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9325

Festtafel bei Denizelos.

„Und jetzt, meine Herren, kommt der Nachtisch: Griechenland hat an Deutschland
den Krieg erklärt!"

Laufkran, an dem die große Guß-
pfanne hing, und zog diese vor
den Ofen. Schweigend folgten
die anderen.

Meister Lenz und der Former
faßten kräftig an die beiderseiti-
gen, an den Enden mit großen
Kurbeln versehenen langen Griff-
stangen, die gleichzeitig zum Kip-
pen der Pfanne dienten. Der
Schmelzer stieß mit einem zuge-
spitzten Baum den Lehmpsropfen
von der Auslauföffnung, und
hervor schoß die glühende Me-
tallflüssigkeit.

Die Pfanne war halb gefüllt,
als plötzlich die Sirene zu heulen
begann, langgezogen und un-
unterbrochen.

„Da haben wir's," murmelte
der Ingenieur wütend und ein
ganz klein wenig verstört.

„Flieger in Sicht," riefen die
vorbeilaufenden Arbeiter, die.
wie vorgeschrieben war, in die
Keller und Gewölbe eilten.

„Na, Schröder, zum Donner-
wetter, so stopfen Sie doch wie-
der, Sie sehen ja, daß die Pfanne
gleich überläust."

Der Schmelzer, der vor sich
hin gestiert hatte — ihm stand
das grausige Bild von damals
vor Augen —, fuhr zusammen
und, einen großen Lehmklumpen
auf den Baum legend, schob er
diesen in die Öffnung. Der Glut-
strom versiegte. „In der Stadt wär's mir
einerlei," sprach Schröder wie zu sich selbst,
„aber hier, mir wird übel bei der Sirene, ich

weiß nicht-wir sind ja das Ziel, und

ein Unglück gibt's wieder."

„Zum Henker, quarren Sie nicht wie'» altes
Weib, Schröder. Ran an die Kranführungs-
kette! Na, wird's bald, Memme?" schrie Lenz.
Der Riese gehorchte, aber seine Zähne schlu-
gen aufeinander.

Die Pfanne war noch nicht ganz bei der
Form angelangt, da begannen die in der Nähe
aufgestellten Abwehrkanonen und das Ma-
schinengewehr zu feuern; jedoch fast in dem-
selben Augenblick geschah eine gewaltige De-
tonation, daß mehrere Scheiben des Ober-
lichtes sprangen und klirrend in die Gießerei
fielen. Schröder stand wie gelähmt, dann ließ
er die Kette los, und wie von Furien gehetzt
rannte er davon.

Lenz und der Oberingenieur waren eben-
falls erblaßt, unsicher und halb fragend blickte
letzterer in das Gesicht des Meisters. Der
aber gab sich einen Ruck. „Zum Teufel! Die
Marine gebraucht den Flügel, und dieseBombe
tut uns nichts mehr; was, Wischers?"

„Schon gut, Meister," antwortete der Former,
bei der Kanonade kaum verständlich. Er sah
aus wie immer, nur seine Pupillen erschienen
sehr groß.

Und nun hing die Pfanne über dem Trichter,
und Wischers wie Lenz packten die Griffe fester,
als vom Tor her einige schrille Schreie er-
tönten. Dort stand ein kleines verhutzeltes
Männchen, ein halbblödes Individuum, das

als Feger und Handlanger einen Gnadenlohn
bezog. „Draußen, draußen liegt Meister Menge,
aber nur die Mütze, die Mütze ist zu erkennen,
Blut und Erde, viel — —" Fort war er,
aber die ganze Erscheinung des Blöden und
die Nachricht, die er brachte, hatte für die
ohnehin erregten Gemüter in diesem Augen-
blick etwas unsagbar Grauenhaftes.

Und doch, Kraft und Pflicht siegten noch
einmal. Wortlos bogen der Meister und der
kleine Former die schwere Pfanne um. Bro-
delnd und dampfend ergoß sich der Metall-
brei in die Öffnung. Halb war die Pfanne
geleert. Da, — ein Krach, so fürchterlich, daß
die Erde sich zu spalten schien. Gelbe und
blaue Gase erfüllten die Luft, schwere Steine
und Eiseuteile flogen umher; wie von einer
Riesenhand eingedrückt, neigte sich die eine
Wand der Gießerei und stürzte polternd nach
innen.

„Die Schweißerei!" riefen der Ingenieur
und der Meister zu gleicher Zeit, „das Karbid-
lager, der Wasserstoff und Sauerstoff!"

Und nun war kein Halten mehr. Durch den
stickigen, fast undurchdringlichen Qualm von
Mörtel, Gas und Chemikalien ging's hinaus
ins Freie und dann in das nächste Gewölbe.
Deutlich waren von hier aus weitere Explo-
sionen der Gasflaschen zu hören.

„Unsere schöne Form," war das erste, was
Meister Lenz sagte, „ein Jammer ist's."

Noch eine Detonation, und daun, nach einer
Minute wie abgeschnitten, hörte die Kano-
nade auf. Die ersten Waghalsigen stürzten
nach draußen, sie sahen noch, wie das Flug-

zeug, sich überschlageud, zur Erde
sauste. Das donnernde Hurra
rief auch die anderen herbei.

Während Sanitäter die Leiche
des erschlagenenMeistersMenge
bargen, eilten der Oberingenieur
und Lenz zu ihrer verwüsteten
Gießerei. Unterwegs hielt der
Ingenieur den anderen plötzlich
an. „Wischers! — haben Sie
Wischers gesehen?"

Lenzwurdekreidebleich.„Nein,
in dem Schrecken. Der ist nicht
mitgekommen. Den hat's auch!"

Langsam setzten sie nun ihren
Weg fort. Bis auf die einge-
stürzte Wand sah es doch nicht
so schlimm aus, wie die beiden
befürchtet hatten. Kaum wag-
ten sie nach der Flügelform zu
blicken. Da, wie angewurzelt
blieben beide stehen, denn heil
und lebendig kam ihnen der
kleine Former entgegen. Sein
Gesicht war ruhig wie immer,
aber seine Augen glänzten.

„Wischers," schrie der In-
genieur, „Mensch! Gottes Glück,
Sie leben! Wo haben Sie ge-
steckt?"

„Ich Hab' den Flügel fertig
abgegossen, Herr Oberingenieur.
Die Pfanne war nicht mehr so
schwer, ich konnt's allein schaffen.
Es ist alles in Ordnung," war
die einfache Antwort.

Konservatives Wiegenliedchen.

Von E. Kl.

Schlaf, deutscher Michel, mein Liebling bist du!
Laß dir nicht stören die himmlische Ruh.

Ob auch die Welt aus den Angeln sich hebt —
Glücklich, wer schlummernd in Träumen nur

lebt!

Schlaf, deutscher Michel — dort draußen ist

Krieg!

Blutig geht's da um Erob'rung und Sieg.
Opfre du fleißig dein Gut und dein Blut —
Stell' alles andre in unsere Lut!

Schlaf, deutscher Michel — was nützt dir

das Recht?

Freiheit und Gleichheit bekommen dir schlecht.
Bist solche kräftige Kost nicht gewöhnt —
Innerer Friede allein nur versöhnt!

Schlaf, lieber Michel — du bist nur ei» Kind!
Glaube, auch wir sind dir freundlich gesinnt.
Später, ach später, wenn alles vorbei,
Machen wir dich wie 'nen Vogel so frei!

Schlaf, lieber Michel — und halte das Maul!
Freiheitsgezeter, das ist uns ein Graul.
Schrecklich verletzt solch Getös unser Ohr!
Blödsinn und Frechheit, so kommt es uns vor!

Schlaf,-lieber Michel — und bist du nicht still,
Rur bis zum Frieden bezähm' dein Gebrüll!
Kräftig dann drück' ich die Kehle dir zu ---
Schlaf, süßer Michel, mein Liebling bist du!
 
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