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9255 *—

ententeforgen um Rußland.

„Wenn uns Rußland flöten geht, ist der amerikanische Ersatz
für die Katz!"

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Ich bin der Schreiner Säge
Und hoble am ersten Mai:

Weicht nicht vom graden Wege,

Die Welt wird wieder frei!

Ich wirke für den Frieden
Und hoble am Menschenrecht,

Daß keiner sei Herr hinieden
Und keiner ein Herrenknecht!

England hat tüchtige Drahtzieher in allen
Weltteilen angestellt; aber sie verstehen nur die
Kunst, Draht von England zu ziehen.

Es geht den fernen gelben Chinamann
Europas Kriegsgetöse gar nichts an;

Und dennoch folgte er John Bulls Idol —

Der „Sohn des Himmels" ivard des Teufels wohl?

Die Deutschen sind doch das schrecklichste Volk unter de» Völkern,
denn sie haben, wie man täglich von der Entente hört: alle fünf
Weltteile überfallen!

Klugsch-gibt es gar so viel.

Sie schaffen täglich wacker;

Wenn nur ihr Stoff verwendbar wär'

Als Düngung für den Acker!

Nach der Bibel hat Jesus von Nazareth mit fünf Broten und zwei
Fische» fünftausend Menschen gespeist. Solch ein Wunder iönnlen wir
in dieser Zeit auch brauchen.

Ihr getreuer Säge, Schreiner und Landstürmer.

Geschehnisse nicht wahr sein mag, sondern
bloße Renommage gewesen ist, womit man
in jene altersgraue Vorzeit das hiesige däm-
lige Volk imponieren wollte.

Mit diese Wahrscheinlichkeit küsse ich Dir
tausendnial als Dein getreuer Bräutigam

August Säge jun., Garde-Grenadier.

Nachschrift. Wenn Dir mal wieder das
Bedürfnis überkommen sollte, etwas für das
Wohlbefinden der deutschen Wehrkraft zu leisten,
so schicke mir, bitte, nicht mehr von die letzte
Zigarrensorte mit Kohlrüben-Deckblalt und
ditto Einlage, sondern eine etwas menschen-
freundlichere Nummer.

Großstadt-Frühling.

Der Dichter stimmt die Leier: Hurra,

Der Großstadt-Frühling ist wieder da!

Im ewig strömenden klegenwetter
Gedeihen prächtig die - Extrablätter,

Und neue Polizeiparagraphen

Regeln das Gehen, das kltmen, das Schlafen.

Der Frühling zog in die Lande schon;

Denn kleiner wird die Brotration.

Der lvinters vermißte Rohlenmann
Rückt endlich mit dem Vorrat an.

Es kommen als holde Frühlingsgaben
Die Veilchen — und neue Bodenkohlraben.

Die Rase wird zum Wasserfall,

Katarrhe blühen allüberall.

Oer ganze Frühling ist für die Ratz:

Ruch er ist ja nur ein Frühlmgs-„Lrsatz".
Dem Dichter entgleitet die Leier, - ach ja,
Der Großstadt-Frühling ist wieder da! 4.

Neutrale Sprichwörter.

Wer sich in Gefahr begibt, - versendet
Entrüstungstelegramme.

In der Not frißt der Teufel — englische
Vorschriften.

Was du nicht willst, daß man dir tu —
das füge ruhig Deutschland zu.

Lieber Jacob!

Wer et in de jejeuwärtije jroße Zeit »ich
versteht, aus jede Blume Honig zu saugen,
der muß sich ebent ohne Honig behelfen. Denn
zu haben is sonst keener, sondern bloß kunst-
voller Sießstoff, der mir im Magen kneift.
Aus diesen Jruude is jetz det Saugen an
alle Blieten Mode jeworden, un et bekommt
de meisten Zeiljenossen Jott sei Dank recht
jut. De oogenblicklichen Transportschwierig-
keeten sind zum Beispiel for de meisten Jroß-
Berliner 'n Maleehr, un det Umziehen is so
ziemlich unmeeglich jeworden. Dadraus saugen
aber de Friedenauer Hausajrarjer ihren Honig,
indem det se beschlossen haben, durchweg de
Mieten zu steijern, un det nich zu knapp. Een
schlesischer Biedermann von's Land ärjert sich
knollig, weil et in de Städte Leite jibt, die
manchmal in't Theater jehen. Aber er saugt
aus seinen Ärjer Honig un erklärt effentlich
in de Schlesische Volkszeitung: „Keen Stick
Fleesch u» keen Fund Butter schicke ick in de
Stadt, ehe det nich alle Theater zujeuiacht
sind!" Ärjer macht häßlich, aber selber fressen
macht fett, un wenn de jroße Zeit noch lange
dauert, dann wird der Schlesinger aus de
Pelle platzen. Wat mir selber anbetrefst, so
habe ick schon seit Monaten keene Fische nich

mehr zu sehen jekriegt, außer in Konserven-
bichsen, wo se von menschenfreindliche Fabri-
kanten in eenen jraulichen Zustand denatura-
lisiert worden sind. Aber ick freie mir doch,
det unser Majistrat sich endlich dazu uffje-
schwungen hat, de Preise for frische Sieß-
wasserfische herunterzusetzen. Jeder Berliner
kennte se von jetz ab schon for janz billijes
Jeld koofeu. Ick habe mir det Zeitungsblatt,
wo det jedruckt drinsteht, sorgfältig verwahrt,
un wenn mir de Sehnsucht nach'» polnischen
Karpfen iebermannt, denn nehme ick et vor
un sauge an de nahrhaftste Majistratsverord-
nung — indem det sonstwo noch immer keene
Fische leider nich zu haben sind. Jetz fängt
et ooch draußen sachteken an wärmer zu wer-
den, un de Menschheit mechte jerne Ausflieje
in de ländliche Natur machen. AberdeHamster-
sahrten sind soebent mit strenge Leibesstrafen
untersagt. Also wat Wohlschmeckendes is von
de Spritzturen nich mehr zu hoffen, un de
Mehrzahl der Berliner is deshalb falsch un
stehlt sich beschorlemmert un bleibt Sonntags
zu Hause bei ihre kommunalen Razjonen. Ick
bin aber nich so, sondern ick mache mit meine
Olle in'n Jrunewald un lagere mir an'n
Hundekehlensee un freie mir, det keene Spur
von Stullenpapier nich mehr rumliegt, un
nehme aus meine Pulle 'n Schluck Kaffeeersatz
aus jetrocknete Kohlriebe» un sichle mir en-
schieden neiorjenliert. So sauge ick ooch aus
diese neieste pollezeiliche Maul- u» Magen-
sperre Honig un habe mir bereits zum per-
fekten Naturschwärmer entwickelt.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jelreier Jotthilf Rauke,

a» ’« Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Redattwnsschiutz is. April isn,
 
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