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rädern, gezogen von rassigen Pferden. Plump
und schwerfällig holpert ein Lastwagen da-
neben her oder fliegt ein Auto dahin. Die
Großstadtluft ist durchtränkt von einer Mi-
schung Benzingestank und parfümierten Wohl-
gerüchen.
Vor mir an der Auslage stehen einfache
Frauen, Arbeiterinnen, deren Männer wohl
draußen an der Front die Wache halten auf
Leben und Tod. Die Frauen komme» von der
Fabrik, es ist für heute Feierabend
und Zahltag.
„Schau nur die wunderhübschen
Blusen", meint die eine, und ihr
Arm streckt sich im Lichtschein.
„Das sind seidene Blusen", sagt
die andere drauf mit einem Seufzer.
„Die kriegt man ohne Bezugs-
schein", sagt die dritte Frau so
leichthin.
„Aber halt teuer, viel zu teuer
für unsereins", ruft wie warnend
eine vierte Stimme.
„Freilich sind sie teuer. Aber ich
werde mir trotzdem eine kaufen. Ich
arbeite schwer von früh bis spät,
warum soll man den» nicht auch
einmal ein anständiges Kleidungs-
stück haben? sagt eine junge, hübsche
Frau und geht in den Laden.
„Das ist eine Verschwendung!"
höre ich plötzlich eine zornigeSlimme
neben mir rufen. Es ist eine feinge-
kleideteDame und ein eleganter Herr
ihr Begleiter. Sie wenden sich beide
um und gehen langsam an de» prun-
kenden Großstadtläden vorüber.
Eine Viertelstunde später — ich
stehe gerade vor der Auslage eines
Juweliers — treten die beiden aus
dem Goldschmuckladen.
„Oskar, du hast mir eine große
Freude gemacht! Die Garnitur ist
wundervoll! Geht es denn nicht etwas
über deine Verhältnisse!" flötet jetzt
zart und melodisch die Stimme der
„Kleinigkeit, Schatz, zweitausend!" näselt
der Herr hochmütig. Die Dame hat ei» stum-
mes, dankbares Lachen dafür. Nun gehen die
beiden langsam weiter. In ihrer warmen
Winterkleidung, in Muff und Pelzkragen,
fühlen sie nichts von dem scharfen Nordwind
und dem einsetzenden Schneegestöber.
Bei mir aber bohrt sich der scharfe Wind
durch die minder schützende Kleidung, und
die Schneesterne heften sich wie scharfe Nadeln
an Gesicht und Hände. Da mache
ich lange Beine und komkne bald
aus all der strahlenden Herrlichkeit
der Hauptstraße in die engen Gassen
des grauen Alltags. Da bin ich
daheim.
Im Dorf.
Von Iwan Turgenjew.
Der letzte Juli. . . . Auf tausend
Werst dehnt sich rings das Russen-
land, die heimische Erde.
... Ringsumher erheben sich Hau-
fen frischgemühten, wohlriechenden
Heues. Kindliche Krausköpfe luge»
aus jedem Haufen empor.
Blondhaarige Bauernburschen
hänseln einander in kecker Wechsel-
rede, wobei ihre weißen Zähne blitzen.
Bor mir steht eine greise Bäuerin
in ihrem karrierten Linnenrock.
Freundlich lächelnd hält sie mir
mit ihrer sonnverbrannten Hand
einen Topf mit unabgerahmter Milch
entgegen. Die Linke bietet mir eine
große Schnitte frischen Brotes. „Iß
nur, lieber Gast, Gott segne Dir's!"
O herrlicher Wohlstand, Friede,
Überfluß des freien russischen Dorfes!
O heilige Stille, hehrer Segen!
Und ich denke: Was soll uns da
noch ein Kreuz auf der St. Sophien-
kuppel in Byzanz und all das an-
dere Zeug, nach dem wir so eifrig
trachten!
Dame. Welcher Gegensatz! Wie scharf und
zornig klang sie doch vorhin bei dem Ausruf
vor dem Kleiderladen: das ist Verschwendung!
Statt aller Antwort zwiebelt der feine Herr
seinen Schnurrbart und bietet der Reichbe-
schenkten mit vornehmer Geste den Arm. Einen
Augenblick bleiben sie im Lichterglanze vor
der» Laden stehen.
„Wie hoch war der Aufwand?" fragt die
Dame ganz leise, kaum daß ich es noch höre.
Wer voll England ißt, stirbt daran.
(Der englische Gesandte Buchanan lind der abgedankte Zar.)
Das kommt davon, wenn man England die Schuhe putjt
❖ Verlag von Z.h. lv.vietz Nachf. G.m.b.H. in Stuttgart. *
Wir empfehlen die nachstehend angezeigle Literatur über Rußland,
deren Verfasser 1908 aktiv an der russische» Revolution teilgenommen
haben und heute noch teilnehmen.
Dar Proletariat und die russische Revolution. L«: 'kü
170 Seiten Oktav. Preis gebunden M. i .10.
Die Lage der arbeitenden Masse in Rußland. ZLstLfL
der Hand amtlicher und privater Untersuchungen und der Berichte der Fäbrtk-
inspektoren von 1861 bis in die heutige Zeit. Von K, A. Pashitnow. VIII und
803 Seiten Oktav. Preis gebunden M. 3.20.
Die Agrarfrage in Rußland.
low. XIII und 265 Seiten Oktav. Preis gebunden M. 3.20.
R. Tschernyschewrky. ®eitcn
Michael Yakunin. 128 Seiten Dtta0'
Sechzehn Jahre in Sibirien.
fasser bat, von seinem tragischen Stoff gedrängt, seiner Schilderung einen straffen
künstle rischen Gehalt gegeben, eine Steigerung, die uns bcini Anblick der vielen
düsteren Bilder kaum zum Aufatmen kommen läßt. . . . Das Buch wird von neuem
die Parteigenossen mit Bewunderung für die russischen Helden erfüllen, von neuem
zu Protesten gegen den russischen Knulen-Absolutismus anspornen."
„Vorwärts", Berlin.
Von demselben Verfasser ist erschienen:
AMtffAltAH VIII und 190 Seiten Oktav. Preis gebunden M. 2.20.
VivlilHÜ vlllftvlfvll. Wir erleben än der Hand seiner Darstellung mit ihm
die Revolution selbst und gewinnen dabei einen liefen Einblick in die treibenden
Kräfte der Revvlitiionärc sowohl wie der Reaktion.
Wer selbst neben der Tageszeitung eine alle vierzehn Tage erschei-
nende Zeitschrift lesen möchte, die alle wichtigsten Vorgänge im Jn-
nnd Ausland vom sozialdemokratischen Standpunkt aus beleuchtet, viele
Stimmen ails delii Felde >n>d anregendes Unterhaltungsmaterial ent-
hält, iver seinen Angehörigen und Freunden im Felde eine besondere
Freude bereiten will, der bestelle bei der Post die
Sozialdemokratische Feldpost.
Für nur SV Pfennig vierteljährlich.
Wie die feldgrauen Genossen über die „Sozialdemokratische Feldpost" urteilen:
Musketier Schroof: Diese Feldpost ist das Schönste, was es gibt. Eine Erbauung
trotz der traurigsten Stunden, die man hier erlebt. Uns enger verbindend mit dem,
was unsere Hoffnung. Ten Weg weisend, und zugleich geistiger Stoff, den man hier
leider sehr entbehren mutz,
Landsturmmann Gustav Otto: Die „Sozialdemokratische Feldpost" ist bei meinen
Kameraden beliebt wie selten eine Zeitung oder ein Fachblatt.
Matrose Ülug. Lampe: Die „Feldpost" hat inehr bet den Kameraden gewirkt
a>» meine fast zweijährigen Auseinandersetzungen. Ich selbst habe hieraus viel Krast
gewonnen, zu jeder Zelt eine Auseinandersetzung aufzunehmen.
Gefreiter Pauktest: Ein wohltätigeres.Werl könnten Sie nicht vollbringen, als
uns so ein Labsal ins Feld zu senden. Lange erwarteten wir etivas Derartiges, denn
alle anderen Zeitungen konnten uns den Mint und die Erfrischung nicht bringen, die
wir so nötig brauchen. In der „Sozialdemokratischen Feldpost" finden wir sie, und
deshalb haben wir alle solch großes Vertrauen zu ihr.
jißS~ Mehr als 25000 derartige begeisterte Anerkennungen erhielten
o>e Herausgeber der „Sozialdemokratischen Feldpost" in kurzer Zeit aus
dem Felde! — Verlangen Sie kostenlose Probenummern vom
Verlag für Sozialwissenschaft G.m.b.H.
Berlin SW 68, Lindenstraße 114.
Vorzügliches Jnsertionsorgan! Glänzende Referenzen.
rädern, gezogen von rassigen Pferden. Plump
und schwerfällig holpert ein Lastwagen da-
neben her oder fliegt ein Auto dahin. Die
Großstadtluft ist durchtränkt von einer Mi-
schung Benzingestank und parfümierten Wohl-
gerüchen.
Vor mir an der Auslage stehen einfache
Frauen, Arbeiterinnen, deren Männer wohl
draußen an der Front die Wache halten auf
Leben und Tod. Die Frauen komme» von der
Fabrik, es ist für heute Feierabend
und Zahltag.
„Schau nur die wunderhübschen
Blusen", meint die eine, und ihr
Arm streckt sich im Lichtschein.
„Das sind seidene Blusen", sagt
die andere drauf mit einem Seufzer.
„Die kriegt man ohne Bezugs-
schein", sagt die dritte Frau so
leichthin.
„Aber halt teuer, viel zu teuer
für unsereins", ruft wie warnend
eine vierte Stimme.
„Freilich sind sie teuer. Aber ich
werde mir trotzdem eine kaufen. Ich
arbeite schwer von früh bis spät,
warum soll man den» nicht auch
einmal ein anständiges Kleidungs-
stück haben? sagt eine junge, hübsche
Frau und geht in den Laden.
„Das ist eine Verschwendung!"
höre ich plötzlich eine zornigeSlimme
neben mir rufen. Es ist eine feinge-
kleideteDame und ein eleganter Herr
ihr Begleiter. Sie wenden sich beide
um und gehen langsam an de» prun-
kenden Großstadtläden vorüber.
Eine Viertelstunde später — ich
stehe gerade vor der Auslage eines
Juweliers — treten die beiden aus
dem Goldschmuckladen.
„Oskar, du hast mir eine große
Freude gemacht! Die Garnitur ist
wundervoll! Geht es denn nicht etwas
über deine Verhältnisse!" flötet jetzt
zart und melodisch die Stimme der
„Kleinigkeit, Schatz, zweitausend!" näselt
der Herr hochmütig. Die Dame hat ei» stum-
mes, dankbares Lachen dafür. Nun gehen die
beiden langsam weiter. In ihrer warmen
Winterkleidung, in Muff und Pelzkragen,
fühlen sie nichts von dem scharfen Nordwind
und dem einsetzenden Schneegestöber.
Bei mir aber bohrt sich der scharfe Wind
durch die minder schützende Kleidung, und
die Schneesterne heften sich wie scharfe Nadeln
an Gesicht und Hände. Da mache
ich lange Beine und komkne bald
aus all der strahlenden Herrlichkeit
der Hauptstraße in die engen Gassen
des grauen Alltags. Da bin ich
daheim.
Im Dorf.
Von Iwan Turgenjew.
Der letzte Juli. . . . Auf tausend
Werst dehnt sich rings das Russen-
land, die heimische Erde.
... Ringsumher erheben sich Hau-
fen frischgemühten, wohlriechenden
Heues. Kindliche Krausköpfe luge»
aus jedem Haufen empor.
Blondhaarige Bauernburschen
hänseln einander in kecker Wechsel-
rede, wobei ihre weißen Zähne blitzen.
Bor mir steht eine greise Bäuerin
in ihrem karrierten Linnenrock.
Freundlich lächelnd hält sie mir
mit ihrer sonnverbrannten Hand
einen Topf mit unabgerahmter Milch
entgegen. Die Linke bietet mir eine
große Schnitte frischen Brotes. „Iß
nur, lieber Gast, Gott segne Dir's!"
O herrlicher Wohlstand, Friede,
Überfluß des freien russischen Dorfes!
O heilige Stille, hehrer Segen!
Und ich denke: Was soll uns da
noch ein Kreuz auf der St. Sophien-
kuppel in Byzanz und all das an-
dere Zeug, nach dem wir so eifrig
trachten!
Dame. Welcher Gegensatz! Wie scharf und
zornig klang sie doch vorhin bei dem Ausruf
vor dem Kleiderladen: das ist Verschwendung!
Statt aller Antwort zwiebelt der feine Herr
seinen Schnurrbart und bietet der Reichbe-
schenkten mit vornehmer Geste den Arm. Einen
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der» Laden stehen.
„Wie hoch war der Aufwand?" fragt die
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Wer voll England ißt, stirbt daran.
(Der englische Gesandte Buchanan lind der abgedankte Zar.)
Das kommt davon, wenn man England die Schuhe putjt
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Wir empfehlen die nachstehend angezeigle Literatur über Rußland,
deren Verfasser 1908 aktiv an der russische» Revolution teilgenommen
haben und heute noch teilnehmen.
Dar Proletariat und die russische Revolution. L«: 'kü
170 Seiten Oktav. Preis gebunden M. i .10.
Die Lage der arbeitenden Masse in Rußland. ZLstLfL
der Hand amtlicher und privater Untersuchungen und der Berichte der Fäbrtk-
inspektoren von 1861 bis in die heutige Zeit. Von K, A. Pashitnow. VIII und
803 Seiten Oktav. Preis gebunden M. 3.20.
Die Agrarfrage in Rußland.
low. XIII und 265 Seiten Oktav. Preis gebunden M. 3.20.
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die Revolution selbst und gewinnen dabei einen liefen Einblick in die treibenden
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nnd Ausland vom sozialdemokratischen Standpunkt aus beleuchtet, viele
Stimmen ails delii Felde >n>d anregendes Unterhaltungsmaterial ent-
hält, iver seinen Angehörigen und Freunden im Felde eine besondere
Freude bereiten will, der bestelle bei der Post die
Sozialdemokratische Feldpost.
Für nur SV Pfennig vierteljährlich.
Wie die feldgrauen Genossen über die „Sozialdemokratische Feldpost" urteilen:
Musketier Schroof: Diese Feldpost ist das Schönste, was es gibt. Eine Erbauung
trotz der traurigsten Stunden, die man hier erlebt. Uns enger verbindend mit dem,
was unsere Hoffnung. Ten Weg weisend, und zugleich geistiger Stoff, den man hier
leider sehr entbehren mutz,
Landsturmmann Gustav Otto: Die „Sozialdemokratische Feldpost" ist bei meinen
Kameraden beliebt wie selten eine Zeitung oder ein Fachblatt.
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a>» meine fast zweijährigen Auseinandersetzungen. Ich selbst habe hieraus viel Krast
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uns so ein Labsal ins Feld zu senden. Lange erwarteten wir etivas Derartiges, denn
alle anderen Zeitungen konnten uns den Mint und die Erfrischung nicht bringen, die
wir so nötig brauchen. In der „Sozialdemokratischen Feldpost" finden wir sie, und
deshalb haben wir alle solch großes Vertrauen zu ihr.
jißS~ Mehr als 25000 derartige begeisterte Anerkennungen erhielten
o>e Herausgeber der „Sozialdemokratischen Feldpost" in kurzer Zeit aus
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