0626
Deutschland! &
Deutschland, o Vaterland —.
Zuckend krampfen sich Lerz und Land!
So im Elend und so im Weh,
Niedcrgeschmettert ans Sonnenhöh'!
Wolltest kühn an die Wolken streifen.
Ließest die stolzeste» Träume reifen,
Und nun stehst du wie Bettelbrut"—
Wie weh das tut!
Deutschland, dein scharfes Schwert
Lat dein Glück in Leid gekehrt.
Lat dir die Völker zum Feind gemacht,
Lat dich in Kummer und Not gebracht!
Laben all wider dich gestanden.
Schlugen dich und dein Schwert zuschanden —
And nun umsonst das unendliche Leid!
Schmerzvolle Zeit!
Deutschland, durch Elends Nacht
Zittert ein Losten sacht.
Aus den Tiefen quillt es hervor,
Kampfruf dringt ans lauschende Ohr,
Throne sah man und Kronen fallen,
Note, leuchtende Banner walle»,
Kämpfer der Freiheit ziehen zuhauf —
Deutschland, dein Morgen geht auf!
Was dir das Schwert verlor —
Eisern Wollen bringt's neu empor!
Aus der Sorgen drückender Nacht
Junges Blllhn und Gedeihen erwacbt.
Arbeit und Misten, des Friedens Waffe»,
Werden dir neu eine Krone schaffen.
Frei mit den andern dann Land in Land
Ziehst du ins Zukunftsland! Ernst Klaar.
O
Herkules.
Wer kennt nicht die Geschichte von Herkules,
der gezwungen wurde, den Stall des Königs
Augias an einem Tage zu reinigen? Dieser
König, der seine geduldigen Untertanen aus-
raubte und sich gewaltsam an seinen Nachbarn
bereicherte, besaß dreitausend Rinder, es
war also kein kleines Stück Arbeit, das dem
Herkules zugemutet wurde. Aber er schaffte
es, indem er zwei Flüsse in den Stall leitete
und so den Unrat hinausschweinmte. Für den
Fall des Gelingens war ihm der zehnte Teil
der Rinder als Belohnung versprochen wor-
den. Doch Königsworte werden nicht immer
gehalten — dafür hat man auch in neuerer
Zeit Beweise —, und so kain auch Herkules
um seinen Lohn. Dem König war die Geschichte
zu teuer. Und darum — auch dafür gibt es
neuere Beispiele — mußte er sie später
um so teurer bezahlen. Mit der Krone
nämlich und dem Leben. . . .
Das ist ja nun sehr, sehr lange her.
Aber wenn um die Jahreswende über-
das große Reinmachen beginnt,
man leicht daran erinnert. Und
r besonders gedenkt man dann noch
es andern Herkules, der sich vor
rrzem ebenfalls daran machte, einen
Augiasstall zu reinigen, damit das
neue Jahr ein sauberes Haus vorfinde.
Diesem Herkules war der scharfe Duft
und alles andere, was in diesem Stall
an anrüchigen Dingen produziert wurde,
schon lange zuivider. Aber als guter
Deutscher überlegte er sich die Sache
erst reiflich. Er wußte wohl auch nicht
recht, ivo er zuerst anpacken sollte; denn
seine Aufgabe war bei weitem schwie-
riger und umfangreicher als die seines
Namensvetters. Die Rinder, die hier
ihren Unrat abluden, kann kein Mensch
ihrer Zahl nach angeben. Man kann
höchstens einige der edelsten Nassen
bezeichnen: Feudale (mit dickem Kopf
und dünnem Gehirn), Antisemiten
(Glotzaugen und giftige Milch) und
die allgemeinere Kreuzungsrasse, die
den Titel Alldeutsche führte. Sie zeich-
nete sich durch riesige Hörner, ein großes
Maul und unstillbare Gefräßigkeit aus.
Dementsprechend war auch die Pro-
duktion ihres Unrats, der wiederholt
gefährliche Epidemien erzeugte.
Biele starben daran.
Da ergrimmte unser Herkules eines Tages
und begann zu fegen. Mit eisernem Besen fuhr
er zunächst an der nördlichen Kante entlang,
dann an der südlichen, der westlichen, tat einen
gewaltigen Strich durch die Mitte und strich
hinüber nach Osten. Die Häufchen, die sonst
noch herumlagen, folgten so nebenbei. Er nahui
die Nord- und Ostsee, die Elbe und Weser, die
Isar und Donau, den Rhein, die Spree und
viele andere Flüsse zu Hilfe, denn mit zweien,
wie der andere Herkules, war hier nicht aus-
zukommen, die wären glattweg verschüttet
worden. Und er wollte doch auch, dafür war
er eben ein Deutscher, die Sache recht gründ-
lich machen.
Das ist ihm denn auch vorzüglich gelungen.
Gerade nicht in einem, aber doch in erstaunlich
wenigen Tagen. Es hat sich wohl keiner mehr
darüber gewundert als die Rinder selbst; klug
hatten sie ja nie ausgesehen, aber wie sie jetzt
ihrem Unrat nachschauten, war ihr blödes
Gesicht ein Anblick für Götter.
Diesem Herkules hatte kein König eine Be-
lohnung für das tüchtige Stück Arbeit ver-
sprochen. Deshalb nahm er sie ungeniert sel-
ber: nämlich den ganzen Stalt. Und damit
kein König ihn doch etwa um den Lohn seines
Schaffens betrüge, fegte er sie gleich mit aus.
Wieviel es waren, weiß man nicht genau; aber
die Kronen schaukelten wehmütig auf allen
Flüssen. Das war grob, aber praktisch.
Nun, an der Jahreswende, ist Herkules
dabei, aus dem Stall eiu anständiges Haus
zu machen. Das ist auch keine Kleinigkeit, und
es geht noch etwas aufgeregt unter den Bau-
leuten her. Aber das neue Jahr darf schon
eintreten, ohne die Nase krausziehen zu müssen.
Pa».
Zu Lause.
Bis knapp vor die Heimatstadt war
Landsturmmann Ernst Kurz im Trupp
mitmarschiert als ein Teilchen des rie-
sigen Heeres, das wie eine Völkerwan-
derung sich von Westen nach Osten
wälzte. Da war das alte Fußleiden
aufgebrochen und Kurz war im Reserve-
lazarett liegen geblieben. Auch am
Weihnachtsabend lag er noch dort.
Es war zu dumm: die Heimat und
Frau und Kinder so nahe, daß er in
gesundest Tagen hätte hinmarschieren
können, und nun hier allein sein müs-
sen! Von der Lazarettfeier hatte er sich
ferngehalten. Er hing lieber seinen
eigenen Gedanken nach.
Vier Jahre lang war er Weihnachten
nicht zu Hause gewesen. Immer hieß es:
„Das nächste Mal kommen Sie schon
heran." Nun war der Krieg in sich zu-
sammengebrochen, die Heimat hatte sich
in Sturm und Not verjüngt, und er
war wieder nicht zu Hause.
Kurz entsann sich eines Weihnachts-
erlebnisses im ersten Kriegsjahr. Die
Heimatpost war nicht rechtzeitig ein-
gelroffen und die französische Matrone
hatte ihren unfreiwilligen Einwohnern
kleine Geschenke gemacht. Sie selber
feierte nur Neujahr, aber sie hatte dem
Schmerz der Soldaten über ihre Ein-
Gebt Raum!
Gebt kaum! Aus Arbeitsstätten voller Lärm und Braus,
vom Pflug der Felder her und von der Schmieden Graus
und ställengluten dring' ich,
Aus stöhlen, wo ein voltz spinnt, hämmert, webt und schafft,
Kur Schacht und Gruben steig' ich, und voll freier Kraft
den Ruhm der Arbeit sing' ich. »da N-gri.
MK— Der starken Nachfrage wegen geben wir vom Erfurter Programm, in seinem grundsätzlichen Teil er-
läutert von Narl Nautsky (Internationale Vibliothek Band 13, gebunden M. 4.—), eine Volksausgabe heraus.