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. 9237

Dort, wo ein Kreuz mit dem Erlöser stand,
Ein armer Narr saß an des Weges Rand
Mit wunden Füßen und mit wundem Sinn:

»Ich bin gewandert wohl landauf, landab:

Es führte mich mein ruheloser Stab
Auf diesem bunten Sterne her und hin.

»Ich ging auf Bergen, und ich schritt im Tal,
Ich wanderte durch Nacht und goldnen Strahl,
Die Liebe suchend, die dein Mund verhieß:

»In armen Kirchen Hab' ich dein gedacht:

Ich lauschte in den Tempeln voller Pracht,
Wo dich die Schar der Beter tönend pries.

Die Wölfe.

Von Karl Bröger.

Man hat im Lazarett viel Zeit zum Er-
zählen, und es ivird darum auch viel erzählt.
Zwar kennt jeder Soldat den Krieg und weiß/
daß überall scharf geschossen wird. Von der
Schießerei will man deshalb auch nicht viel
hören. AufmerksameZuhörer finden aber immer
Geschichten, in denen irgendein merkwürdiger
menschlicher Zug zum Vorschein kommt.

In unfern Saal kam eines Tags mit andern
ein westpreußischer Grenadier, den es
ziemlich schwer am rechten Bein er-
wischt hatte. Ein sehr ruhiger, ver-
schlossener Mensch, dem man jedes
Wort mit der Zange aus dem Mund
holen mußte. Die ersten acht Tage
redete er überhaupt außer den üblichen
Grüßen keinen Ton und horchte nur
immer mit unbeweglichem Gesicht, was
die andern zu sagen hatten. Daß manch-
mal kaum glaubliche Räubergeschichten
verzapft wurden, hatte er bald begriffe».

Wir wunderten uns daher nicht we-
nig, als Kamerad Tomschik sich eines
Abends umständlich räusperte und nach-
dem er einigemal Luft geschnappt hatte,
in dem etwas einengenden Tonfall
seiner Heimat begann:

„Das war im Dezember 15. So um
Weihnachten, wenn's stimmt. Wir la-
gen damals in der Nähe von Lida.

Kein schöne Kante, Kameraden! Eine
Gegend, wo sogar die Wanzen Läuse
haben. . . . Stellung war nicht. Sie
wurde noch gebaut. Wir mach ten Alarm-
unterkünfte in elenden Russennestern,
wo uns die Läuse alle Haare vom Kopfe
gefressen haben. Jeden dritten Tag kam
man auf Feldwache, immer so drei
Truppen mit einem,Spieß' oder einem
Offizierstellvertreter als Wachhaben-
den. Abends gondelten wir los, mar-
schierten zwei Stunden und lösten die
alte Wache ab. Dann ging das Ver-
gnügen an, die Posten aufzusuchen.

Es war damals grimmig kalt und die
Kerls verkrochen sich in allen Löchern.

Geflucht wurde nicht wenig, bis-man
sie da aufgestöbert hatte— Ich und
mein Kamerad Kruschke — er ist auch
schon draufgegangen — löste» Doppel-

* Ostermorgen. ❖

Von Ernst Pceczang.

»Ich saß auf Märkken und am stillen Herd:
Horcht' in den Sälen, wo die Weisheit lehrt,
Und ging mit Toren brüderlich zu Tisch:

»Mit lustigen Kumpanen hielt ich aus
Am Wein- und Kartenlisch, im Dirnenhaus,
Und ah mit Mönchen den geweihten Fisch.

»Mich schreckte Kerker und Spelunke nicht:
Ich sah den Hunger zitternd vor Gericht
Und arme Seelen, die um Gnade schrien:

»Sah blinde Eitelkeit, vertierte Macht,-
Sah Blut und Tod und feige Niedertracht:
Sah grimmen Haß aus Menschenaugen sprühn.

----O--

Posten 3 ab, der an einer Straßenkreuzung
stehen sollte. Bon der Kreuzung war nichts
zu sehen, und wir sielen uns bald Hals und
Bein kaputt, bis wir den Posten fanden. Der
lag in einer Schneewehe an der Böschung,
weil der Wind dort nicht gar so grimmig
zog... . Die ersten zwei Stunden war nichts
passiert. Die Russenposten standen an einem
Waldeck. Wahrscheinlich lagen sie auch hinter
einem Busch und wünschten den Krieg und die
Kälte zum Teufel... . Um 3 Uhr früh zogen
Kruschke und ich zum zweitenmal auf. Weil

»Und hörte, hörte, wie dein Name sang
Darüberhin in Spruch und Orgelklang:

Ein flehendes, unsterbliches Gedicht-

»Und fand die Welt doch deines Geistes stumm:
Trieb mich in ihr mit heißer Seele um
Und fand die Liebe, deine Liebe, nicht.

»Ich schau dich an: Nun glänzt im Morgenstrahl
Von deinem Bild der Nägel blut'ges Mal,
Und Tropfen blinken rot im goldnen Schein—

»Horch! ... Wieder läuten sie das Ostern ein.
Und ist mir doch, du guter Herre Christ,

Als ob du ganz umsonst gestorben bist.«

wir nun den Weg wußten, ging die Geschichte
viel einfacher als das erstemal. Wir traten
uns die Beine etwas in den Leib, dösten
etwas vor uns hin und kippten dazwischen
die Buddel, denn ein guter Schnaps ist eine
Gabe Gotles. Nach einer halben Stunde stieß
mich Kruschke in die Rippen und deutete in die
Nacht. Man konnte kaum die Finger vor den
Augen sehen. Über das Brachfeld neben uns
huschten Schalten, kaum zu unterscheiden vom
Boden. Nur wenn sie auf uns zukamen, fun-
kelten eine ganze Reihe Lichter wie glühende
Kohlen auf. Dazwischen ein heiseres
Schnaufen, Jappe» und Schnarchen.
Das ging in einem Kreis um uns her-
um, der immer enger wurde. Ich sah
Kruschke an, der mir heiser zuraunte:
.Wölfe!'

„Da hockten wir in der Falle. Den
Augen nach zu urteilen, mußte es ein
hübsches Rudel sein, das da seine blöd-
sinnige Polonaise vor uns tanzte. Plötz-
lich kracht ein Schuß aus dem Wald,
und gleichzeitig geht ein lautes Geschrei
los. Aus dem Wald stürze» die rus-
sischen Posten, laufen gerade auf uns
zu und feuern dazu ihre Büchsen blind-
lings nach allen Seiten ab. Hinter
ihnen her hetzt ein Schwarm Wölfe,
die bei jedem Schuß auseinanderstieben,
aber nur für einen Augenblick. Wir
haben beide einen Gedanken, Kruschke
und ich. Raus aus der Böschung und
hineingeschoffen in die Wölfe, was Zeug
hält. Hinter uns trappt es durch die
Nacht her. Das ist die Feldwache, von
unserm Schießen alarmiert. Aus dem
Wald drüben komme» zehn, fünfzehn
Russen heraus, und bald sind wir —
Deutsche und Russen durcheinander —
im schönsten Kesseltreiben auf das eklige
Viehzeug. Neben mir schießt ein baum-
langer Russe und klopf: sich vor Wonne
auf die Schenkel, wenn ein Wolf in den
Schnee kollert. Die Geschichte dauert
zehn Minuten, dann ist der letzte Wolf
imWald verschwunden. Sieben vonden
Racker» bleiben auf dem Feld liegen.

„Wir, Deutsche und Russen, waren
während der Treibjagd durcheinander-
geraten. Jetzt sahen wir uns gegen-
seitig an, doch fiel es keinem ein, auf
den andern zu schießen. Wir trennten

Graf Ferdinand Zeppelin.

Geboren am 8. Juli 1838, gestorben am 8. März 1917.

Anläßlich der Zeppelinfahrt am 29.August 1909 nach Berlin schrieb
der „Vorwärts": Wie groß oder wie klein sich immer die soziale
Bedeutung des Sieges über die Luft Herausstellen mag — sinnen-
fälliger hat sich noch nie ein Erfolg der Technik offenbart, mit höherem
Stolze ist noch nie ein Triumph des Menschengeistes empfunden wor-
den! Die Eroberung der Luft ist das Wahrzeichen des Sieges über
widerstrebende Naturgewalten, die Verheißung des endlichen Sieges
der Vernunft und des festen Menschenwillens über alle Hemmnisse!
 
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