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Der praktische (Eistter
in einer Volksversammlung in Ingolstadt.
I.
„Dieses Maschinengewehr heißt Neferendum. wenn die schwarzen Abgeord-
neten etwa die Monarchie wieder einsühren wollten, dann ruft die Negierung
das Volk zur Abstimmung aus. Entscheidet das Volk gegen die Schwarzen,
dann schickt man den Landtag nach lsause."
„Sie werden mich fragen, wenn ein schwarzer Landtag zusammenbäme, ob ich
ihn dann mit Maschinengewehren auseinandertreiben lassen werde? Ja, ich
habe mir ein Maschinengewehr lionsiruiert, das Hein Mut vergießt und nur
die Lügner trifft."
II.
/Referendum,
m ftobelfpäne. r©
Nun sitzt jetzt mancher in> Katzenjammer
Im Keller und auch in der Bodenkammer,
Vielleicht auch im ersten und ziveilen Stocke-
lind erschreckt, wenn ertönt die Haustürglocke.
Es sind nicht allein die Spartakusse,
Denen 's Licht erlosch kurz vor dem Schlüsse,
Nicht die äußerste Linke fiel allein in den Sumpf,
Auch das Zentrum liegt drin, das früher ivar
Trumpf.
Es haben die Sozi gar tapfer gestritten,
Druiu sind sie beim Volke auch wohlgelitleu,
Sie werden in Deutschland schaffen das Rechte
llitd niederboxen die Henkersknechte.
k
Irgendein Schlauberger sagte kürzlich: „Wir müssen eine Bresche
schlagen durch die Kerkcrivände unserer Verlassenheit, denn wir wissen,
daß draußen irgendivo Sonnenaufgang ist und ein neuer Tag der
Menschheit heraufsteigt." Sollte er dabei an Rußland gedacht haben,
so mag es noch hingehen, aber dahinter, dein Aufgang der Sonne
wesentlich näher, liegt Japan, das ain liebsten die ganze europäische
Menschheit zum Frühstück verzehren mochte.
*
Paderewsky, Paderewsky,
Präsident bist du von Polen,
Für die tollen Siegspassagen
Wird die Welt dich bald versohlen.
Trefflich kannst Klavier du spielen.
Doch 's Regierungsinstrumente
Ist für deine langen Finger
Nicht gestimmt, Herr Präsidente.
k
„Nu wird's Ernst," sagte ineine Olle, nachdem Eichhorn und
Konsorten durchgebraiint sind. „Nu kan» ick mal wieder nffatmen!
Na, so ’n Polizeipräsident!" nieent se, „dat jeht ja noch über Putt-
kamern un Bismarckn, die ich von ivejen de Ausweisung — noch
im Magen habe. Wenn Ernst uns »ich mit Kartätschen satt machen
will, sondern jehörig wat zu präpeln verschafft, denn tret ick wieder
aus de unabhängije Kiste aus un will dir ooch ferne wieder Strimfe
un Hosen flicken, dainit's dir ollen Leimtiejel jut jetzt un du lauge
lebest uff Erden." Dein getreuer Säge, Schreiner.
Lieber Jacob!
Wie ick neilich de Skalitzer lang mache, stoße
ick pletzlich uff meinen lange entbehrten Freind
Edeward. „Edeward, Menschenskind, wie
siehsteaus?" drille ick ihm erschittert von seine
sramverzerrten Zieje an. „Et jeht mir zu kla-
trig!" jruuzt er init Jrabesstimme. „Haste keene
Arbeet nich?" frage ick besorgt.. „Det schon,"
entjejenter,„ickbinbeide städtsche Millabfuhr."
„AlsoMilljouär!" scherze ick uffheiternd. Aber
er fing uff meinen Ton nich ein: „Keene Witze
nich! Det Unjtick in meine Familje hat mir
zu Boden jedrickt." „Um Joltes ivillen, Ede-
ward," frage ick in jedämpften Kondolenzion,
„wem hat dir der Tod entrissen?" „Keens von
beeden," antwortet er, „aber ville wat Schlim-
meres: mein Ältester un meine Olle sind unter
de Spartakanleu jejangen!" „Na, det läßt sich
villeicht noch reparieren," atme ick erleichtert
uff. „Nich dran zu denken," meent Edeward,
„der Simmel jeht nich mehr in de Fabrike,
sondern macht jeden Dag blau, um de Re-
jierung dadurch sein Mißfallen auszudricken,
un de Olle läßt sich zu Hause iebcrhaupt nich
mehr sehen, weil ihr nich mehr wohl is, wenn
se nich ihre tägliche Deinemstruation haben kann,
un wie det bei sonne Frau de Jesundheit an-
jreifen tut, det kannste dir als erfahrener Fa-
miljenvater selber vorstellen. Meine Heislich-
keit steht dichte vor de» Zusammenbruch!" Er
quetschte sich eineTräne aus detOoge un nieene
Treestungsivorte verhallten iu't Blaue. „Wie
is denn det jekommen?" fragte ick schließlich.
„Durch'» Zufall," seifzte Edeivard, „se haben
beede in de Siejesallee vor det Standbild Ottos
des Faulen eenen von die Spartakisten reden
jeheert, un det is se so verheerend in de Kal-
daunen jeschlagen." „Det zwee faule Köppe
zwee jesunde verdrehen können, hätte ick nich
for möglich jehalten," meente ick. „Der jeistije
Jndruck war et ooch nich," belehrte mir Ede-
ward, „aber ivie er mit de Arme un mit de
Beene jemüllert un mit de Oogen jerollt hat,
det hat ihnen so erjriffen jehabt." Ick sah, det
nischt jejen zu machen war, un verließ meinen
Freind mit eenen stummen Hundedreck.
Det war Donnerstag jeivesen. Sonntag druff
sriehmorjens besucht mir Edeivard mit freide-
strahlende Miene: „Allens wieder in't Lot!"
schreit er mir schon an de offene Tiere zu,
„beede Spektakulisten sind in dein Zustand der
menschlichen Vernunft zurückjekehrt." „Wie jing
denn det so schnelle?" fragte ick. „Janz ecn-
fach un natierlicherweise," jubelt Edeward,
„dein Jungen wurde von det ewije Blaumachen
de Zeit lang, un außerdem hatte er een Haar
drin jefunden, det ihm eener von de jeistijen
Fiehrer der Spartakisten heimlich seine Uhr
aus de Tasche requiriert hatte. Wat aber de
Olle is, die mußte sich ieber de abjesperrte
Wasserleitung zu sehr bösen. Se is 'ne jroße
Verehrerin der Reinlichkeit, un wie se eenen
Abend keene» Droppen »ich zum Abwaschen
erzielen konnte, da ivar ooch bei sie der Wechsel
in de pollitesche Jberzeijung injetreten, un
da se sich soivieso in de Wechseljahre befindet,
so schonte ick ihrem Jenesungszustaud un ver-
kniff mir jede sarkastische Bemerkung. Aber
unter uns jesagt: Spartakus hat mang seine
AnhängerzweeVerricktewenijer,wat bei seinen
jroßen Vorrat in diese Branche nich ville be-
sagen will; un de Rejierung Ebert-Scheide-
mann ivird ooch von diesen neieu Zuwachs
»ich zujrunde jchen!" Ick jratulierte Ede-
ward'» von janzen Herzen, un wir feierten
det frohe Familjenereignis mit eenen kleene
Sonntagsfriehschoppen in unsre olle Stannn-
destille Zum dreckigen Löffel.
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jelreier Jotthils Nauke,
an'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
331^ Die Volksausgabe des Erfurter Programms kostet das Exemplar Rt. 1.20, mit Porto ITT. 1.30. Huf
größere Bestellungen gewähren wir einen angemessenen Rabatt. I. H. ED. Dietz Nachf. G.m.b.l). in Stuttgart.
Der praktische (Eistter
in einer Volksversammlung in Ingolstadt.
I.
„Dieses Maschinengewehr heißt Neferendum. wenn die schwarzen Abgeord-
neten etwa die Monarchie wieder einsühren wollten, dann ruft die Negierung
das Volk zur Abstimmung aus. Entscheidet das Volk gegen die Schwarzen,
dann schickt man den Landtag nach lsause."
„Sie werden mich fragen, wenn ein schwarzer Landtag zusammenbäme, ob ich
ihn dann mit Maschinengewehren auseinandertreiben lassen werde? Ja, ich
habe mir ein Maschinengewehr lionsiruiert, das Hein Mut vergießt und nur
die Lügner trifft."
II.
/Referendum,
m ftobelfpäne. r©
Nun sitzt jetzt mancher in> Katzenjammer
Im Keller und auch in der Bodenkammer,
Vielleicht auch im ersten und ziveilen Stocke-
lind erschreckt, wenn ertönt die Haustürglocke.
Es sind nicht allein die Spartakusse,
Denen 's Licht erlosch kurz vor dem Schlüsse,
Nicht die äußerste Linke fiel allein in den Sumpf,
Auch das Zentrum liegt drin, das früher ivar
Trumpf.
Es haben die Sozi gar tapfer gestritten,
Druiu sind sie beim Volke auch wohlgelitleu,
Sie werden in Deutschland schaffen das Rechte
llitd niederboxen die Henkersknechte.
k
Irgendein Schlauberger sagte kürzlich: „Wir müssen eine Bresche
schlagen durch die Kerkcrivände unserer Verlassenheit, denn wir wissen,
daß draußen irgendivo Sonnenaufgang ist und ein neuer Tag der
Menschheit heraufsteigt." Sollte er dabei an Rußland gedacht haben,
so mag es noch hingehen, aber dahinter, dein Aufgang der Sonne
wesentlich näher, liegt Japan, das ain liebsten die ganze europäische
Menschheit zum Frühstück verzehren mochte.
*
Paderewsky, Paderewsky,
Präsident bist du von Polen,
Für die tollen Siegspassagen
Wird die Welt dich bald versohlen.
Trefflich kannst Klavier du spielen.
Doch 's Regierungsinstrumente
Ist für deine langen Finger
Nicht gestimmt, Herr Präsidente.
k
„Nu wird's Ernst," sagte ineine Olle, nachdem Eichhorn und
Konsorten durchgebraiint sind. „Nu kan» ick mal wieder nffatmen!
Na, so ’n Polizeipräsident!" nieent se, „dat jeht ja noch über Putt-
kamern un Bismarckn, die ich von ivejen de Ausweisung — noch
im Magen habe. Wenn Ernst uns »ich mit Kartätschen satt machen
will, sondern jehörig wat zu präpeln verschafft, denn tret ick wieder
aus de unabhängije Kiste aus un will dir ooch ferne wieder Strimfe
un Hosen flicken, dainit's dir ollen Leimtiejel jut jetzt un du lauge
lebest uff Erden." Dein getreuer Säge, Schreiner.
Lieber Jacob!
Wie ick neilich de Skalitzer lang mache, stoße
ick pletzlich uff meinen lange entbehrten Freind
Edeward. „Edeward, Menschenskind, wie
siehsteaus?" drille ick ihm erschittert von seine
sramverzerrten Zieje an. „Et jeht mir zu kla-
trig!" jruuzt er init Jrabesstimme. „Haste keene
Arbeet nich?" frage ick besorgt.. „Det schon,"
entjejenter,„ickbinbeide städtsche Millabfuhr."
„AlsoMilljouär!" scherze ick uffheiternd. Aber
er fing uff meinen Ton nich ein: „Keene Witze
nich! Det Unjtick in meine Familje hat mir
zu Boden jedrickt." „Um Joltes ivillen, Ede-
ward," frage ick in jedämpften Kondolenzion,
„wem hat dir der Tod entrissen?" „Keens von
beeden," antwortet er, „aber ville wat Schlim-
meres: mein Ältester un meine Olle sind unter
de Spartakanleu jejangen!" „Na, det läßt sich
villeicht noch reparieren," atme ick erleichtert
uff. „Nich dran zu denken," meent Edeward,
„der Simmel jeht nich mehr in de Fabrike,
sondern macht jeden Dag blau, um de Re-
jierung dadurch sein Mißfallen auszudricken,
un de Olle läßt sich zu Hause iebcrhaupt nich
mehr sehen, weil ihr nich mehr wohl is, wenn
se nich ihre tägliche Deinemstruation haben kann,
un wie det bei sonne Frau de Jesundheit an-
jreifen tut, det kannste dir als erfahrener Fa-
miljenvater selber vorstellen. Meine Heislich-
keit steht dichte vor de» Zusammenbruch!" Er
quetschte sich eineTräne aus detOoge un nieene
Treestungsivorte verhallten iu't Blaue. „Wie
is denn det jekommen?" fragte ick schließlich.
„Durch'» Zufall," seifzte Edeivard, „se haben
beede in de Siejesallee vor det Standbild Ottos
des Faulen eenen von die Spartakisten reden
jeheert, un det is se so verheerend in de Kal-
daunen jeschlagen." „Det zwee faule Köppe
zwee jesunde verdrehen können, hätte ick nich
for möglich jehalten," meente ick. „Der jeistije
Jndruck war et ooch nich," belehrte mir Ede-
ward, „aber ivie er mit de Arme un mit de
Beene jemüllert un mit de Oogen jerollt hat,
det hat ihnen so erjriffen jehabt." Ick sah, det
nischt jejen zu machen war, un verließ meinen
Freind mit eenen stummen Hundedreck.
Det war Donnerstag jeivesen. Sonntag druff
sriehmorjens besucht mir Edeivard mit freide-
strahlende Miene: „Allens wieder in't Lot!"
schreit er mir schon an de offene Tiere zu,
„beede Spektakulisten sind in dein Zustand der
menschlichen Vernunft zurückjekehrt." „Wie jing
denn det so schnelle?" fragte ick. „Janz ecn-
fach un natierlicherweise," jubelt Edeward,
„dein Jungen wurde von det ewije Blaumachen
de Zeit lang, un außerdem hatte er een Haar
drin jefunden, det ihm eener von de jeistijen
Fiehrer der Spartakisten heimlich seine Uhr
aus de Tasche requiriert hatte. Wat aber de
Olle is, die mußte sich ieber de abjesperrte
Wasserleitung zu sehr bösen. Se is 'ne jroße
Verehrerin der Reinlichkeit, un wie se eenen
Abend keene» Droppen »ich zum Abwaschen
erzielen konnte, da ivar ooch bei sie der Wechsel
in de pollitesche Jberzeijung injetreten, un
da se sich soivieso in de Wechseljahre befindet,
so schonte ick ihrem Jenesungszustaud un ver-
kniff mir jede sarkastische Bemerkung. Aber
unter uns jesagt: Spartakus hat mang seine
AnhängerzweeVerricktewenijer,wat bei seinen
jroßen Vorrat in diese Branche nich ville be-
sagen will; un de Rejierung Ebert-Scheide-
mann ivird ooch von diesen neieu Zuwachs
»ich zujrunde jchen!" Ick jratulierte Ede-
ward'» von janzen Herzen, un wir feierten
det frohe Familjenereignis mit eenen kleene
Sonntagsfriehschoppen in unsre olle Stannn-
destille Zum dreckigen Löffel.
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jelreier Jotthils Nauke,
an'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
331^ Die Volksausgabe des Erfurter Programms kostet das Exemplar Rt. 1.20, mit Porto ITT. 1.30. Huf
größere Bestellungen gewähren wir einen angemessenen Rabatt. I. H. ED. Dietz Nachf. G.m.b.l). in Stuttgart.