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9320 —•

Der neue Kurs.

„Wir fahren in wildbewegter See.“
Reichskanzler Michaelis.

Gewiss: die Wässer dieser Zeit,

Die schlummern nicht im TDondlicbttraum;
Der Wind gebt scharf; der Cag, er schreit.
Dndumunssprüben8ch1ammund5chaum.
6s lauern barte Riffe
In dieser wildbewegten 5lut,

Und steuerst du nicht fest und gut,

Dann gnade Gott dem Scbiffe!

Gin neuer Kurs? (Dir sind dabei.

Der alte ging uns oft zu quer.

Dur, bitte: vorwärts frisch und frei,
Kein Schwanken und keinZögern mehr!
Wer zaghaft und beklommen
Huf Rai und Tintenfische schaut
Und fürchtet, was im Dunkel braut,
Der kann nicht weiterkommen!

Und weil so laut die Zeiten sind
Und voll Erwartung Mann und Maat,
Uerballen Worte tot im ÜJind,

Und Glauben findet nur die Tat!
Willst du den Sturm beschwören,

So spanne aus am Mast das Tuch,
Und was dir Unheil schien und Slucb,
Wird dir als Kraft gehören!

„Mir fahren in bewegter See!“
Wohlan, so trage denn der Kiel
Die volkerlösende Idee
Dur um so schneller an das Ziel!

Jetzt hilft nicht mehr lavieren!

Drum richte deinen Blick voraus
Und lass in Hot und Tod und Graus
Die grade Sabrt uns spüren!

Pan.

„Anabhängig."

Wenn uns die Feinde loben, ist es recht.
Wenn sie uns tadeln ist es schlecht,

Drum wüten unentwegt wir gegen eignes Blut,
Denn „Unabhängigkeit" ist unser höchstes Gut.

Or

Rinematographie im Reichstag

im Juli 1917.

1.

3.

Der neue Reichskanzler.

Feldpostbriefe.

LXXVII.

Lieber Maxe! Wieso ich noch immer nicht
das Eiserne Kreuz habe, fragst Du mir, und
ich kann Dir darauf nur antworten, daß es
mit das Kreuz folgende Bewandtnis hat- Wenn
man tapfer ist, kann man es kriegen, und wenn
man Glück hat, muß man es kriegen. Aber
was das Glück anbetrifft, so hat das manch-
mal seinen Haken, und das dienstliche Pech
ist in gewisse Hinsicht auch nicht zu verachten-

Zum Beispiel heute vor acht Tagen war
gemeldet worden, daß in das vor uns liegende
Gelände vom Feinde etwas geplant werde,
denn es seien bereits hohe militärische Tiere
an den dortigen Frontabschnitt eingetroffen.
Es wurde sogar Sarrail selber erwartet.

Unsere Division bekam den Befehl, die Herr-
schaften mit einen Besuch zu überraschen, ehe
daß sie mit ihre gastlichen Veranstaltungen
fertig ivaren. Mein Regiment sollte in die
Reserve bleiben und erst im entscheidenden
Augenblick zwischenpfeffern. So was pflegt
immer eine Gelegenheit zu persönliche Aus-
zeichnungen für die Mannschaften zu sein.

Also die Division schlängelte sich vorwärts,
und wir blieben zurück und mußten bis auf
weiteres unsere Heldenhaftigkeit bezähmen.

Bedauerlich war bloß, daß es dabei nicht das
geringste zu präpeln gab. Wenn wir auch
keine Schrapnelle brummen hörten, so konnten
wir wenigstens ganz deutlich unseren Magen
knurren hören. Diese dienstliche Beschäftigung
dauerte einen ganzen Tag und eine halbe
Nacht, wo dann das Regiment gegen Morgen
endlich den Befehl zum Nachrücken bekam.
Während die Futterluken sich auf ein baldiges
Zusammentreffen mit die bisher unsichtbar
gebliebenen Gulaschkanonen verspitzten, totste
sich der verhaltene Tatendrang in heftig
juckende Knopflöcher aus. Aber bald sahen
wir unsere Hoffnungen nach beide Richtungen
hin in Essig verfließen. Die Division hatte
reinliche Arbeit gemacht, und der böse Feind
war in der wildesten Flucht Hals über Kopf
auf der ganzen Linie ausgerückt. Meine Kom-
pagnie kriegte den Auftrag, in einem Front-
abschnitt Nachlese zu halten, ob noch irgendwo
feindliche Überreste kleben geblieben waren.

Kurz vor Sonnenuntergang endlich stieß
meine Abteilung — ein Leutnant und fünf-
zehn Mann — in einem kleinen Gehölz auf
ein sehr anständig aussehendes Häuschen, vor
dem eine Standarte aufgepflanzt war. Der
Leutnant besah sich die Angelegenheit durch
sein Glas und stellte fest, daß hier ein feind-
licher Generalstab oder noch was Höheres
liegen mußte. „Wahrscheinlich ist er von dem
Vormarsch unserer Division überrascht wor-
den," meinte der Leutnant, „und hat nicht
mehr auskneifen gekonnt." Mit alle vorschrifts-
mäßigen dienstlichen Zeremonien näherten wir
uns das Gebäude. Die Knopflöcher klafften
uns schon weit auf, denn jetzt war jeden das
Eiserne sicher! Mein Freund Fritze Lehmann
aus die Ackerstraße mit drei Kameraden wurde
behutsam vorgeschickt, um das Nähere auszu-
kundschnften. Sie gelangte» unbehindert in
das Haus, und nach eine halbe Minute kam
unser Fritze kreidebleich retourgelaufen und
stotterte die dienstliche Meldung: „Herr Leut-
nant, ein langer gedeckter Mittagstisch mit
viele Pullen Wein drauf!" „Sonst nichts?"
„Zu Befehl, Herr Leutnant: zwei Braten, eine
Schüssel Suppe, vier Töpfe Marmelade, ein
ganzer Käse, sechs — —" „Lehmann, Sie ver-
 
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