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Weh, nun gibt'ü nichts mehr zu wollen!
Unser letzter Loffnungsstrahl
Ist verloschen und verglommen
An dem grausen Tag der Wahl.
Führerlos in fremde Ställe
Irrte ab der Wähler Schwarm,
Denn es mangelten als Lirten
Ihm der Landrat und Gendarm.
Junkers Klage.
Meine Firma, die bankrotte,
Änderte ich, schlau und fern —
Aber ach, nur wen'ge gänzlich
Dumme sielen drauf hinein.
Ach, und manche teure Leiche
Spült die Woge an den Strande
Irrend suchen meine Augen
Westarp, Kreth und Leydebrand.
Ja, nun gibt's nichts mehr zu wollen!
Mit der Junkerherrlichkeit,
Peitsche, Knüppel, Knut' und Sftbel,
Ist's vorbei für alle Zeit!
Neuen Tages Lelle blendet
Mich aus Nord, Süd, Ost und West —
Mürrisch krächzend fliegt der Uhu ,
In sein altes Ritternest. Tobt««.
Kriegsgewinnlers Abschied.
Von Armin!»«.
Lebt wohl, Germaniens Gauen,
Leb' wohl, mein Vaterhaus!
In ferne Lande ziehe
Für immer ich hinaus.
Adieu, Kontor und Börse,
Wir sehn uns nimmermehr!
Mein Äerz — juchhe — ist leicht und froh,
Doch mein Gepäck ist schwer.
In den verschwiegnen Tiefen
Des Koffers ruhen mir
Viel Tausend güldner Gulden
Und manches Wertpapier:
Die wohlverdiente Ernte
Aus Deutschlands großer Zeit,
Die bring' behende, eh's zu spät.
Ich jetzt in Sicherheit.
Zwar an der Grenze lauert
Des Zöllners Aug' auf mich.
Doch kenn ich tausend Kniffe
Und manchen schlauen Schlich;
Mein Ranzen, -der hat Falten,
In die kein Auge dringt:
Das muß ein schlechter Schieber sein,
Dem solch ein Schub mißlingt!
Schon grüße» mich die Firnen
Der steuermilden Schweiz,
Ihr Alpenglühen funkelt
Auf meinem Äilfsdienstkreuz.
Lebt wohl, ihr Volksgenossen,
Leb' wohl, mein deutsches Reich —
Ich habe meine Pflicht getan
Und scheide jetzt von euch!
Die wacht der ßevvobnbeii.
Skizze von P. E.
Nie im Leben wird der Gutsbe-
sitzer Herr v. Kohling die Wahl zur
ersten deutschen Nationalversamm-
lung und seine Wahlrede in der
Kreisstadt vergessen. Und dabei sing
alles so nett an und schien so glatt
zu enden.
Es war ja kein Vergnügen für
-inen derer v. Kohling, in dieser ab-
scheulichen Republik zu leben. Aber
was war zu tun? Sollte man die
Monarchie mit Dreschflegeln vertei-
digen? Nein,man mußtezusehen, daß
man unter den neuen Verhältnissen
nicht ganz unter den Schlitten kam,
wenn auch die gute alte Zeit des
Profits auf Nimmerwiedersehen ver-
schwunden war — man mußte sich
eben anpassen. So hatte Herrv.Koh-
ling gründlich — wenigstens für die
Gruß nach Bern.
Der internationalen EoziaUsteniionferenz!
über den Blukstrom, der uns gekrennl,
laßt uns goldne Brücken schlagen!
Einer soll dem ändern sagen.
Daß er ihn als Bruder kenn!.
Hinter der grauenvollen Nacht,
die uns alle schwarz verschlungen,
ist die Sonne aufgesprungen
und der helle Tag erwacht.
Dienen wir alle doch dem Licht
und dem Tag, der nun geboren,
sind dem Geiste zugeschworen,
der durch graues Elend bricht.
Beispiel und Liebe sind uns not.
Daß der Mensch sich wieder finde,
macht der Zeit zum Angebinde
dieses ueue Weltgebot:
Was wir wollen, was wir lreiben
sei von reinem Geist geleitet,
und daß unser Bund sich breitet:
Laßt uns in der Liebe bleiben! K.Biöger.
Öffentlichkeit — umgelernt. Er, der das Wor!
„Volk" sonst nur mit Nasenrümpfen, als ob
er etwas übles röche, ausgesprochen hatte,
war jetzt Vertreter der nationalen „Volks-
partei" geworden.
Die Krönung der Agitationsreise sollte die
Versammlung in der Kreisstadt sein, wo man
den Sozis gründlich durch volksfreundliche
Worte den Wind aus den Segeln zu nehmen
gedachte.
Leider kam es anders.
, Herr v. Kohling hatte schon zu Beginn seiner
Rede aus etlichen refpektslosen Zwischenrufen
gemerkt, daß viele Widersacher da waren, die
ihm nicht recht über den Weg trauten, und
er sprach daher noch volkstümlicher und re-
volutionärer als es in seinem Konzept stand.
Er behauptete, nie im Herzen mit dem alten
Regiment zufrieden gewesen zu sein, er rückte
gewaltig von Tirpitz und Ludendorff ab, ja
er bedauerte tief verschiedene monarchische
Entgleisungen.
Die Versammlung hörte ihn ruhig an. Und
dies, was ihn so erfreute, da er es für die
wohlverdienteFrucht seiner gewand-
ten Politik erachtete, wurde gerade
sein Verhängnis.
Denn Herr v. Kohling wurde jetz!
— zu sicher. Er hatte allmählich die
Empfindung, wiederin denherrlichen
Zeiten zu leben, wo kein Widerspruch
sich gegen ihn, die rechte Hand des
Landrats, hervorwagte, und er ge-
riet nun ganz in den Trott jener
Wahlrede, die er hunderte Male vor
den Landtagswahlen gehalten hatte.
Nun störte ihn auch nicht mehr
die wachsende Unruhe der Versamm-
lung. Er merkte es gar nicht mehr.
Mit der Faust auf das Rednerpult
aufschlagend, sprach er im Brustton
der Überzeugung von all den Dingen,
die früher stets so wirksam gewesen
waren und immer noch gezogen hat-
ten, wenn alles versagte: er sprach
von den bedrohten nationalen Heilig-
tümern und gegen den Schluß von
Altar und Thron als den Stützen
des Vaterlandes.
Er war so im alten, gut ausge-
fahrenen Geleise seiner Rede drin,
daß er gar nichts niehr um sich merkte
und sogar die halblauten Warnungs-
rufe des Versammlungsleiters über-
hörte. Zum Schluffe sorverte er die
Versammlung auf, einzustimmcn in
den Ruf: „Unser allergnädigster
Kaiser, König und Herr, er lebe
hoch — —" Hier konnte er aber nich!
Der einzige Trost.
„Laß nur gut sein, Vater, die Nahrungsmittelzufuhr wird nicht
ausbleiben, denn die ganze deutsche Handelsflotte ist unterwegs,
sagt Erzberger, um alles, was uns mangelt, heranzuschaffen."
„Kommen werden die Nahrungsmittel schon, aber bis dahin
sind wir alle verhungert."
Weh, nun gibt'ü nichts mehr zu wollen!
Unser letzter Loffnungsstrahl
Ist verloschen und verglommen
An dem grausen Tag der Wahl.
Führerlos in fremde Ställe
Irrte ab der Wähler Schwarm,
Denn es mangelten als Lirten
Ihm der Landrat und Gendarm.
Junkers Klage.
Meine Firma, die bankrotte,
Änderte ich, schlau und fern —
Aber ach, nur wen'ge gänzlich
Dumme sielen drauf hinein.
Ach, und manche teure Leiche
Spült die Woge an den Strande
Irrend suchen meine Augen
Westarp, Kreth und Leydebrand.
Ja, nun gibt's nichts mehr zu wollen!
Mit der Junkerherrlichkeit,
Peitsche, Knüppel, Knut' und Sftbel,
Ist's vorbei für alle Zeit!
Neuen Tages Lelle blendet
Mich aus Nord, Süd, Ost und West —
Mürrisch krächzend fliegt der Uhu ,
In sein altes Ritternest. Tobt««.
Kriegsgewinnlers Abschied.
Von Armin!»«.
Lebt wohl, Germaniens Gauen,
Leb' wohl, mein Vaterhaus!
In ferne Lande ziehe
Für immer ich hinaus.
Adieu, Kontor und Börse,
Wir sehn uns nimmermehr!
Mein Äerz — juchhe — ist leicht und froh,
Doch mein Gepäck ist schwer.
In den verschwiegnen Tiefen
Des Koffers ruhen mir
Viel Tausend güldner Gulden
Und manches Wertpapier:
Die wohlverdiente Ernte
Aus Deutschlands großer Zeit,
Die bring' behende, eh's zu spät.
Ich jetzt in Sicherheit.
Zwar an der Grenze lauert
Des Zöllners Aug' auf mich.
Doch kenn ich tausend Kniffe
Und manchen schlauen Schlich;
Mein Ranzen, -der hat Falten,
In die kein Auge dringt:
Das muß ein schlechter Schieber sein,
Dem solch ein Schub mißlingt!
Schon grüße» mich die Firnen
Der steuermilden Schweiz,
Ihr Alpenglühen funkelt
Auf meinem Äilfsdienstkreuz.
Lebt wohl, ihr Volksgenossen,
Leb' wohl, mein deutsches Reich —
Ich habe meine Pflicht getan
Und scheide jetzt von euch!
Die wacht der ßevvobnbeii.
Skizze von P. E.
Nie im Leben wird der Gutsbe-
sitzer Herr v. Kohling die Wahl zur
ersten deutschen Nationalversamm-
lung und seine Wahlrede in der
Kreisstadt vergessen. Und dabei sing
alles so nett an und schien so glatt
zu enden.
Es war ja kein Vergnügen für
-inen derer v. Kohling, in dieser ab-
scheulichen Republik zu leben. Aber
was war zu tun? Sollte man die
Monarchie mit Dreschflegeln vertei-
digen? Nein,man mußtezusehen, daß
man unter den neuen Verhältnissen
nicht ganz unter den Schlitten kam,
wenn auch die gute alte Zeit des
Profits auf Nimmerwiedersehen ver-
schwunden war — man mußte sich
eben anpassen. So hatte Herrv.Koh-
ling gründlich — wenigstens für die
Gruß nach Bern.
Der internationalen EoziaUsteniionferenz!
über den Blukstrom, der uns gekrennl,
laßt uns goldne Brücken schlagen!
Einer soll dem ändern sagen.
Daß er ihn als Bruder kenn!.
Hinter der grauenvollen Nacht,
die uns alle schwarz verschlungen,
ist die Sonne aufgesprungen
und der helle Tag erwacht.
Dienen wir alle doch dem Licht
und dem Tag, der nun geboren,
sind dem Geiste zugeschworen,
der durch graues Elend bricht.
Beispiel und Liebe sind uns not.
Daß der Mensch sich wieder finde,
macht der Zeit zum Angebinde
dieses ueue Weltgebot:
Was wir wollen, was wir lreiben
sei von reinem Geist geleitet,
und daß unser Bund sich breitet:
Laßt uns in der Liebe bleiben! K.Biöger.
Öffentlichkeit — umgelernt. Er, der das Wor!
„Volk" sonst nur mit Nasenrümpfen, als ob
er etwas übles röche, ausgesprochen hatte,
war jetzt Vertreter der nationalen „Volks-
partei" geworden.
Die Krönung der Agitationsreise sollte die
Versammlung in der Kreisstadt sein, wo man
den Sozis gründlich durch volksfreundliche
Worte den Wind aus den Segeln zu nehmen
gedachte.
Leider kam es anders.
, Herr v. Kohling hatte schon zu Beginn seiner
Rede aus etlichen refpektslosen Zwischenrufen
gemerkt, daß viele Widersacher da waren, die
ihm nicht recht über den Weg trauten, und
er sprach daher noch volkstümlicher und re-
volutionärer als es in seinem Konzept stand.
Er behauptete, nie im Herzen mit dem alten
Regiment zufrieden gewesen zu sein, er rückte
gewaltig von Tirpitz und Ludendorff ab, ja
er bedauerte tief verschiedene monarchische
Entgleisungen.
Die Versammlung hörte ihn ruhig an. Und
dies, was ihn so erfreute, da er es für die
wohlverdienteFrucht seiner gewand-
ten Politik erachtete, wurde gerade
sein Verhängnis.
Denn Herr v. Kohling wurde jetz!
— zu sicher. Er hatte allmählich die
Empfindung, wiederin denherrlichen
Zeiten zu leben, wo kein Widerspruch
sich gegen ihn, die rechte Hand des
Landrats, hervorwagte, und er ge-
riet nun ganz in den Trott jener
Wahlrede, die er hunderte Male vor
den Landtagswahlen gehalten hatte.
Nun störte ihn auch nicht mehr
die wachsende Unruhe der Versamm-
lung. Er merkte es gar nicht mehr.
Mit der Faust auf das Rednerpult
aufschlagend, sprach er im Brustton
der Überzeugung von all den Dingen,
die früher stets so wirksam gewesen
waren und immer noch gezogen hat-
ten, wenn alles versagte: er sprach
von den bedrohten nationalen Heilig-
tümern und gegen den Schluß von
Altar und Thron als den Stützen
des Vaterlandes.
Er war so im alten, gut ausge-
fahrenen Geleise seiner Rede drin,
daß er gar nichts niehr um sich merkte
und sogar die halblauten Warnungs-
rufe des Versammlungsleiters über-
hörte. Zum Schluffe sorverte er die
Versammlung auf, einzustimmcn in
den Ruf: „Unser allergnädigster
Kaiser, König und Herr, er lebe
hoch — —" Hier konnte er aber nich!
Der einzige Trost.
„Laß nur gut sein, Vater, die Nahrungsmittelzufuhr wird nicht
ausbleiben, denn die ganze deutsche Handelsflotte ist unterwegs,
sagt Erzberger, um alles, was uns mangelt, heranzuschaffen."
„Kommen werden die Nahrungsmittel schon, aber bis dahin
sind wir alle verhungert."