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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 36.1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.8264#0014
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9030

Zum 19. Januar.

Frei steht das Bolk,

Frei wie am ersten Tag,
Keiner im Rund,

Der's wieder knebeln mag!
Wuchtiges Weltgericht,
Flutendes Licht —
Willkommen! Willkommen!
Don uns genommen
Ist nun der Ketten Last —
Freiheit ihr Gast!

Nun gilt es zu zimmern
Ein wohnlich Haus!

Feinde allüberall
Brächten uns gern zu Fall,
Ränke sie spinnen
Außen und innen.

Drum Mann für Mann,

Wer stimmen kann,

Mädchen und Frauen,

Helfet mit bauen.

Nützt euer junges Recht —
Nicht Magd, noch Knecht!

Aus trüber Gegenwart,
Trostlos und herb und hart.
Wollen wir schreiten
In sonnige Weiten,

Durch blumige Wiesen,

Gleich Paradiesen,

Mit schattigen Wäldern
Und grünenden Feldern,

Mit Drossel- und Finkenschlag,
Lachend, wie Maientag!

Herber, herbei, Jetzt oder niemals

Wer es auch sei! Werdet ihr frei! Ernst siaar.

Alle zu Haus,

Freie und Fröner!

Wacker nun drauf,

Ihr Dulder und Stöhner,
Mühselig, beladen,

Bürger, Soldaten,
Mädchen und Frauen —
Euer Glück sollt ihr bauen!
Nieder zu Staube
Brach die Tyrannenmacht,
Wurde zum Raube
Kämpfen, frivol entfacht.
Krone um Krone,

Throne um Throne
In Deutschlands Gauen all
Kamen zu Fall.

Aus der Revolution.

i.

Ludeudcn'ff sucht in Schweden nach einem
dauerhafte» ©tritt'.

il.

Der frühere Großadmiral Tirpitz amüsiert sich
am Vierwaldstättersee.

Zwischen Krieg und Frieden.

Durch die stille, blau dämmernde Nacht
Schreitet der Friede leis und sacht.

Schreitet im grauen, harnen Gewand,
Dornen und Geißel in seiner döand.

Anders habe» wir ihn geträumt:

.Hell, von flutendem Licht umsäumt.

Glanz und Sonne rings um ihn her.

Jubeln und Jauchzen von Meer zu Meer.

Treulos verließ uns das Schlachtenglück.

All unser tö offen, es brach zu Stück,

Innig dennoch mit Herz und Mund
Tun wir hell unsre Freude kund.

Sinnlos Morden, es ist nun aus.

Sengen und Brennen und blut ger Graus,
Nicht mehr bangen braucht Weib und Kind
Am die Lieben, die ferne sind.

Schaffend regt sich tvieder die Land,
Aufzubauen das Vaterland.

Was sich lastend auf uns gelegt.

Zornig ward's in den Staub gefegt.

Brüder von drüben, uns einst vereint.

Wollt ihr länger noch bleiben Feind?

Soll, was Deutschland vertrieb im Zorn.
Wuchern bei euch als Ankraut und Dorn?

Herrschsucht und Rache und blutiger .Haß
Giert von drüben ohn' Anterlaß;

Doch eure Stimme, friedvoll und schlicht,
Brüder, Brüder — ich höre sie nicht! K.

Noch nicht genug!

Von österreichischen Militärgerichten wur-
den ivährend des Krieges 11400 Personen
zum Tode verurteilt und hingerichtet. Und
dabei fehlen immer noch einige. Denn dbe
Habsburger haben ja alle den Krieg überlebt.

Streiflichter.

Wie mancher hnt's im Kriege zu einem
Häuschen mit Gärtchen gebracht— auf dem
Friedhof! .

Große Betriebe genieren sich nicht, in ihrer
Bilanz Inventar und Maschinen mit einer
Mark Wert anzugeben; also braucht sich auch
später kein Aktionär zu genieren, wenn er bei
der Verstaatlichung plötzlich mit einer Mark
Wert abgefunden wird.

Religion ist Privatsache! Aber das eine
muß doch gesagt werden: entweder ist der
liebe Gott machtlos oder er ist uns nicht grün.
Oder sollten wir am Ende zuviel für unsere
Feinde gebetet haben?

Reben dem Adlerflug der Gedanken macht
sich leider viel Geierflug breit.

Ein Maschinengewehr ist immer auf de»
vereidigt, der's hat — und wenn's die Heils-
armee ist!

Es gibt übernatürliche Dinge: neulich kriegte
mein Freund eine Ohrfeige, daß er die Engel
im Himmel nicht singen, sondern bolsche-
ivistisch spektakeln hörte.

Bei manchem Politiker wohnt der Verstand
unterm Schnurrbart, statt unterm Kopfhaar.

Seitdem sich die Ämter barbiermäßig'höflich
benehmen, läuft die Kundschaft Gefahr, daß
sie regelrecht eingeseift wird.

Mancher kleine Ladenwucherer ist schwerer
abzusetzen, als Wilhelm II.

Der Pariser „Temps" fordert, daß die
Nürnberger Industrie die Fabrikation von
Bleisoldaten einstellt. Der „Temps" ist zu
bescheiden: er sollte die Fabrikation von Sol-
daten überhaupt verbieten! '

Der starken Nachfrage wegen geben wir vom Erfurter Programm, in seinem grundsätzlichen Teil er-
läutert von Karl Nautsky (Internationale Bibliothek Band 13, gebunden M.4.—), eine Volksausgabe heraus.
 
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