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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 36.1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.8264#0022
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9638 •

W Eichhorn, <2?

Hört zu und laßt euch, liebe Leut',
Bon jenem Manne heut erzählen.

Den jüngst als Hort der Sicherheit
Die Stadt Berlin sich tat erwählen.

Wie schon sein Name euch besagt.
War rot er, borstig und behende —
Und nahm trotzdem, Gott sei's geklagt,
Zu guter Letzt ein böses Ende.

Denn also lautet der Beschluß
Des Schicksals und der Götter Wille:
Stets sieht die Welt der Spartakus
Durch eine schiefgeschliffne Brille.

So kam es, daß er jedes Ding
Entschlossen packt beim falschen Ende,
Und statt daß er den Frevler fing.

Gab er ihm SHießzeug in die Hände.

Zwei Monde waren kaum entflohn
In solchem zielbewußlen Schaffen,

Da hatten viele Gauner schon
In Groß-Berlin ihr Wehr und Waffen.

Tagtäglich schritt man ohne Scheu
Zu Raub, Mord, Einbruch und so weiter —
Kühl lächelnd stand die Polizei
Dabei, gleich einer Hühnerleiter.

Als dann ein amtliches Edikt
Kund tat, daß er entbehrlich wäre.
Glaubt ihr, er hätte sich gedrückt?

O nein, er setzte sich zur Wehre.

Gutwillig wollte er nicht ziehn,

Er schwur, nur der Gewalt zu weichen,
Und wandelte die Stadt Berlin
In einen Pfuhl von Blut und Leichen.

Acht Tage währten Kampf und Streit,
Bis man die Frevler trieb zu Paaren,
Und vor dem Chef der Sicherheit
Die Menschen endlich sicher waren.

Und die Moral von der Geschicht'? Macht keinen Bock zum Gärtner nicht.

Beherzigt sie, geliebte Christen: Kein Eichhorn nicht zum Polizisten! Balduin.

Tanz auf dem Vulkan.

i.

ii.

Entwurf einer Verfaffung.

Von Spartakus.

1. Von den Rechten der Bürger.

§ 1. Alle Bürger der deutschen spartakisti-
schen Republik sind vor den Gesetzen gleich.

Z 2. Alle Gesetze sind aufgehoben.

8 3. Das Bürgerrecht der deutschen sparta-
kistischen Republik ist entweder angeboren oder
erworben. Angeboren ist es jedem russischen
Bolschewiken, dem es gelingt, auf eine» ge-
fälschten Paß nach Deutschland zu kommen.
Erworben wird das Bürgerrecht durch Ein-
tritt in den Spartakusbund.

8 4. Alle übrigen Deutschen führen den
Namen Mehrheitssüzialisten oder Bluthunde.
Sie sind rechtlos und vogelfrei.

8 6. Jeder Bürger der deutschen sparta-
kistischen Republik hat das Recht des freien
Einbruchs, der freien Plünderung »nd der
freien Meinungsäußerung.

8 6. Meinungsdifferenzen werden im Pri-
vatverkehr durch gewöhnliche Knüppel, in der
Öffentlichkeit durch Maschinengewehre ge-
schlichtet.

2. Vom werktätigen Volk.

8 7. Das werktätige Volk verrichtet seine
Arbeit in den sozialisierten Betrieben.

8 8. Die Arbeit in den Betrieben besteht
aus a) Demonstrationsstreiks, b) Sympathie-
streiks, c) Generalstreiks.

3. Von den Wahlen.

8 9. Die Beamten, Behörden und Körper-
schaften der deutschen spartakistischen Republik
werden auf Grund allgemeiner, direkter und
geheimer Wahlen ernannt.

8 10. Die Wahlen werden vermittelst Re-
volver und Handgranaten vollzogen, die zu-
gleich als Legitimation dienen.

8 11. Wahlberechtigt ist jeder Bürger der
deutschen spartakistischen Republik, der sich im
Besitz einer der in 8 10 genannten Legitima-
tionen befindet.

8 12. Mehrheitssozialisten und Bluthunden
ist das Waffentragen verboten.

4. Von der Presse.

8 13. Die Presse unterliegt keinerlei Be-
schränkung. Doch dürfen außer spartakistischen
Zeitungen nur agrarische und alldeutsche er-
scheinen.

5. Vom Sicherheitsdienst.

8 14. Der Sicherheitsdienst wird vom Poli-
zeipräsidenten geleitet.

8 15. Als Polizeipräsident gilt derjenige, der
sich aus dem Polizeipräsidium noch nicht hat
hinauswerfen lassen.

6. Vom Nationalfeiertag.

8 16. Der Nationalfeiertag der deutschen
spartakistischen Republik wird einmal im Jahr
begangen und dauert drei Tage.

8 17. Das Fest beginnt am Rosenmontag
mit Demonstrationsversammlungen in der
Siegesallee und wird am Faschingsdienstag
durch solenne Straßenkämpfe fortgesetzt. Der
dritte und letzte Tag ist der Aschermittwoch,
an dem die Beerdigung aller Opfer des Na-
tionalfestes statlfindet.

hohenzollern-Netirade.

(Frei nach Goethe.)

kver reitet so spät durch Nacht und wind?

Es ist der Vater mit seinem blind.

Sie reiten nach kjolland — pst! Nein Ularm! —
Dort sitzt man sicher, dort sitzt man warm.

Mein Sohn, was birHt du so bang dein Gesicht?

Liehst, Vater, du den Scheidemann nicht,

Den roten Philipp, mit Nnüppel und Stein?

Mein Sohn, es ist ein Nebeischein.

willst, feiner Nnabe, du mit mir gehn?

Wir Sozi wollen dich warten schön!
wir Sozi hau'n immer feste druff,

Traktieren dich tüchtig mit Tritt und Puff!

Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
was der rote Philipp mir leise verspricht?

Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;

Ls weht aus Deutschland ein scharfer Wind.

Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Den schlimmen Ebert am düsteren Brt?

Mein Sohn, mein Sohn, ich seh' es genau:

Es ist nur der gleiche rote wauwau.

Folgst du mir nicht willig, so brauch' ich Gewalt
Und mache dich auf der Stelle kalt!

Mein Vater, mein Vater, jetzt schmeißt er nach mir!
Ls schäumt der Philipp von blutiger Gier!

Dem Vater graust cs, doch nicht gar sehr,

Venn der Philipp ist ja kein Uobespierre.
Erreichten die schützende Grenze und -
Soupierten brillant und schliefen gesund.

3ß^" Der starken Nachfrage wegen geben wir vom Erfurter Programm, in seinem grundsätzlichen Teil er-
läutert von Narl Nautsky (Internationale Dibliothek Vand 13, gebunden M. 4.—), eine Volksausgabe heraus.
 
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