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und hoffnungsfroh at-
mete das russische Volk
auf, einem neuen Leben
entgegen, das nun kom-
men sollte und kommen
mußte. ,
*
Kerenskiwälzte sich un-
ruhig auf seinem Lager.
Er fühlte die Kraft eines
Perseus in sich, nicht nur
sein Volk von den Fes-
selndes blutigen Henker-
tums zu befreien, son-
dern es auch auf Bahnen
zu leiten, die eine Wie-
derkehr des verhaßten
Knutenregiments un-
möglich machen sollten.
Die gesegneten Fluren
des heiligen Rußlands
mußten dieHeimat einer
großen Völkergemein-
schaft werden, die alle
Schlacken eines alten und
neuen Barbarentums
von sich abstreifen würde,
um die Kirche der Zu-
kunft aufzurichten, in der
dem Völkerfrieden und
der Arbeit eine Stätte zu
bereiten wäre, allen Völ-
kern der Erde zur Freude
und Nacheiferung.
Ein lichter Schein fiel
aus Kerenski, eine maje-
stätische Gestalt näherte
sich seinem Lager und
legte ihre Hand auf die
Stirn des Volksmannes.
„Fürchte dich nicht,
mein Sohn, ich komme
als der Schutzgeist des
russischen Volkes zu dir
in der Stunde der Ent-
scheidung; wo deine Wege richtig sind, will'
ich dir helfen und abmahnen, wo sie falsch
sind und ins Verderben führen."
„Ja ja, ich erkenne dich, Matuschka Rossija;
hilf mir, , hilf deinen Russen, damit diesmal
derKampf kein vergeblicher sein und uns wieder
ins Verderben reißen möge."
„Deshalb bin ich zu dir gekommen, mein
Sohn. Habe Vertrauen zu mir und eröffne
nur dein Herz."
„Mein Ziel kenne ich, aber die zu ergrei-
fenden Mittel sind mir noch dunkel, und da
sollst du mir helfen, die richtigen zu finden."
„Zuerst, mein Sohn, mußt du Frieden
machen. Den kannst du sofort habe», unbe-
kümmert darum, was England und Frankreich
dazu sagen. Sobald du fest auf deinem Friedens-
willen bestehst, veranlaßt du vielleichtauch den
allgemeinen Frieden und gewinnst damit ein
weiteres Verdienst um die leidende Menschheit
im Westen.
„Ist das geschehen, dann hast du freie Hand
int Innern. Schicke deine Bauernsoldalen in
die Heimat, damit sie das Land bestellen, um
Rußland vor Hungersnot zu schützen; teile
ihnen Land zu von den großen Gütern; gib
ihnen das, was sie bei der Bauernsreilassung
Sankt Michael.
Michel, drauflos, zu unserm Glück,
Vielleicht machst du dein Meisterstück!
zu wenig bekommen haben, und noch mehr
dazu. Dann wird auch ins russische Dorf wie-
der Zufriedenheit einziehen.
„Sodann enteigne die Krön- und Schatullen-
güter des Zaren zugunsten der verwundeten
und verkrüppelten Bauernsoldaten und der
Familien der Gefallenen. Du erfüllst damit
eine Ehrenpflicht und befreist die alten Bauern-
gemeinden von einer unerträglichen Belastung.
Dabei gewinnst du die russischen Bauern als die
besten Verteidiger der Neuordnung der Dinge."
„Großartig, einfach und leicht durchführbar,"
murmelte Kerenski. „Aber das gilt nur für die
Bauern'; was fange ich aber mit den Ar-
beitern an?"
„Nichts leichter als das. Enteigne ruhig alle
Fabriken und Bergwerke zugunsten der Re-
volution, gewähre den Arbeitern den Acht-
stundentag und einen auskömmlichen Durch-
schnittslohn, und du wirst sehen, daß Rußland
— abgesehen von der Rüstungsindustrie - an
keinem nützlichen Gegenstand Mangel leiden
wird. Alle Menschen können befriedigt werden."
„Wie sollen wir aber unsere Schulden til-
gen, die riesengroß angewachsen sind?"
„Na," meinte Matuschka Rossija, „damit
laß dir den Kopf nur nicht warm machen. Eine
Das Kriegskind.
Hast deinen Vater nie gekannt.
Weißt nicht dies Zauberwort —
Als du zum Dasein dich gewandt.
Da war er liingst schon fort.
Auch er sah nie dein Angesicht,
Strich nie die Locke» dein —
Ihn hielt die rauhe, harte Pflicht
Da draußen iiberm Rhein.
SLtt' gern dein Lallen mal gehört.
Dein Lächeln froh gesehn —
Run ist sei» schönster Traum zerstört
Im blut'gcn Untergehn.
Run ruht er mit im großen (grab.
Von Träne» überschwemmt —
Der Mann, der dir das Leben gab.
Er bleibt dir ewig fremd! Ernst Klaar.
neue Zeit erfordert neue
Mittel, und eine Zah-
lungseinstellung ist so-
gar ein altes Mittel,
das du ruhig anwenden
kannst, da es keinen Ar-
ni en trifft. In d iesenl Fall
ist jeder sich selbst der
Nächste, — und Rußland
ist so groß, daß es alles,
was es hraucht, selbst
erzeugt und daher von
keinem abhängig ist."
„Was werden aöer
unsere Bundesgenosse»,
die fest auf uns bauen,
dazu sagen?"
„Auf diese Frage sollst
du dich nicht einlassen.
Wenn es nach denen
ginge, könnte Rußland
bis auf den letzten Mann
verhungern. Sie und der
Zar haben Rußland ins
Verderben gerissen, aus
dem wir uns jetzt wieder
erheben. Die Schuldkette
muß vernichtet werden,
dann erst kann von einem
freien Rußland die Rede
sein." , .
*
Am nächsten Tag hielt
der frühere Advokat Ke-
renski im Arbeiter- und
Soldatenrat eine große
Rede über Bundeslrene
und die beginnende Of-
fensive. Er ließ sich zum
Diktator ernennen und
holte die Requisiten des
Zarentums aus denWin-
keln wieder hervor, wo
sie die Revolution hin-
geschleudert hatte. Knute
und Galgen triumphierten, und russische Kugeln
durchbohrten wieder russischcHerzen.DerHexen-
sabbat begann, und die Machthaber in London,
Paris, Rom und New Jork freuten sich dessen.
Matuschka Rossija aber stieg wieder hinab in
das Dunkel, wo sie sich viele Jahre hatte ver-
bergen müssen, um zu trauern über ihr Ruß-
land, das so nahe der Erlösung sich aufs neue
in Banden schlagen ließ.
und hoffnungsfroh at-
mete das russische Volk
auf, einem neuen Leben
entgegen, das nun kom-
men sollte und kommen
mußte. ,
*
Kerenskiwälzte sich un-
ruhig auf seinem Lager.
Er fühlte die Kraft eines
Perseus in sich, nicht nur
sein Volk von den Fes-
selndes blutigen Henker-
tums zu befreien, son-
dern es auch auf Bahnen
zu leiten, die eine Wie-
derkehr des verhaßten
Knutenregiments un-
möglich machen sollten.
Die gesegneten Fluren
des heiligen Rußlands
mußten dieHeimat einer
großen Völkergemein-
schaft werden, die alle
Schlacken eines alten und
neuen Barbarentums
von sich abstreifen würde,
um die Kirche der Zu-
kunft aufzurichten, in der
dem Völkerfrieden und
der Arbeit eine Stätte zu
bereiten wäre, allen Völ-
kern der Erde zur Freude
und Nacheiferung.
Ein lichter Schein fiel
aus Kerenski, eine maje-
stätische Gestalt näherte
sich seinem Lager und
legte ihre Hand auf die
Stirn des Volksmannes.
„Fürchte dich nicht,
mein Sohn, ich komme
als der Schutzgeist des
russischen Volkes zu dir
in der Stunde der Ent-
scheidung; wo deine Wege richtig sind, will'
ich dir helfen und abmahnen, wo sie falsch
sind und ins Verderben führen."
„Ja ja, ich erkenne dich, Matuschka Rossija;
hilf mir, , hilf deinen Russen, damit diesmal
derKampf kein vergeblicher sein und uns wieder
ins Verderben reißen möge."
„Deshalb bin ich zu dir gekommen, mein
Sohn. Habe Vertrauen zu mir und eröffne
nur dein Herz."
„Mein Ziel kenne ich, aber die zu ergrei-
fenden Mittel sind mir noch dunkel, und da
sollst du mir helfen, die richtigen zu finden."
„Zuerst, mein Sohn, mußt du Frieden
machen. Den kannst du sofort habe», unbe-
kümmert darum, was England und Frankreich
dazu sagen. Sobald du fest auf deinem Friedens-
willen bestehst, veranlaßt du vielleichtauch den
allgemeinen Frieden und gewinnst damit ein
weiteres Verdienst um die leidende Menschheit
im Westen.
„Ist das geschehen, dann hast du freie Hand
int Innern. Schicke deine Bauernsoldalen in
die Heimat, damit sie das Land bestellen, um
Rußland vor Hungersnot zu schützen; teile
ihnen Land zu von den großen Gütern; gib
ihnen das, was sie bei der Bauernsreilassung
Sankt Michael.
Michel, drauflos, zu unserm Glück,
Vielleicht machst du dein Meisterstück!
zu wenig bekommen haben, und noch mehr
dazu. Dann wird auch ins russische Dorf wie-
der Zufriedenheit einziehen.
„Sodann enteigne die Krön- und Schatullen-
güter des Zaren zugunsten der verwundeten
und verkrüppelten Bauernsoldaten und der
Familien der Gefallenen. Du erfüllst damit
eine Ehrenpflicht und befreist die alten Bauern-
gemeinden von einer unerträglichen Belastung.
Dabei gewinnst du die russischen Bauern als die
besten Verteidiger der Neuordnung der Dinge."
„Großartig, einfach und leicht durchführbar,"
murmelte Kerenski. „Aber das gilt nur für die
Bauern'; was fange ich aber mit den Ar-
beitern an?"
„Nichts leichter als das. Enteigne ruhig alle
Fabriken und Bergwerke zugunsten der Re-
volution, gewähre den Arbeitern den Acht-
stundentag und einen auskömmlichen Durch-
schnittslohn, und du wirst sehen, daß Rußland
— abgesehen von der Rüstungsindustrie - an
keinem nützlichen Gegenstand Mangel leiden
wird. Alle Menschen können befriedigt werden."
„Wie sollen wir aber unsere Schulden til-
gen, die riesengroß angewachsen sind?"
„Na," meinte Matuschka Rossija, „damit
laß dir den Kopf nur nicht warm machen. Eine
Das Kriegskind.
Hast deinen Vater nie gekannt.
Weißt nicht dies Zauberwort —
Als du zum Dasein dich gewandt.
Da war er liingst schon fort.
Auch er sah nie dein Angesicht,
Strich nie die Locke» dein —
Ihn hielt die rauhe, harte Pflicht
Da draußen iiberm Rhein.
SLtt' gern dein Lallen mal gehört.
Dein Lächeln froh gesehn —
Run ist sei» schönster Traum zerstört
Im blut'gcn Untergehn.
Run ruht er mit im großen (grab.
Von Träne» überschwemmt —
Der Mann, der dir das Leben gab.
Er bleibt dir ewig fremd! Ernst Klaar.
neue Zeit erfordert neue
Mittel, und eine Zah-
lungseinstellung ist so-
gar ein altes Mittel,
das du ruhig anwenden
kannst, da es keinen Ar-
ni en trifft. In d iesenl Fall
ist jeder sich selbst der
Nächste, — und Rußland
ist so groß, daß es alles,
was es hraucht, selbst
erzeugt und daher von
keinem abhängig ist."
„Was werden aöer
unsere Bundesgenosse»,
die fest auf uns bauen,
dazu sagen?"
„Auf diese Frage sollst
du dich nicht einlassen.
Wenn es nach denen
ginge, könnte Rußland
bis auf den letzten Mann
verhungern. Sie und der
Zar haben Rußland ins
Verderben gerissen, aus
dem wir uns jetzt wieder
erheben. Die Schuldkette
muß vernichtet werden,
dann erst kann von einem
freien Rußland die Rede
sein." , .
*
Am nächsten Tag hielt
der frühere Advokat Ke-
renski im Arbeiter- und
Soldatenrat eine große
Rede über Bundeslrene
und die beginnende Of-
fensive. Er ließ sich zum
Diktator ernennen und
holte die Requisiten des
Zarentums aus denWin-
keln wieder hervor, wo
sie die Revolution hin-
geschleudert hatte. Knute
und Galgen triumphierten, und russische Kugeln
durchbohrten wieder russischcHerzen.DerHexen-
sabbat begann, und die Machthaber in London,
Paris, Rom und New Jork freuten sich dessen.
Matuschka Rossija aber stieg wieder hinab in
das Dunkel, wo sie sich viele Jahre hatte ver-
bergen müssen, um zu trauern über ihr Ruß-
land, das so nahe der Erlösung sich aufs neue
in Banden schlagen ließ.