9362
Stockholm — Würzburg.
Zum Parteitag.
Unsre Blicke sind nach Norden gewandt.
Dort hält Hoffnung die Flügel ausgespannt.
Wann wird sie fliegen? ...
Wenn ihr die hadernde Welt versöhnt,
ist unser Werk wie nie vorher gekrönt.
Laßt den Frieden siegen!
Die ihr zu ernstem Tun versammelt seid,
haltet dem Frieden eine offene Türe bereit
und verschließt euch dem Streit. .. .
Millionen Augen aus Front und Fabrik
schauen auf euch mit hoffendem Blick.
Alle erwarten das große Wort: Einigkeit!
Daß ihr der blutenden Welt den Frieden bringt,
daß uns das größte Werk der Zeit gelingt,
muß Hand in Hand wieder liegen. ...
Brüder! Genossen! Es steht unsre Welt auf dem Spiel,
drum die Herzen empor zu unsrem herrlichen Ziel....
Laßt den Frieden siegen! KarlBröger.
Stresemanns Umfall.
„Ich sei. gewährt mir die Bitte,
In eurem Bunde der Dritte!"
Feldpostbriefe.
LXXXII.
Lieber Maxe! In Dein letztes Liebespaket,
das ich gut erhalten habe, waren die Zigarren,
»bgleich sie nicht zu meine Lieblingssorte ge-
hörten, doch entschieden genießbarer wie der
beigelegte Brief mit den politischen Inhalt,
der mir sehr unangenehm berührt hat.
Also Du bist mit die Partei nicht zufrieden,
weil sie die Regierung zu viel bewilligt und
nicht auf dem Frieden hiuarbeitet, und unsere
Zeitungen sind Dir schon lange nicht scharf
genug. Wenn ich Dir daraufhin erklären wollte,
daß Du ein Rindvieh bist, so würde ich Dir
nichts Neues sagen, und ich sehe deshalb mit
Rücksicht auf die Papierersparnis von diese
bekannte Tatsache ab. Wenn Du aber glaubst,
daß Du mir mit Deine politische Schneidig-
keit imponieren könntest, so fächelst Du Dir
mit einen beklagenswerten Irrwisch. Denn
wir alle hier in die vorderste Linie wissen,
was für heldenhafte Politiker tausend Kilo-
meter hinter die Front in die Partei ihr
Wesen treiben, und wir sind schon lange davon
überzeugt, daß wir selbst mit unsere schwerste
Artillerie gegen Eure Trommelfeuerschnauzen
nicht anstinken können. Wenn ich mir aber
trotzdem die Mühe unterziehe. Dir als poli-
tischen D. U. ein Schützengrabenlicht aufzu-
stecken, so kannst Du das meine langwierige
Freundschaft zugute halten.
Du bist die unmaßgebliche Meinung, wenn
die Partei die Regierung keine Kriegsmittel
nicht bewilligen würde, dann müßte eben
Frieden geschlossen werden. Also wie stellst
Du Dir das in die dienstliche Wirklichkeit
eigentlich vor? Wir bekommen hier keine Mu-
nition und keine Lebensmittel nicht mehr ge-
liefert, und dann erklären die Russen: mit
Feinde, die nichts zu schießen und nichts zu
präpeln haben, kämpfen wir nicht! Sie stecken
ihre Plempen ein, entladen ihre Kanonen und
fahren zu Hause. Oder meinst Du nicht viel-
leicht, sie würden uns über den Haufen ren-
nen und Euch kluge Berliner den höheren
Kulturschliff der Entente beibringen? Lieber
Maxe, ich wünsche Dir die Erfüllung aller
Deiner Herzenswünsche, aber die Art von
internationale Verbrüderung, die die Kosaken
mit Dir und Deine Schwestern in die Nau-
nynstraße feiern würden, möchte ich Dir doch
lieber ersparen! Die Deutschen haben den
Frieden in wiederholte Rückfälle angeboten,
aber die Entente hat uns dafür noch jedes-
mal auf den Kopf gespuckt, weil ihre Draht-
zieher ganz genau wissen, daß ein Frieden,
bei den kein Sieger und kein Besiegter ist,
für sie sehr schmerzhafte persönliche Folgen
haben würde. Bei die Gasknappheit gibt es
in Paris, Rom und London genug unbenutzte
Laternenpjähle, an die ganze Ministerien Platz
haben. Deshalb reden sie ihre Völker, die ge-
nau ebenso gerne Schicht machen möchten wie
wir, faustgroße Löcher in den Bauch und
schwindeln sie vor, daß wir es mit unsere
Friedenskundgebungen nicht ehrlich meinen,
unsere besetzten Gebiete nicht herausgeben und
sie mit unerschwingliche Kriegsentschädigungen
bedrücken wollen. Und sie berufen sich dabei
auf die Handvoll alldeutsche Spalierpatrioten,
die sich in ihre Zeitungen anstellen, als ob sie
mit ihre Schnauze die ganze Welt erobern
könnten. Anstatt daß Du nun mithilfst, diese
gemeingefährlichen Ehrenmännerzubekänipfen,
willst Du die Parsei ein Bein stellen, indem
daß Du zu ihre Zersplitterung beiträgst und
ihr behinderst, mit alle Kräfte auf die Erzie-
lung eines gerechten Verständigungsfriedens
hinzuarbeiten. Lieber Maxe, sage selbst, ob
Du ein Rindvieh bist oder nicht!
Noch weniger verstehe ich, was Du unsere
Zeitungen vorwerfen tust. Daß die Redakteure
so klug sein sollen wie Du, kannst Du natür-
lich nicht verlangen. Aber wenn Du Dir in
die irrige Meinung wiegst, sie wüßten nicht,
daß es bei uns mit die Nahrungsorganisation
erheblich stukert, daß die Neuorientierung bis
heute man bloß ein schöner Traum ist und
daß die Agrarier keine erstrebenswerte Men-
schenklasse nicht sind — so unterschätzst Du die
Zeitungsschreiber denn doch.
Wenn sie das alles in die öffentlichen
Blätter nicht ebenso faustdick ausquetschen, wie
Du und Dein Stammtisch mit Eure private
Dreckschleudern es kann, dann klopfe Dir ge-
fälligst an den Dämel und erinnere Dir, daß
es für die Zeitungen noch immer eine Zensur
gibt, die ihnen zu schreiben erlauben und ver-
bieten kann, so viel oder so wenig, wie sie lustig ist!'
Im übrigen hoffe ich, daß der augenblick-
liche Würzburger Parteitag in alle diese Dinge
nach dem Rechten sehen und denen, die noch
etwas Grütze in die Kohlrübe haben, die Luken
öffnen wird. Ich rate Dir, lieber Maxe, lese
die Berhandlungsberichte mit rechte Aufmerk-
samkeit genau durch, dann wirst Du Dir über
die Beantwortung der Frage, ob Du ein Rind-
vieh bist, nicht mehr im Ungewissen befinden.
In diese bestimmte Erwartung grüße ich
Dir als Dein alter Freund
August Säge jun., Garde-Grenadier.
Nachschrift. Nach die obigen Erfahrungen
ersuche ich Dir, mir mit Liebespakete zu ver-
schonen. Aber wenn Du Dir überwinden kannst»
daß'Du keine politischen Dämlichkeiten nicht
beipackst, die den Empfänger den Appetit auf
alles übrige verderben, so könntest Du mir
ruhig eine kleine Pulle Gilka veranlassen.
Stockholm — Würzburg.
Zum Parteitag.
Unsre Blicke sind nach Norden gewandt.
Dort hält Hoffnung die Flügel ausgespannt.
Wann wird sie fliegen? ...
Wenn ihr die hadernde Welt versöhnt,
ist unser Werk wie nie vorher gekrönt.
Laßt den Frieden siegen!
Die ihr zu ernstem Tun versammelt seid,
haltet dem Frieden eine offene Türe bereit
und verschließt euch dem Streit. .. .
Millionen Augen aus Front und Fabrik
schauen auf euch mit hoffendem Blick.
Alle erwarten das große Wort: Einigkeit!
Daß ihr der blutenden Welt den Frieden bringt,
daß uns das größte Werk der Zeit gelingt,
muß Hand in Hand wieder liegen. ...
Brüder! Genossen! Es steht unsre Welt auf dem Spiel,
drum die Herzen empor zu unsrem herrlichen Ziel....
Laßt den Frieden siegen! KarlBröger.
Stresemanns Umfall.
„Ich sei. gewährt mir die Bitte,
In eurem Bunde der Dritte!"
Feldpostbriefe.
LXXXII.
Lieber Maxe! In Dein letztes Liebespaket,
das ich gut erhalten habe, waren die Zigarren,
»bgleich sie nicht zu meine Lieblingssorte ge-
hörten, doch entschieden genießbarer wie der
beigelegte Brief mit den politischen Inhalt,
der mir sehr unangenehm berührt hat.
Also Du bist mit die Partei nicht zufrieden,
weil sie die Regierung zu viel bewilligt und
nicht auf dem Frieden hiuarbeitet, und unsere
Zeitungen sind Dir schon lange nicht scharf
genug. Wenn ich Dir daraufhin erklären wollte,
daß Du ein Rindvieh bist, so würde ich Dir
nichts Neues sagen, und ich sehe deshalb mit
Rücksicht auf die Papierersparnis von diese
bekannte Tatsache ab. Wenn Du aber glaubst,
daß Du mir mit Deine politische Schneidig-
keit imponieren könntest, so fächelst Du Dir
mit einen beklagenswerten Irrwisch. Denn
wir alle hier in die vorderste Linie wissen,
was für heldenhafte Politiker tausend Kilo-
meter hinter die Front in die Partei ihr
Wesen treiben, und wir sind schon lange davon
überzeugt, daß wir selbst mit unsere schwerste
Artillerie gegen Eure Trommelfeuerschnauzen
nicht anstinken können. Wenn ich mir aber
trotzdem die Mühe unterziehe. Dir als poli-
tischen D. U. ein Schützengrabenlicht aufzu-
stecken, so kannst Du das meine langwierige
Freundschaft zugute halten.
Du bist die unmaßgebliche Meinung, wenn
die Partei die Regierung keine Kriegsmittel
nicht bewilligen würde, dann müßte eben
Frieden geschlossen werden. Also wie stellst
Du Dir das in die dienstliche Wirklichkeit
eigentlich vor? Wir bekommen hier keine Mu-
nition und keine Lebensmittel nicht mehr ge-
liefert, und dann erklären die Russen: mit
Feinde, die nichts zu schießen und nichts zu
präpeln haben, kämpfen wir nicht! Sie stecken
ihre Plempen ein, entladen ihre Kanonen und
fahren zu Hause. Oder meinst Du nicht viel-
leicht, sie würden uns über den Haufen ren-
nen und Euch kluge Berliner den höheren
Kulturschliff der Entente beibringen? Lieber
Maxe, ich wünsche Dir die Erfüllung aller
Deiner Herzenswünsche, aber die Art von
internationale Verbrüderung, die die Kosaken
mit Dir und Deine Schwestern in die Nau-
nynstraße feiern würden, möchte ich Dir doch
lieber ersparen! Die Deutschen haben den
Frieden in wiederholte Rückfälle angeboten,
aber die Entente hat uns dafür noch jedes-
mal auf den Kopf gespuckt, weil ihre Draht-
zieher ganz genau wissen, daß ein Frieden,
bei den kein Sieger und kein Besiegter ist,
für sie sehr schmerzhafte persönliche Folgen
haben würde. Bei die Gasknappheit gibt es
in Paris, Rom und London genug unbenutzte
Laternenpjähle, an die ganze Ministerien Platz
haben. Deshalb reden sie ihre Völker, die ge-
nau ebenso gerne Schicht machen möchten wie
wir, faustgroße Löcher in den Bauch und
schwindeln sie vor, daß wir es mit unsere
Friedenskundgebungen nicht ehrlich meinen,
unsere besetzten Gebiete nicht herausgeben und
sie mit unerschwingliche Kriegsentschädigungen
bedrücken wollen. Und sie berufen sich dabei
auf die Handvoll alldeutsche Spalierpatrioten,
die sich in ihre Zeitungen anstellen, als ob sie
mit ihre Schnauze die ganze Welt erobern
könnten. Anstatt daß Du nun mithilfst, diese
gemeingefährlichen Ehrenmännerzubekänipfen,
willst Du die Parsei ein Bein stellen, indem
daß Du zu ihre Zersplitterung beiträgst und
ihr behinderst, mit alle Kräfte auf die Erzie-
lung eines gerechten Verständigungsfriedens
hinzuarbeiten. Lieber Maxe, sage selbst, ob
Du ein Rindvieh bist oder nicht!
Noch weniger verstehe ich, was Du unsere
Zeitungen vorwerfen tust. Daß die Redakteure
so klug sein sollen wie Du, kannst Du natür-
lich nicht verlangen. Aber wenn Du Dir in
die irrige Meinung wiegst, sie wüßten nicht,
daß es bei uns mit die Nahrungsorganisation
erheblich stukert, daß die Neuorientierung bis
heute man bloß ein schöner Traum ist und
daß die Agrarier keine erstrebenswerte Men-
schenklasse nicht sind — so unterschätzst Du die
Zeitungsschreiber denn doch.
Wenn sie das alles in die öffentlichen
Blätter nicht ebenso faustdick ausquetschen, wie
Du und Dein Stammtisch mit Eure private
Dreckschleudern es kann, dann klopfe Dir ge-
fälligst an den Dämel und erinnere Dir, daß
es für die Zeitungen noch immer eine Zensur
gibt, die ihnen zu schreiben erlauben und ver-
bieten kann, so viel oder so wenig, wie sie lustig ist!'
Im übrigen hoffe ich, daß der augenblick-
liche Würzburger Parteitag in alle diese Dinge
nach dem Rechten sehen und denen, die noch
etwas Grütze in die Kohlrübe haben, die Luken
öffnen wird. Ich rate Dir, lieber Maxe, lese
die Berhandlungsberichte mit rechte Aufmerk-
samkeit genau durch, dann wirst Du Dir über
die Beantwortung der Frage, ob Du ein Rind-
vieh bist, nicht mehr im Ungewissen befinden.
In diese bestimmte Erwartung grüße ich
Dir als Dein alter Freund
August Säge jun., Garde-Grenadier.
Nachschrift. Nach die obigen Erfahrungen
ersuche ich Dir, mir mit Liebespakete zu ver-
schonen. Aber wenn Du Dir überwinden kannst»
daß'Du keine politischen Dämlichkeiten nicht
beipackst, die den Empfänger den Appetit auf
alles übrige verderben, so könntest Du mir
ruhig eine kleine Pulle Gilka veranlassen.