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Ü31J3

Steine statt Brot in Rußland.


„Nun, Väterchen, wie steht's? Wann werden wir das versprochene Land
bekommen?"

„Davon steht nichts in der Bekanntmachung. Aber ein AgrarprograMm
hat die Regierung entworfen."

ftobelfpäne. r®

Wie auf das Rind ein rotes Tuch,

So wirkt die deutsche Friedensnote
Auf die Ententeriche ein,

Als wenn das Weltenende drohte.

Doch ist's so schlimm nicht, wie es scheint,
Wie üblich will man Zeit gewinnen.

Die blinde Wut wird legen sich
Und endlich kommt auch das Besinnen.

Auf Krieg folgt. Frieden immer noch,

Sie werden alle in sich gehen,

Und über die vertrackte Welt
Wird bald die Friedensfahne wehen.

Aus Paris kommt die Nachricht, daß vor der Wohnung Poincarss
bereits der Möbelwagen hält. ,

Wer jetzt in Deutschland von Frieden spricht.
Den packt Alldeutschland, mit Zeter
Fährt man ihn an, den Bösewicht,

Und scheltet ihn Volksverräter.

„Verräter am großen deutschen Reich,"

Und „Feiglinge", hört man sie bellen,

„Der Teufel soll holen allsogleich
Die vaterlandslosen Gesellen."

Ihr tobenden Herren werdet noch klein,

Ihr seid nicht die Vaterlandsretter,

Die stecken im Schützengraben allein
Und trotzen dem eisernen Wetter.

Mein Freund Petruschka schreibt mir auf dem Umweg über Sibirien,
daß die Russen eine Rutschpartie über die Klinge eines Rasiermessers
machen wollen. Ihr getreuer Säge, Schreiner und Landstürmer.

Die Neuorientierung.

Zaghast wie die Katze um den Brei
Schleichen sie um dieses heiße Ei,

And so mancher brave Schweppermann
Tippt es nur mit sanftem Finger an.

Jener will es auf die Spitze stellen.

Dieser möcht' die harte Schale pellen.

Weil er, sagt er, ihm ein Rührei frommt.
And ein hartes Ei ihm nicht bekommt.

Doch ein andrer, dem der Daumen brennt,
Flucht: Potz Äimmelhagelsappermentl
Macht mir nur dies schöne warme Ei
Nicht bevor es aufrecht steht entzwei.
Stürmisch werkt die unbedachte Jugend,
Vorsicht heißt die Mutter unsrer Tugend! —
And sie stehn wie der bekannte Greis
Ratlos vorm Probleme dieses Eis.

Drehn und wenden es bedächtig um
And verheißen es dem Publikum:

Rur Geduld! Wir mühn uns, wie ihr seht.
Bis das Ei ganz fest und sicher steht.

's ist notwendig, daß sich dies subtile.

Zarte Ding allmählich erst verkühle.

Man genießt es — das weiß jede Frau —,
Wenn es abgeschreckt und also lau.

fim, ja ja. Am Ende ist es so.

Spricht bedenklich da Freund Publiko:

Denn wir sehen allerdings: ihr schwitzt,
Weil ihr wie auf glühnden Kohlen sitzt.
Spürt denn niemand in der zagen Pfote
Jene weltbekannte Anekdote
Von dem Ei, dem wunderbar geschah? ...
Freilich: ein Kolumbus ist nicht da! Pec

Sprüche Buddhas.

Der Überzeugung Tempel halt in Ehren
Und schwäch' auch deines Bruders Glauben nicht!
Oie Sonne vor dir ist die ew'ge Wahrheit;

Ihr danke, ist dein Wandel tageslicht.

Sind deines Bruders Pfade karg beleuchtet,

Hat ihn die Sonne noch nicht voll erreicht,

Nur einen Lichtquell gibt's. Oes wahnes Nebel
kjält manchmal zäh, jedoch die Nacht entweicht.

Lieber Jacob!

Unter de Armeelieferanten un sonstije Di-
videnden-Aunexionisten is 'ne Friedenspanik
ausjebrochen. Se wittern et in de Luft, bet
de Belker in de jroße Zeit 'n Haar jefunden
haben un in det eiropäische Konzert 'ne andere
Walze uffziehen wollen. Det is een bitterer
Schlag for jene, un ick verdenke et sie nich,
det se jejen diese Jeschäftsstörung knollig prote-
stieren. So wat hat in einije Länder allerdings
seinen bedenklichen Haken, un wat d'Annunzio
is, der traute sich seinen „Uffruf zum Kampf
jejen de Friedensideen" man bloß aus 'n Flug-
zeig runterzuschmeißen, weil er firchtete, det
se ihm unten vertobaken mechten. Bei uns in
Deitschland is det Publikum aber nich so lei-
denschaftlich, un da konnten d'Annunzio'n
seine Jesinnungsjenossen bequem an ihre
Stammtische de neie „Vaterlandspartei" jrin-
den. Det se dabei erklärten, se hätten dieses
Monstrum ausjerechnet zu den Zweck in't Leben
jerufen, um de Parteizersplilterung in Deitsch-
land entjejenzuarbeeten, finde ick am oriji-
nellsten.

Aber zeitjemäß is el. Denn wir leben oogen-
blicklich in't joldene Zeitalter der Zersplitte-
rungen. Nich bloß det de janze Menschheit in
zwee feindliche Hälften zersplittert is un sich
jejenseitig die Knochen zersplittert, sondern
ooch in jedes Lager jibt et sjal Zersplitte-
rungen. Besonders in Rußland, wo von det
Janze zuerst der monarchische Splitter ab-
splitterte »n jetz von den iebrigjebliebenen
republikanischen Klotz sich wieder 'n Dutzend
Splitter losleesen, wat so lange dauern wird,
bis der letzte Rest man bloß noch sor de En-
tente zum Feieranmachen wird zu brauchen
sind. Aber det Splittern muß woll so in den
russischen Nationalcharakter liefen: wie Ke-
renski in'n Entscheidungskampf zog, da split-
terte er sich vorher noch rasch seine Olle ab,
wat ick bejreiflich finde; aber er ließ fick däm-
licherweise jleich eene Neie antrauen, woraus
man erkennen konnte, wat for'n Dussel dieser
sonst so talentvolle Festredner is.

Indessen man soll nich bloß de Zersplitte-
rungen im Ooge des feindlichen Bruders sehen,
sondern ooch vor seinen eijenen Hinteruffjang
fejen. Un det wird jetz hoffentlich mit jewohnte
Jrindlichkeit in Würzburg besorgt werden.
De Splitter, die schon abjeplatzt sind, meejen
ruhig in den unabhängigen Müllkasten liefen
bleiben, aber det zurechnungsfähijeJros soll sich
feste zusammenschließeu un sich'n scheenes neies
Haus bauen. Un wenn bei sowat ooch 'n paar
Splitter fliesen, so is det weiter keen Maleer
nich: Denn wo jezimmert wird, jibt et Späne!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke.

an 'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Redatttonsschtub 1. Oktober rsr?.
 
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