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9384

Flammendes Gedenken.

Es stand der Wald im Glühen
3m hell'gen Abendrot,

Wie Flammen sah ich's sprühen,
Wie jauchzend junger Tod.

Das war als wie ein Werben
Um Sieg und Glanz und Macht,
Das war als wie ein Sterben
In heil'ger Freiheitsschlacht.

Die Flammen sind verglommen.

Die Farben sind verblaßt.

Es ist die Nacht gekommen,

Der müde, stumme Gast.

Und wo erst Feuer lohten
Glüht jetzt der Sterne Licht —
Versunken sind die Toten,
Vergessen sind sie nicht! Ernst Klaar.

Die Frau am Fenster.

Am Fenster hinter dem Blättergrün
des Baumes an der Straßenecke sah man
alltäglich zwischen den weißen Vorhän-
gen ein freundliches junges Frauen-
gesicht. Beim ersten Sonnenstrahl früh-
morgens wurden die einfachen Vorhänge
etwas beiseite geschoben, der Frauen-
blondkopf stand hinter der Scheibe, und
zwei Helle Augen grüßten das Tageslicht.

Dann ging die Frauengestalt rückwärts,
bückte sich und hob einen vielleicht drei-
jährigen Buben ans Licht der Morgen-
sonne, und nun begann ein kurzes, her-
ziges Spiel zwischen Mutter und Sohn.

Einige Minuten später saß die Frau
mit vorgebeugtem Oberkörper über der
Nähmaschine und der Bub bei seinem
Spielzeug. Dazwischen hob sich der
Frauenkopf hinterm Fenster zuweilen
und sah nach der Uhr hin.

Wenn draußen die Kirchenglocke acht Helle,
metallene Töne schlug, kam der Briefbote regel-
mäßig um die Ecke in die Straße hinein. Da
ruhte die Nähmaschine ein Viertelstündchen,
die Frau eilte die Treppen hinab, schaute nach
der Briefpost und kam mit der Botschaft des
Mannes von der Front in die Stube zurück,
las den Brief oder die Karte zweimal, drei-
mal und erzählte dem Buben vom Vater.
Gleich saß der Blondkopf auf dem Arme der
Mutter, patschte lustig die Händchen zusam-
men, und ein silberhelles Kinderlachen gab der
Mutter Trost bei ihrer einsamen Arbeit. Sur-
rend sang die Nähmaschine ihr Lied vom Fleiß
der armen Leute.

So gingen die Sommertage hin, einer wie
der andere. Auf dem Baume drüben kreischten
die Stare, ein Fink schlug immer wieder die-
selben hellen Töne, und beim offenen Fenster
saß die Frau an der Nähmaschine. Das sonst
freundliche Gpsicht der Frau trübte sich, wenn
hie und da einmal die Post vom Manne
längere Zeit auf sich warten ließ. Einmal
dauerte es gar drei Wochen. Es kam halt
keine Nachricht, und bange Sorge lag auf dem
Gemüt der Näherin.

Unterdessen wurde es Spätsomnier und lang-
sam fielen einzelne rostfarbene Blätter vom
Baume drüben. Der Dreijährige spielte drun-

Die deutsche Eiche.

Uralter Eichbaum, in den Lüften droben
Rauscht deine Krone, deine Wurzeln dringen
Ties in der Erde Schoß: O dich bezwingen
Erdbeben nicht und nicht der Stürme Toben.

Und will des Winters Frost die Macht erproben.
Auch ihn laß wohlgemut nur mit dir ringen.

O du mein Ebenbild in allen Dingen!

Roch jede Unbill ist an dir zerstoben!

Du hältst dich immer auf demselben Grunde,

Du kennest nie ein Weichen oder Wanken:

Du streckst als eine Land zum Freundesbunde
Dankbare Wurzeln in der Erde Flanken.

ten mit dem dürren Laubwerk und brachte
einige schön rotfarbige, große Blätter in die
Stube der Mutter.

Da bemerkte der Kleine die Traurigkeit der
Mutter und brachte ein paar fragende Worte
hervor.

Wieder schrillte dieHausglocke, und der Brief-
bote brachte Nachricht vom Vater. Die letzte.
Mit bleichem Gesicht stand die Frau am Fenster
und las. Die Härte des Schicksals stand da,
ganz nüchtern und alltäglich. Langsam sank
die Hand mit dem Papier und suchte einen
Halt an der Nähmaschine. Zwei feuchte
Frauenaugen sahen hinaus zum Fenster,
hinüber gingen die Blicke ins sterbende,
herbstlich gefärbte Blätterwerk. Vorm Sterben
glühte das Leben dort blutigrot. Die trauri-
gen Gedanken der Schauenden eilten aber
fort, weit fort.

Während die scheidende Abendsonne drüben
die Fenster an der Straßenfront noch einmal
mit Sonnengold überflutete und in den Schei-
ben ihr eigenes Bild hundertmal widerspie-
gelte, faßte die Näherin alle innere Kraft
zusammen. Dem Buben mußte sie eine feste
Stütze sein.

Das Bild der Frau am Fenster gab diesem
Gedanken Ausdruck. Das bleiche Gesicht trug
jetzt die Züge einer harten Zeit. L.P.

Das friedliche Wunderland.

Nicht auf einer versteckten Insel in der
Südsee, nicht im Reiche der Märchen,
nicht auf erdentlegenen Sternen müßt
ihr es suchen.

Nein; dies ist eben das größte Wun-
der: das friedliche Land, wo man auf-
baut und nicht niederreißt, gehört zu Eu-
ropa. Zu demselben blutüberschwemmten
Europa, dessen höchster Ruhm gegen-
wärtig die Zerstörung, dessen Zweck
aller Zwecke die größtmögliche Lebens-
vernichtung ist.

Prangende Wund er der Natur werden
ausgerottet bis zum letzten Wurzelstumpf
im Rasen menschlicher Wildheit, frucht-
bare Ackerstrecken wandeln sich im Wüten
des kämpfenden Eisens auf Jahrzehnte
zu Brach- und Ödland, Wege werden
verschüttet und Kräfte des Hirns und
der Hände zerbrochen — aller Menschen-
geist, aller Menschen Tun sieht sich hin-
eingezwungen in den Dienst der Ver-
nichtung.

Fast ist's uns schon Gewöhnung, bei-
nahe ist's Selbstverständlichkeit gewor-
den und umgewertet erscheint das Ziel
unseres Daseins. Vernichte! gebot die
Zeit. Und ihr Wille ward zum alles-
beherrschenden Gesetz.

Unser Auge wandelte sich.

Und nun sehen wir wie staunende
Kinder nach jenem Wunderreich, wo
man nichts von all diesem weiß, und
der Mensch sich um das genaue Gegen-
teil müht.

Karg hat Natur das Land bedacht:
hart und unergiebig ist sein Boden, arm
und spärlich sind seine Früchte und der
Hunger ist kein unbekannter Gast in den
Hütten. Die Ackerkultur ist zurückgeblie-
benes mangelt an gutenVerkehrsstraßen
und Eisenbahnen. Aber seine Bewohner hängen
mit großer Liebe und Zähigkeit an Scholle und
Heimat und pflegen eine eigene Kunst und
Literatur.

Ja, in diesem Lande also tobt kein Krieg;
man kennt ihn nur vom Hörensagen. Viel
wichtiger dünkt es seinem Völkchen, die Armut
zu bekämpfen und die Heimat behaglicher und
wohnlicher zu gestalten. Und weil es ihm
an Geld fehlt, um so viel Arbeit an gut-
bezahlte Kräfte zu vergeben, will man, daß
alle jungen Männer zwischen dem achtzehnten
und zweiundzwanzigsten Jahre im ganzen
einige Wochen Pflichtarbeit an der Verbesse-
rung des Landes leisten. Sie sollen das Land
urbar machen, Nährpflanzen anbauen, Wege
planieren und Landungsplätze errichten.

Der Gleichgültigkeit, dem Sichgehenlassen,
dem Verfall, der Not will diese Absicht zu
Leibe. Es ist der Geist schöpferischer Freude,
der an einem ärmlichen Eckchen unseres Pla-
neten emporleuchtet, während ihn ringsum
Pulverrauch und Giftgase einhüllen und
Menschenkraft und Menschenwerke vernichtet
in die Schatten sinken.

O du glückliches, friedliches Wunderland!
Welcher Tor nannte dich arm? Reich bist du,
selige Insel! . . .

Island heißt sie und liegt in Europa. Pan
 
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