertreten frech die Blüten,
Die ein höhres uns gesandt!

Ostern, Kest des ^uferftehens, wann hebt über Grab und Grüften
Kest des Siegs ob O)ü und Grab, Kühn die Menschheit sich empor?
wann senkt deines Morgenwehens wann wird ihr aus reinern Lüsten,

heiliger Schauer sich herab?

was auf Erden sie verlor?

Ernst Klaar.

Fossil bis in die Knochen.

Es ragt aus grauen Zeiten
Ein höchst fossiler Klotz.

Wie auch die Jahre schreiten.

Es kümmert nicht den Protz.

Was scheren ihn die Gluten,

Wild brandend um ihn her?

Was stören ihn die Fluten
Und das empörte Meer?

Ins Auge das Monokel
Klemmt er mit stillem Weh,

Reckt auf sich wie ein Gockel
Und schmettert hell: Äh! Äh!

Das macht, er ist so edel.

Er ist so auserwählt.

Daß ihn in seinem Schädel
Kein frisches Denken quält.

Er kann nur trotzen, pochen
Auf alt versteinert Recht —

Fossil bis in die Knochen,

Das dünkt ihm wahr und echt! Kl.

Feldpostbriefe.

lxviii.

Lieber Maxe! Lebensmittel sind genug da,
schreibst Du, sie werden bloß nicht gut verteilt
und kominen meistens in die Unrechte Kehle.
Mit diese Anschauung kannst Du schon recht
haben, aber tröste Dir, solche Mißstände kom-
men bei uns in die Front auch manchmal vor.
Zum Beispiel vorige Woche, wo wir uns wieder
in fortschrittliche Bewegung befanden, >var
meine Kompagnie von das übrige Gros ge-
trennt und befand sich weit vorne an die
Spitze. Das war sehr ehrenvoll, aber trotzdein
hatten ivir nichts zu präpeln, denn der Wagen,
der uns die Bjktualitäten heranbringen sollte,
war nicht angekomnien. Schließlich wurde»
ein Unterosfizier und vier Mann, darunter
auch ich, abgeschickt, um das Fuhrwerk zu
suchen. Wir tippelten morgens früh los, und
spätabends hatten wir alle sehr starken Hunger,
aber den Wagen mit die Nahrnngsmittel hatten
wir nicht. Wir blieben die Nacht ins unbekannte
Gelände und zogen den nächsten Morgen mit

leerem Magen weiter. Endlich gegen Mittag
trafen ivir in ein stilles Tanneniväldchen die
Fuhre, die sich in langsames Tempo nach die
entgegengesetzte Richtung bewegte. Auf dem
Bock saß nämlich ein eingeborener Kutscher,
der in die Gegend ganz genau Bescheid wußte,
aber init die Himmelsrichtungen nicht nmzu-
gehen verstand. Wir schickten ihn mit herzliche
Grüße an seine Familie retour und übernah-
men selber mit die vier Begleitmannschaften
des Wagens die Direktion. Bevor wir aber
die Reise antraten, schlugen wir uns erst auf
eine ziemlich impulsive Weise die Plauze voll,
denn es war wirklich die dringendste Zeit,
daß wir endlich ivieder mal satt wurden. In
die späteren Abendstunden begegneten wir eine
Dragonerpatrouille, die uns darüberinstruierte,
daß wir einen falschen Weg ergriffen hatten.
Wir fuhren nämlich links seitwärts runter.
Die Kavallerie ist bekanntlich das Auge der
Armee, und daher folgten wir ihrem Rat und
lenkten rechts seitwärts ab. Da die Augen der
Armee aber ebenfalls lange Zeit mit nichts
Nahrhaftes in Berührung gekommen waren,
so wurde kurz vor Sonnenuntergang noch ein-
mal abgekocht, und wir luden die Herrschaften,
die uns so freundlich aus unfern Irrweg ge-
rettet hatten, zum Abendbrot ein. Dann fuhren
wir die ganze Nacht und fast den ganzen näch-
sten Tag hindurch, konnten aber unsere Koiu-
pagnie trotzdem nicht finden. Dagegen feierten
wir ein schmerzliches Wiedersehen mit das
stille Tannenwäldchen, wo wir die Freßkarre
zum erstenmal begegnet waren. Also waren
wir leider einen geschlagene» Tag lang in
die Runde gefahren. Was uns bei dieses
dienstliche Malheur tröstete, war die große
Annehmlichkeit, daß wir wenigstens bestimmt
nicht zu verhungern brauchten. Im Gegenteil
ernährten wir uns sehr reichlich aus unser»
Wagen und biwakierten dann, da wir zur
Abwechselung auch einmal Ruhe nötig hatte»,
in das besagte Wäldchen. De» nächsten Mor-
gen wurden wir leider auf eine sehr rüdige
Weise geweckt. Eine halbe Schwadron russische
Kavallerie war aus Versehen auf uns ge-
stoßen und machte nun in ihre Bestürzung
einen Angriff gegen unsere Streitmacht. Wir
gaben eine Salve ab, und fünf Rosse lagen

mitsamt ihre Reiter im Dreck, während die
anderen dahinstobte». Die fünfe näherten sich
uns vertrauensvoll mit hochgehobene Fingern,
und wir nahmen ihnen als Gastfreunde in
unsere Mitte auf. Hunger hatten sie reichlich,
und daher fingen die Vorräte auf unserem
Wagen sachte an knapp zu werde». Aber bis
zum Abend langten sie Gott sei Dank noch
gerade, und da trafen wir auch zu unsere
große Überraschung unverhofft bei die Kom-
pagnie ein, die inzwischen an ihre eisernen
Rationen und anderen Hungerpoten gesogen
hatte. Wir wurden schon von weitem mit
freudigen Zurufen begrüßt, wie wir aber erst
näher gekommen waren und Meldung mach-
ten, da hätten wir beinahe Keile gekriegt,
denn die Lebensmittelfuhre war zwar nach
Befehl herangeschafft, aber von Lebensmittel
befand sich auch nicht der Schatten von die
geringste Spur mehr in dieselbe.

Du siehst also, lieber Maxe, daß cs mit die
gerechte Verteilung der Nahrung auch im Felde
leider manchmal hapert. Aber wenn man ge-
legentlich ein bißchen hungern muß, dann soll
man sich mit das beglückende Gefühl trösten,
daß dafür wenigstens andere recht reichlich
satt geworden sind!

Mit diesem freundlichen Rat grüße ich Dir
aufs herzlichste als Dein

August Säge sun.. Garde-Grenadier.

Nachschrift. Gegessen habe ich vorige Woche
genug, aber diese Woche habe ich nichts zu
rauchen und sehe daher ein baldigstes ver-
ständnisvolles Lebenszeichen von Dir mit Ver-
gnügen entgegen.

Glossen..

Die Lebensmittelfrage bringt täglich die un-
glaublichsten Widersprüche hervor. Ist es nicht
zum Beispiel eine Ungereimtheit, daß man
einerseits über größten Pfeffermangel klagt,
andererseits aber die Preise für alles täglich
gepfefferter werden?

In die größte Aufregung geriet kürzlich der
langjährige Vorstand des Vegetariervereins
„Kopfsalat". Ein guter Frcund halte ihm zum
Geburtstag eine ganze Fleifchkarte verehrt!
 
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