9401
Wie Lenin in Rußland Anhänger erwarb.
Mit schrillem Pfeifen
fuhr derPersonenzug aus
Petersburg in das Mos-
kauer Bahnhofsgebäude
ein. Die schier endlose
Reihe Personenwagen
leerte sich langsam und
die Passagiere wälzten
sich dem Ausgang zu. Vor
dem Bahnhofsgebäude
staute sich die Masse, da
der weite Platz bereits
von einer ungeheuren
Menschenmenge gefüllt
war. Alle Völker Ruß-
lands schienen hier ver-
treten zu sein. Das bot
ein so eigenartiges Bild
mit dem Hintergrund der
riesigen Stadt, wie es
wohl kaum in der Welt
wieder anzutrefsen ist.
Aus dem brodelnden
Haufen lösten sich drei
Männerin abgetragenen
Soldatenuniformen. Sie
überblickten ruhig die ge-
waltige Menge und nach
kurzem Beraten schlug
der eine vor, sich sofort
auf den Weg zu machen,
um ihr Dorf noch bei
Tage zu erreichen. Der
Vorschlag wurde ange-
nommen. JhrWeg führte
sie mitten durch Moskau
am Kreml vorbei nach
den sogenannten „Sperlingsdergen", wo sich
das bekannte Zentralgefängnis der nach Si-
birien Verbannten befindet. In der Nähe lag
auch ihr Heimatdorf und eine Reihe von
Fabriken, die für die Bedürfnisse des Heeres
arbeiteten.
Auf dem Wege dahin begegneten sie einer
Kosakenabteilung, die nicht danach aussah, als
sei sie von« Paradeplatz gekommen; Pferde
und Mannschaften waren vom Rauch ge-
schwärzt und von Schmutz überzogen.
Die drei Wanderer waren nach den neuesten
Anordnungen Kerenskis wegen höheren Alters
aus dem Heere nach Hause entlassen worden,
um dort ihre bäuerliche Beschäftigung wieder
aufnehmen zu können und Weib und Kind
wiederzusehen. .
Je näher sie ihrem Ziel kamen, erfüllte
sich die Luft mit einem scharfen, brenzlichen
Geruch, dessen Ursache sie bald erkennen
sollten. Nach einer Biegung des Weges er-
öffnete sich ihnen der Blick auf die am Fuße
eines Hügels liegenden
Fabriken und auf ihr
Dorf, das fast nur noch
aus einer qualmenden
Masse bestand, woran
alles beim Löschen und
Aufräumen tätig war.
Voller Schrecken eilten
die drei Soldaten dem
Dorfe zu. Von einem des
Weges daherkommenden
Kosaken erfuhren sie, daß
in denFabriken ein Streik
ausgebrochen sei, und da
die Bauern gemeinsame
Sache mit den Streiken-
den gemacht hatten, sei
von den Fabrikanten
Hilfe aus Moskau er-
beten worden, die denn
auch das Nötige besorgt
hatte. Alle Männer
wären in den Fabriken
eingesperrt und das Dorf
angezündet worden. Die
Weiber und Kinder such-
ten zu retten, was mög-
lich war. Grinsend fügte
der Kosak hinzu, daß das
Einsperren auch sie tref-
fen würde, wenn sie zu
den Einwohnern des
Dorfes gehörten.
Es gelang den drei
Soldaten, nach einge-
tretener Dunkelheit ihre
Wohnstätten — wenn
auch halb eingeäschert — und ihre Frauen
und Kinder wieder aufzufinden. Da an ihr
Bleiben in ihrem Heimatsort unter den ob-
waltenden Umständen nicht zu denken war,
entschlossen sie sich, noch in der Nacht nach
Moskau zurückzukehren, um dort an dem Kampf
gegen den „inneren Feind" teilzunehmen. Ihre
Weiber und Kinder würden sie wohl in Bälde
nachholen können. Mit dem Rufe: „Nieder niit
Kerenski" und einem „Hurra für Lenin" ver-
schwanden sie im Dunkel der Nacht. D
Moral.
Moral ist ein Kleid,
Bald eng und bald weit.
Bald kurz und bald lang,
Lier Freiheit, dort Zwang.
Bald dick und bald dünn.
Mit Löchern oft drin.
Der trägt's festgestrickt.
Der andre geflickt —
Doch jeder hat sich das gefaßt.
Was ihm für alle Fälle paßt. Ep.
Splitter.
Je blutiger das Handwerk, desto goldener
der Boden. .
Es gönnt einer dem andern nicht die Luft,
in der es sich kaum noch leben läßt.
Sie tanzen selbst noch nach der kläglichen
Melodie, die ihre Lenker auf dem letzten Loche
pfeifen.
Man müßte auch die große Glocke ein-
schmelzen können, an die jeder Unsinn und
jedes falsche Gerücht gehängt wird.
Am dreckigsten geht es denen, die das reinste
Gewissen haben. ,
Wehrt euch eurer Haut, bevor man sie
euch über die Ohren zieht. Nachher ist es
zu spät.
Am leersten werden die ausgehen, die heute
das meiste einstecken müssen.
Die Lüge ist international.
Sie malen unablässig den Teufel an die
Wand, an die sie die Demokratie nicht drücken
können. »
Das Schicksal des Zopfes hängt an einem
Haar. *
Ein großes Geschlecht? — Ein großes Ge-
schlächt! «
Wer lebt, wird säen. Joseph Adler.
Politischer Schüttelreim.
Die furchtbarste Seuche dieses Krieges ist Sie treiben alles auf die Höhe und sinken
die Phrasenpest. selber immer tiefer.
Auf daß dir deine Macht nütze.
Sei keine Nachtmütze!
Wie Lenin in Rußland Anhänger erwarb.
Mit schrillem Pfeifen
fuhr derPersonenzug aus
Petersburg in das Mos-
kauer Bahnhofsgebäude
ein. Die schier endlose
Reihe Personenwagen
leerte sich langsam und
die Passagiere wälzten
sich dem Ausgang zu. Vor
dem Bahnhofsgebäude
staute sich die Masse, da
der weite Platz bereits
von einer ungeheuren
Menschenmenge gefüllt
war. Alle Völker Ruß-
lands schienen hier ver-
treten zu sein. Das bot
ein so eigenartiges Bild
mit dem Hintergrund der
riesigen Stadt, wie es
wohl kaum in der Welt
wieder anzutrefsen ist.
Aus dem brodelnden
Haufen lösten sich drei
Männerin abgetragenen
Soldatenuniformen. Sie
überblickten ruhig die ge-
waltige Menge und nach
kurzem Beraten schlug
der eine vor, sich sofort
auf den Weg zu machen,
um ihr Dorf noch bei
Tage zu erreichen. Der
Vorschlag wurde ange-
nommen. JhrWeg führte
sie mitten durch Moskau
am Kreml vorbei nach
den sogenannten „Sperlingsdergen", wo sich
das bekannte Zentralgefängnis der nach Si-
birien Verbannten befindet. In der Nähe lag
auch ihr Heimatdorf und eine Reihe von
Fabriken, die für die Bedürfnisse des Heeres
arbeiteten.
Auf dem Wege dahin begegneten sie einer
Kosakenabteilung, die nicht danach aussah, als
sei sie von« Paradeplatz gekommen; Pferde
und Mannschaften waren vom Rauch ge-
schwärzt und von Schmutz überzogen.
Die drei Wanderer waren nach den neuesten
Anordnungen Kerenskis wegen höheren Alters
aus dem Heere nach Hause entlassen worden,
um dort ihre bäuerliche Beschäftigung wieder
aufnehmen zu können und Weib und Kind
wiederzusehen. .
Je näher sie ihrem Ziel kamen, erfüllte
sich die Luft mit einem scharfen, brenzlichen
Geruch, dessen Ursache sie bald erkennen
sollten. Nach einer Biegung des Weges er-
öffnete sich ihnen der Blick auf die am Fuße
eines Hügels liegenden
Fabriken und auf ihr
Dorf, das fast nur noch
aus einer qualmenden
Masse bestand, woran
alles beim Löschen und
Aufräumen tätig war.
Voller Schrecken eilten
die drei Soldaten dem
Dorfe zu. Von einem des
Weges daherkommenden
Kosaken erfuhren sie, daß
in denFabriken ein Streik
ausgebrochen sei, und da
die Bauern gemeinsame
Sache mit den Streiken-
den gemacht hatten, sei
von den Fabrikanten
Hilfe aus Moskau er-
beten worden, die denn
auch das Nötige besorgt
hatte. Alle Männer
wären in den Fabriken
eingesperrt und das Dorf
angezündet worden. Die
Weiber und Kinder such-
ten zu retten, was mög-
lich war. Grinsend fügte
der Kosak hinzu, daß das
Einsperren auch sie tref-
fen würde, wenn sie zu
den Einwohnern des
Dorfes gehörten.
Es gelang den drei
Soldaten, nach einge-
tretener Dunkelheit ihre
Wohnstätten — wenn
auch halb eingeäschert — und ihre Frauen
und Kinder wieder aufzufinden. Da an ihr
Bleiben in ihrem Heimatsort unter den ob-
waltenden Umständen nicht zu denken war,
entschlossen sie sich, noch in der Nacht nach
Moskau zurückzukehren, um dort an dem Kampf
gegen den „inneren Feind" teilzunehmen. Ihre
Weiber und Kinder würden sie wohl in Bälde
nachholen können. Mit dem Rufe: „Nieder niit
Kerenski" und einem „Hurra für Lenin" ver-
schwanden sie im Dunkel der Nacht. D
Moral.
Moral ist ein Kleid,
Bald eng und bald weit.
Bald kurz und bald lang,
Lier Freiheit, dort Zwang.
Bald dick und bald dünn.
Mit Löchern oft drin.
Der trägt's festgestrickt.
Der andre geflickt —
Doch jeder hat sich das gefaßt.
Was ihm für alle Fälle paßt. Ep.
Splitter.
Je blutiger das Handwerk, desto goldener
der Boden. .
Es gönnt einer dem andern nicht die Luft,
in der es sich kaum noch leben läßt.
Sie tanzen selbst noch nach der kläglichen
Melodie, die ihre Lenker auf dem letzten Loche
pfeifen.
Man müßte auch die große Glocke ein-
schmelzen können, an die jeder Unsinn und
jedes falsche Gerücht gehängt wird.
Am dreckigsten geht es denen, die das reinste
Gewissen haben. ,
Wehrt euch eurer Haut, bevor man sie
euch über die Ohren zieht. Nachher ist es
zu spät.
Am leersten werden die ausgehen, die heute
das meiste einstecken müssen.
Die Lüge ist international.
Sie malen unablässig den Teufel an die
Wand, an die sie die Demokratie nicht drücken
können. »
Das Schicksal des Zopfes hängt an einem
Haar. *
Ein großes Geschlecht? — Ein großes Ge-
schlächt! «
Wer lebt, wird säen. Joseph Adler.
Politischer Schüttelreim.
Die furchtbarste Seuche dieses Krieges ist Sie treiben alles auf die Höhe und sinken
die Phrasenpest. selber immer tiefer.
Auf daß dir deine Macht nütze.
Sei keine Nachtmütze!