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• . 9646

Eot liegt das Wildbret auf der Straße/

Die Hatz ist aus, die Bahn ist frei,-
Die Geier sammeln sich zum Kraße,

Und beutegierig schallt ihr Schrei.

Doch eh sich Klau'n und Schnäbel krallten
Ins lockend aufgetischte Mahl,

Wünscht ein Gericht man abzuhalten
Zur Hähern Ehre der Moral.

So tonet, ehrenfest und bieder
Und seines reinen Herzens froh,

Der Chor der tugendreichen Brüder
Llopd George, Sonnkno, Elemenceau.
Man schickt Gott wohlgefälligen Skaten
Ein salbungsvolles Wort voraus -
Und sucht dieweil vom Gpferbraten
Sich rasch die besten Stücke aus.

„Kls nichts den reinen hther trübte
In unserm irdischen Paradies,

Wo fcder seinen Nachbarn liebte
Und auf der Kriedensflo'te blies,

Tlls keiner sich was Böses dach e
In kindlich unschulösvollem Spiel,
War er es, der den Brand entfachte,
Uns Ahnungslose überstell"

Tlls schließlich unter Kestgeläute
Das letzte Knien kaum verscholl,

Stürzt man sich gierig auf die Beute
Und stopft sich Wanst und laschen voll,-
Dann wiegt man froh des Bauches Schwere,

Wischt dreimal rülpsend sich den Mund

Und stiftet zu der Menschheit Ehre

Tlls Nachtisch einen Zriedensbund. strmmius.

Friedenskonferenz.

Da sitzen sie, die edlen Richter,

Die selber ohne Schuld und Kehl,

Der Weisheit und der Tugend Lichter,

Der Menschheit strahlendes Tuwel!

Bor ihnen auf der Bank der Sünder
hockt Michel stumm, der Bösewicht,

Der Kriedensbrecher, Schurk und Schinder,
Der alles, alles angericht't.

Franz Mehring.

Geboren am 27. flebr. 1846, gestorben am 2g. Ja». 1816.

Ein ungewöhnlich reiches Schriftstellcrlcben ist mit
dem Tode Franz Mehrings ausgelöscht worden. Reich
und fruchtbar war er nicht nur für die internationale
Sozialdemokratie, sondern auch für die ganze Kultur-
welt. Ein gut Teil von dem, was insbesondere die
deutsche Sozialdemokratie geworden ist, hat sie Franz
Mehring zu danken. Seine vieljährlge Tätigkeit an der
Wochenschrift der Partei, Die Reue »seit, hat ganz be-
sonders dazu beigelragen, datz die Lehren von Marx
und Engels in der deutschen Sozialdemokratie feste
Wurzeln schlugen und ihre revolutionäre Kraft voll zur
Entwicklung kam.

Dies gilt auch von seiner Geschichte der deutsch cn
Sozialdemokratie. Der Verfasser hat es verstanden,
de» gewaltigen Stoff mit bewundernswerter Sachkennt-
nis zu behandeln. Die wunderbare .Klarheit des Siils
bei aller Kürze und Knappheit der Schilderung wirkt
aus den Leser in erfrischendster und geistreichster Weise.
Ganz besonders wird auch der Leier gefesselt durch das
Auftreten der Träger wohlbekannter Namen, unter
denen die beiden Unsterblichen, Karl Marx und Friedrich
Engels, ganz besonders hervorragen.

Die legten Jahre hatte sich Mehring von der Mehr-
heit der Partei zurrickgczogen, deren Politik er nicht
billigte. Jetzt hat ihn der Tod hinweggerafft, die Schat-
ten schwinde», und das Licht, das Mehrings Werke aus-
strahlen, wird um so intensiver leuchten, der Partei
und ihrer Entwicklung zum Heike.

Zum Schluß unseres Nachrufes wollen wir eine Äuße-
rung Viktor Adlers anführen, die er in der Wiener
Arbeiterzeitung veröffentlichte aus Anlatz der Heraus-
gabe des literarische» Nachlasses von Marx, Engels
und Lassalle, die von dem Wesen Mehrings als Mensch
und Schriftsteller ein im allgemeinen zutreffendes Bild
gibt. Viktor Adler sagt unter anderem:

Der Schreiber dieser Zeilen bekennt sich dazu und
weiß, datz er im Namen nicht allzu weniger spricht,
daß eine gewisse Unruhe wach wurde, stls-die Nachricht
kam, Franz Mehring sei ausersehen, den Nachlab von
Marx-Engels herauszugeben. Nicht als oh sich der ge-
ringste Zweifel an dem umfassenden ilLtssen und den
außerordentlichen Fähigkeiten des Verfassers der „Les°
fing-Legende", des Geschichtschreibers der deutschen So-
zialdemokratie hätte rühren können. Aber Mehring ist
auch ein glänzender Tagesschrtststeller, ein Polemiker
ersten Ranges und unterliegt gerade als solcher, wie
wir alle, den Lastern seiner Tugenden. Davon, von
dem Überschäumen des Temperaments, von der sich
vordrängenden Kraft einer nicht allen und nicht in allen
Stücken gleich sympathischen Persönlichkeit, die in der
Wertung von Dingxn und Menschen nicht nur von der
groben Leidenschaft des Tages, sondern auch von der
kleinen Laune der Minute beherrscht wird, war zu be-
fürchten, datz das ebenso notwendige wie ersehnte Werk
schädigende Spuren tragen werde. Nun wohl, wer mit
uns gezweifelt und gefürchtet hat, ist aufs glücklichste
enttäuscht und beschämt. Franz Mehring Hai in den
vier Bänden des „Nachlasses" ein Werk der Selbst-
überwindung, der Liebe, der Hingebung und des Fl ttzes
geleistet, wofür ihm der internationale Sozialismus,
die ganze gebildete Welt dauernden und innigsten Dank
schulden.

■J&k, \

Rn die deutsche Nationalversammlung.

Baut auf das Laus und richtet
die Masse fest ins Lot,
daß ihr den Lader schlichtet,
der mit Verderben droht.

Wir wollen bei euch stehen,
muß jeder Werkmann sein
und an die Arbeit gehen
vom Lass bis an den Rhein.

Dem Laus soll zugehören,
wer unsren Bund beschwor.

Daß Schwerter ihn nicht stören:

Volk, hüte Tür und Tor!

Im freien Land gebiete
allein der freie Geist,
der uns zu Brot und Friede
die neuen Wege weist.

Ein Band soll alle binden
zum Volke, frei und gleich.

Auch dich wird es umwinden,
du deutsches Österreich!

Nun baut und rührt die Lände,
hebt euer Werk heraus
und führt zu gutem Ende
ein freies Volk nach Laus. Karl Ars,er.

Weimar.

Die Stadt, in der die konstituierende deutsche
Nationalversammlung tagt und die sich rüh-
men kann, im Wettbewerb um diese Ehre selbst
einen so ausgezeichneten und allgemein be-
liebten Ort wie Berlin ausgestochen zu haben,
wurde bereits zur Zeit Karls des Großen ge-
gründet und hatte früher 39000 Einwohner,
deren Zahl sich aber seit dem plötzlichen Aus-
scheiden des Großherzogs im November vo-
rigen Jahres auf 38999 verringert hat. Sie
liegt an der Ilm und an dem uralten Asbach,
dessen Wasser jedoch im Gegensatz zu der gleich-
namigen Kognakmarke für den menschlichen
Massenkonsum ungeeignet ist.

Die Bewohner Weimars gehören zum thü-
ringischen Volksstamm, der mit den reinblü-
tigen Eiherrjeses-Sachsen nicht nur manche
sprachlichen Finessen, sondern auch die Tugend
der Höstichkeit gemein hat. Diese kam in allen
Zeiten besonders den Landesvätern zugute, die
mit allerhand ehrenden und schmeichelhaften
Beinamen, wie „der Sanftmütige", „der Groß-
mütige", „Hannepampel" und ähnlichen, aus-
gezeichnet wurden. Es ist nicht ausgeschlossen,
daß die Weimaraner von dieser schönen Sitte
auch gegenüber den hervorragendsten Depu-
tierten der Nationalversammlung Gebrauch
machen werden, und wir dürfen uns daher
nicht wundern, wenn die Namen „Ledebur
der Schweigsame", „Adolf der Schöne", „Eich-
horn der Wahrheitsliebende", „Leichenmüller
der Unsterbliche" usw. im ewigen Gedächtnis
der Nachkommen fortleben.

Seit der im Jahre 975 von Kaiser Otto II.
in Weimar abgehallenen Fürstenversamnilung
hat die Stadt keine derartige Vereinigung
welthistorischer Persönlichkeiten mehr gesehen.
Man beniühte sich daher nach Kräften, den
Abgeordneten den Aufenthalt so angenehm
wie möglich zu machen. Es war nicht ganz
leicht, in der kleinen Stadt die zum Versamm-
lungsort passende Lokalität zu finden. Zu-
nächst dachte man an das am Watzdorfplatz
gelegene Kohl-Haus, das schon seines Na-
mens wegen als Stätte parlanientarischer Ver-
 
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