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Großmutter erzählt.
»Erzähl' ein Märchen, recht neu und sein!
Wir bitten dich, lieb Großmlltkerlein.«
Ein Lächeln überfliegt das Gesicht
Der Alten, wie sie leise spricht:
»Es war einmal eine Kinderschar,
Die sättigte sich immerdar.
Die Kuh gab Milch ohne Ankerlaß:
Die Wangen wurden nicht schmal und blaß —
»Es gab einmal nicht nur Brok und Salz,
Nein.Fleisch und Eier undBukker und Schmalz,
Kartoffeln gab's in großen Massen,
And auch in Zucker konnte man prassen.
Die K nder riefen: »Das ist uns bekannt.
DaS Märchen ist's vom Schlaraffenland!
Doch laß die dummen Märchen nun sein —
Erzähl' uns was Mahres, lieb Groszmütterlein!«
»Es war einmal eine glückliche Zeit —
Da war rings Friede weit und breit.
Da blieb der Baler schaffend zu Haus,
Er mußte nicht in den Krieg hinaus.
o
Kohlenknappheit.
Ein armer Sünder kam unlängst ans Höllen-
tor und verlangte Einlaß. „Was?" schrie der
Teufet, „das könnte Ihnen wohl so passen in
dieser Jahreszeit! Nichts da! Hier ist keine
Wärinestube! Sogar im Tode wol-
len Sie die Kohlennot für sich aus-
nützen! Wir haben jetzt Betriebs-
beschränknng — verstanden?"
Zu einem Vertreter der anderen
Fakultät, einen, Pfarrer, kam in der
gleichen Zeit ein Bettler mit fol-
gender Klage: „Ach, Herr Pastor,
mich friert so. Möchten Sie nicht
durch eine angemessene Spende ein
paar feurige Kohle» auf meinem
Haupte sammeln?"
Kriegsgewerbe.
Siebentrilt & Co. hatten Streit
miteinander wegen derKunstmarme-
lade. „Den Schwindel mach'ich nicht
mehr mit!" rief der „Co." theatra-
lisch und nahm seine» Hut. „Ich geh'
zur Staatsanwaltschaft!"
Siebentritt brüllte: „Wagen Sie's,
dann laß ich Sie hochgehen wie
England den Zaren!"
Petersburger Blitzlichter.
Auch derneueZar „Liberalismus"
wird bald genug abdanken.
Die alte Ordnung war rasch
wiederhergestellt: die Bevölkerung
hungert wieder!
Seine Unterdrücker ist der Russe
los; jetzt muß er sich vor Betrügern
in acht nehmen.
Soviel steht heute schon fest: die
Revolution hat» den Krieg zum
Krüppel geschossen.
Der Rausch der Freiheit in den
liberalen Köpfen wird mit dem
Magen der Revolution nicht lange Spaß trei-
ben können.
her Chef mehrerer deutscher Regimenter. Ob
ich mich da nial melde?"
Auf seiner Flucht geriet der Zar in ein arm-
seliges russisches Bauernhaus. Es war Nacht
und das einzige kleine Licht erlosch.
Der Zar fuhr auf und sprach be-
deutend: Ein Licht erlischt!" „Wir
hatten nur Tranfunzeln in Ruß-
land, Väterchen!" entschuldigte de-
mütig der Bauer.
Schadenfreude.
In einem Berliner Vorort wur-
den Kohlrüben abgeladen. Zwei
schon ein wenig deutsch sprechende
russische Gefangene mußten dabei
mithelfen. In einer Arbeitspause
meinte schinunzelnd der eine: „Müßte
Brott sein — alles!"
Der andere nickte ihm zu. Dann
nahn, auch er das Wort, grinsend
auf den Kohlrübenberg deutend:
„Muß sich jetzt Zar fressen ....
ist auch gefangeu!"
Organisation.
Es war einmal ein Mensch wie
viel andere auch, — mit zwei Bei-
nen, Kopf, Händen und Magen; —
der letztere war sein wichtigster Teil
— in diesen kritischen Tagen.
Als das Fleisch erst knapper und
knapper ward, — da spürt er ein
menschliches Rühren — und tröstete
sich mit der Litanei: — „wir sind
erst am Organisieren!"
Auch das Fett ging aus, und
das Brot ward knapp, — wenn
der Riemen auch mächtig geschnürt
war. - Die schönsten Sachen ver-
schwanden gar schnell, — weil alles
ja organisiert war.
Nun fehlte es schließlich an gu-
tem Bier, — das Obst, die Kar-
toffel verschwindet. — So schön
war alles organisiert, — daß man's
nur »och im Lexikon findet.
Den Magen hat schließlich der
gute Mensch — sich an Paragraphen
verdorben — und war, als man beinah' ins
reine kam — an Organisationen gestorben.
Revolutions-Äistörchen.
Als der Revolutionsminister Miljukow dem
Zaren das Abdankungsdekret überreichte, da
seufzte der Herrscher aller Reußen: „Einst
spielt' ich mit Zepter und Krone —" „Maje-
KM uns siegen!
reirtmet
’ die
Kriegsanleihe
stät," unterbrach ihn der Minister, „mit sol-
chen Sachen spielt man auch nicht!"
Ein Fortschritt ist sicher: die Bevölkerung
bekommt nicht mehr Kugeln statt Brot, son-
dern Phrasen
„Kein Geld, keine Stellung mehr!" mur-
melte der letzte Romanow. „Hm, da fällt
mir etwas ein: ich bin doch noch von früher
Kriegsweisheit.
Es kann der Frönnnste nicht im Frieden leben,
wenn's dem Bezirkskommando nicht gefällt!
Großmutter erzählt.
»Erzähl' ein Märchen, recht neu und sein!
Wir bitten dich, lieb Großmlltkerlein.«
Ein Lächeln überfliegt das Gesicht
Der Alten, wie sie leise spricht:
»Es war einmal eine Kinderschar,
Die sättigte sich immerdar.
Die Kuh gab Milch ohne Ankerlaß:
Die Wangen wurden nicht schmal und blaß —
»Es gab einmal nicht nur Brok und Salz,
Nein.Fleisch und Eier undBukker und Schmalz,
Kartoffeln gab's in großen Massen,
And auch in Zucker konnte man prassen.
Die K nder riefen: »Das ist uns bekannt.
DaS Märchen ist's vom Schlaraffenland!
Doch laß die dummen Märchen nun sein —
Erzähl' uns was Mahres, lieb Groszmütterlein!«
»Es war einmal eine glückliche Zeit —
Da war rings Friede weit und breit.
Da blieb der Baler schaffend zu Haus,
Er mußte nicht in den Krieg hinaus.
o
Kohlenknappheit.
Ein armer Sünder kam unlängst ans Höllen-
tor und verlangte Einlaß. „Was?" schrie der
Teufet, „das könnte Ihnen wohl so passen in
dieser Jahreszeit! Nichts da! Hier ist keine
Wärinestube! Sogar im Tode wol-
len Sie die Kohlennot für sich aus-
nützen! Wir haben jetzt Betriebs-
beschränknng — verstanden?"
Zu einem Vertreter der anderen
Fakultät, einen, Pfarrer, kam in der
gleichen Zeit ein Bettler mit fol-
gender Klage: „Ach, Herr Pastor,
mich friert so. Möchten Sie nicht
durch eine angemessene Spende ein
paar feurige Kohle» auf meinem
Haupte sammeln?"
Kriegsgewerbe.
Siebentrilt & Co. hatten Streit
miteinander wegen derKunstmarme-
lade. „Den Schwindel mach'ich nicht
mehr mit!" rief der „Co." theatra-
lisch und nahm seine» Hut. „Ich geh'
zur Staatsanwaltschaft!"
Siebentritt brüllte: „Wagen Sie's,
dann laß ich Sie hochgehen wie
England den Zaren!"
Petersburger Blitzlichter.
Auch derneueZar „Liberalismus"
wird bald genug abdanken.
Die alte Ordnung war rasch
wiederhergestellt: die Bevölkerung
hungert wieder!
Seine Unterdrücker ist der Russe
los; jetzt muß er sich vor Betrügern
in acht nehmen.
Soviel steht heute schon fest: die
Revolution hat» den Krieg zum
Krüppel geschossen.
Der Rausch der Freiheit in den
liberalen Köpfen wird mit dem
Magen der Revolution nicht lange Spaß trei-
ben können.
her Chef mehrerer deutscher Regimenter. Ob
ich mich da nial melde?"
Auf seiner Flucht geriet der Zar in ein arm-
seliges russisches Bauernhaus. Es war Nacht
und das einzige kleine Licht erlosch.
Der Zar fuhr auf und sprach be-
deutend: Ein Licht erlischt!" „Wir
hatten nur Tranfunzeln in Ruß-
land, Väterchen!" entschuldigte de-
mütig der Bauer.
Schadenfreude.
In einem Berliner Vorort wur-
den Kohlrüben abgeladen. Zwei
schon ein wenig deutsch sprechende
russische Gefangene mußten dabei
mithelfen. In einer Arbeitspause
meinte schinunzelnd der eine: „Müßte
Brott sein — alles!"
Der andere nickte ihm zu. Dann
nahn, auch er das Wort, grinsend
auf den Kohlrübenberg deutend:
„Muß sich jetzt Zar fressen ....
ist auch gefangeu!"
Organisation.
Es war einmal ein Mensch wie
viel andere auch, — mit zwei Bei-
nen, Kopf, Händen und Magen; —
der letztere war sein wichtigster Teil
— in diesen kritischen Tagen.
Als das Fleisch erst knapper und
knapper ward, — da spürt er ein
menschliches Rühren — und tröstete
sich mit der Litanei: — „wir sind
erst am Organisieren!"
Auch das Fett ging aus, und
das Brot ward knapp, — wenn
der Riemen auch mächtig geschnürt
war. - Die schönsten Sachen ver-
schwanden gar schnell, — weil alles
ja organisiert war.
Nun fehlte es schließlich an gu-
tem Bier, — das Obst, die Kar-
toffel verschwindet. — So schön
war alles organisiert, — daß man's
nur »och im Lexikon findet.
Den Magen hat schließlich der
gute Mensch — sich an Paragraphen
verdorben — und war, als man beinah' ins
reine kam — an Organisationen gestorben.
Revolutions-Äistörchen.
Als der Revolutionsminister Miljukow dem
Zaren das Abdankungsdekret überreichte, da
seufzte der Herrscher aller Reußen: „Einst
spielt' ich mit Zepter und Krone —" „Maje-
KM uns siegen!
reirtmet
’ die
Kriegsanleihe
stät," unterbrach ihn der Minister, „mit sol-
chen Sachen spielt man auch nicht!"
Ein Fortschritt ist sicher: die Bevölkerung
bekommt nicht mehr Kugeln statt Brot, son-
dern Phrasen
„Kein Geld, keine Stellung mehr!" mur-
melte der letzte Romanow. „Hm, da fällt
mir etwas ein: ich bin doch noch von früher
Kriegsweisheit.
Es kann der Frönnnste nicht im Frieden leben,
wenn's dem Bezirkskommando nicht gefällt!