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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 36.1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.8264#0011
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— 9627

samkeit an Weihnachten
nichtwiderstehen können.

„Wir sind doch alle gleich
schlimm dran," hatte sie
gesagt. „Und wir kön-
nen ja alle nichts für dies
Unglück, Messieurs."

In ihren einfachen,
vom Herzen kommenden
Worten hatte sich die
ganze neue Heilandspre-
digt von der Solidarität
der Völker ausgespro-
chen. Wann würden sie
es lernen, sich von dem
Kriegsrausch nicht mehr
überwältigen zu lassen
und dem Machtbedürf-
nis einiger Weniger ent-
gegenzutreten? Der An-
fang war ja gemacht:

Deutschland, das Land
der Denker, war das
Land der Handelnden
geworden. - —

Der Krankenwärter
kam und brachte einen
Brief von seiner Frau.

Sie hatte bis zur letzten
Stunde gehofft, ihn bei
sich zu haben. Darum
kam nur der Brief.

Sie schrieb: „Zum
Reisen langt das Geld
nicht. Aber zu einem
kleinen Tannenbaum hat
cs gelangt, und die bei-
den Lichter, die vom vo-
rigen Jahr übriggeblie-
ben und ausgespart sind,
solle» warten, bis Du
kommst. Dann sollen sie
brennen und wir wollen
die roten Fähnchen be-
wundern, die Karl an-
gebracht hat. Sie sollen
uns zeigen, daß doch
nicht alles umsonst gelitten war in diesen
fürchterlichen Jahren, Du Lieber. ..."

Als er einschlief, träumte er von einem hellen
Baum, von roten Fahnen und gläubigen
Kinderaugen, die hoffnungsvoll in die Zukunft
sahen. Und so feierte Landsturmmann Kurz
sein Weihnachtsfest gewissermaßen doch zu
Hause. . . .

Das eigene Leim.

Fleiß und Sparsamkeit war Grundsatz in
der kleinen Familie. Vater und Sohn schafften
in der Dampsziegelei, die Mutter ging tag-
löhnern bei den Bauern. So kamen einige
hundert Mark in die Sparkasse. Das sollte
den herrlichen Gedanken verwirklichen helfen:
ein eigenes Häuschen mit etwas Gartenland
und einem Stückchen Ackererde dabei.. . .

Da kam der Krieg und zerschlug mit rauher
Hand die so schön erdachte Herrlichkeit. Der
Sohn kam ins Feld, der Vater sing zu krän-
keln an und die Frau konnte der Arbeit nicht
mehr so nachgehen. Das so mühsam Ersparte
schmolz zusammen. Als der Vater nach eine»!

der Hans wäre verwun-
det. Ein zweites Schrei-
ben: augenleidend wäre
der Hans. Eine Bangig-
keit überkam die Frau.
Warum er nicht selber
schrieb? Wieder so ein
Brief. Da stand, die
Mutter möge den Hans
besuchen.

Am Sonntag fuhr die
Mutter in die nahe Stadt
zu ihren» Hans. Man
wies ihr das Kranken-
haus. Umständlich zog
die Frau die Hornbrille
aus der Tasche und las:
Blindenheim. EinSchreck
fuhr durch ihr Inneres.
Langsam, mit zitternden
Beinen ging sie durch
das hohe Tor und kam
in den Garten des Hau-
ses. Da fragte sie nach
ihm. Auf die Bank dort
unter der Linde fiel ihr
Blick.

„Hans_" Der junge

Soldat hob den Kopf.
Eine schwarze Binde sah
die Frau vor den Augen
ihresSohnes.Nunwußte
sie alles. Sie nahm sich
zusammen. Eine Pflege-
rin sprach ihr Trost zu.
Sie hörte kaum hin. Eine
Stunde später nahm sie
Abschied von ihrem blin-
den Sohn.

Daß er noch am Leben
ivar, gab ihr Mut und
hielt sie aufrecht. Von
Zeit zu Zeit fuhr die
Frau in die Stadt. Da.
heim war sie wortkarg,,
im Blindenheim erst fand
sie wieder Worte, konnte
ihrem Hans von allerhand erzählen, nur ver
mied sie peinlich, an den Gedanken vom cig -
nen Heiin zu erinnern.

Späterhin einmal überkam den Hans die
Sehnsucht nach dem Heimatort. Ein Lands-
mann nahm ihn mit und führte den Blinden
der Mutter ins Haus.

Ob es ein schönes Haus wäre? fragte da
der Hans. Die Mutter sagte: „Freilich, und
- ein schöner Garten dran, erschrick aber nicht,
Hans, es ist das Armenhaus. ..."

Mahnung.

ES kam die zeit des Unglücks,

ES kam die schwere Not,

Die dich, o altes Deutschland,

Aufs ärgste mm bedroht.

Drob magst du nicht verzage».

Du deutsches Volk voll Kraft,

Du hast genug bewiesen
Wohl deine Heldenschaft.

Doch mag der Schmerz auch dringen
Dir tief bis in das Mark,

Du bis« ein Volk von Tapfer»

Und trägst dein Unglück stark. A. T.

Die fidelen Bauern.

»Da geht's aber hoch her.«

»ga, heute feiert der landwirtschaftliche Verein von Oberkrummweghausen bei uns
sein Neujahrsfest.«

Jahr Krankenlager starb, war das Sparkäst-
lein leer. Tapfer schaffte die Frau weiter.

Wenn die harte Arbeitswoche um war, konnte
sie für den Sohn ein Feldpostpaketchen auf
die Post tragen; das war aber auch ihre ganze
Sonntagsfreude.

Helle wurden die Augen der Frau, zuver-
sichtlicher ihr ganzes Wesen, war erst wieder
ein Lebenszeichen, eine Karte oder ein Brief
von ihrem Hans da. Darin kam er auch wohl
zuweilen auf den alten Plan zu sprechen von
dem eigenen Häuslein, grünumrankt und im
Blütenschmuck. Wenn er erst wieder daheim
wäre und schaffen könnte, verdienen, sparen
wollte er schon. . .. Ein solcher Brief brachte
der Mutter wieder Sonnenschein in das trübe
Gemüt und ein Lächeln ins Gesicht. Das ver-
trieb die Trauer auf ein paar Stunden. Der
brave Junge hing also noch mit ganzer Seele
an dem einzig schonen Gedanken von dem
eigenen Heim. Der Stolz darüber gab der
Mutter neue Kraft und hob sie tagelang über
das Einerlei des Werkeldaseins hinaus. Das
waren rechte Feierstunden und stille Sonntags-
frenden. Da kam ein Brief von einem Freund,

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