Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
>JÜG.‘5

Vor der Börse.

„Haben Sie schon die neueste Verlustliste gelesen?"
„Nanu, die gibt's doch gar nicht mehr."

„Nebbich, ich meine doch den Kurszettel!"

-Fä trovelMne.

Leise zieht durch mein Gemüt
Dunkles Magenknurren —
Klinge, deutsches Frühlingslied,
In das Taubengurren.

Kling hinaus ins Meergebraus,

Wo die Wellen fließen;

Kommt ein Lebensmittelschiff,

Sag, ich laß es grüße».



Da die bisherigen Steuervorschläge doch
nicht zur Schuldendeckung ausreiche» werden,
empfehle ich Steuern für politische Wetter-
fahnen, für Größe des Mundwerks, für Ver-
sprechungen bei Wahlreden und für solche, die nichts zugelernt und
nichts vergessen haben. Dann reicht's sicher.

■k

Die bürgerlichen Blätter dementieren heute, was sie gestern in Fett-
druck gebracht haben. Nächstens werden sie noch de» — Krieg dementieren.

*

Rußland sollte »ns endlich mal ivaS Schmackhafteres schicken als
Agitatoren. >

Jüngst sprach zu mir mein sanier Großer,

Als er mal wieder nicht versetzt:

„Papa, ick iverde "Arbeitsloser
Und lerne nur das Streiken jetzt!"
k

Es wird nicht besser, ehe nicht das Brot schwerer und die Bäcker
leichter, das Fleisch fetter und die Fleischer dafür magerer werden.

k

Natürlich haben die Junker blaues Blut. Jedesmal, wenn sie
„bluten" sollen, sagen sie: „Na, so blau!"

Dein getreuer Säge, Schreiner.

Böglers Jungfernrede.

Eine moderne Romanze.

Herr Bögler aus dem Rheinland sprach
Zu seinen, Ehgemahl:

»Zum Volksvertreter kürte man
Mich an dem Tag der Wahl.

In Stinnes' Dienst zu Streit und Sieg
Besteig' ich heut mein Pferd:

Drum reich' das alte Banner mir.

Den Harnisch und das Schwert!«

»Mein Bögler,« fleht die Gattin bang,
»Ich bitt' dich, bleib' zu Haus!

Die Sache läuft, ich fühle es,

Für dich nicht glimpflich aus.«

Herr Bögler hört' die Warnung nicht,
Rach Weimar ritt er ein.

Doch wie es dorten ihm erging.

War schmachvoll und gemein.

Verloren ging ihm Stinnes' Gunst,

Ging Gold und Lorbeerreis.

Und zu der Gattin trabt ec heim
Auf arg verdroschnem Steiß. B»ld»in.

csa

Lieber Wahrer Jacob!

Bei uns im Hause sehe ich oft eine Frau
Huber, von der man Fettigkeiten zu gesalze-
nen Preisen beziehen kann. Neulich hörte ich
im Vorbeigehen die etwas uinständliche Ge-
heimrätin im ersten Stock von ihr Abschied
nehmen:

„Aber Sie sind doch verschwiege», Frau
Huber's"

„Na und ob! Ich war zwölf Jahre lang
Pfarrersköchin; ich kann schweigen wie'» Koch-
topf, oder besser gesagt wie 'ne Bratpfanne."

„Bratpfanne . .. wieso V

„Die verrät auch nicht, wie oft sie ge-
braucht worden ist!" T.

In dieser Zeit der Kohlen- und Heizmaterial-
lnappheit empfiehlt sich die Anschaffung von
Ölgemälden. Nach einhelliger Aussage der
Fachleute machen Ölgemälde ein Zimmer warm,
gemütlich und wohnlich. ?rolmtuin est!

Lieber Jacob!

Solange ivie die jrvße Zeit war, hatten
wir jeden Monat mindestens eenen neien
Kriegsschauplatz in de unwahrscheinlichsten
Weitjejenden, wo ivir in de Schule nischt von
jelernt hatten. Un wenn wir mit de Zeit mit-
jehen wollten, denn mußten wir uff de Land-
karte nachsuchen, bis wir de betreffende Lo-
kalität jesunden hatten. Det hat nu 'n Ende,
un ick sirchtete schon, det wir in de Jeojrafie
zurickjehen wirden. Aber seit Spartakus seine
Wirksainkeit entfaltet hat, sind wir in diese
Hinsicht jeborje». Eenen Dag putscht er in't
Ruhrjebiet, dem nächsten in Oberschlesien, dem
dritten Dag jetzt et in Bremen los, dem vierten
in Minchen, dem fünften irgendw in Sachsen.
Un so wird man immer wieder uff neie jeo-
jrafische Jejenden ussmerksam jemacht. Wäh-
rend wir durch Ludendorff'n seineBemiehungen
ejal in de ausländsche Jeojrafie unterrichtet
wurden, bringt uns jetz Spartakus eene jrind-
liche Kenntnis von de vaterländsche Erdkunde
bei. Det sollte »ich unterschätzt werden.

Un wenn eener sich daran jewehnt hat, vier
Jahre lang jede zweete Woche'ne neie Kriegs-
erklärung entjejenzunehme», so kann det dank
Spartakus so bleiben. Et verlautet, det Rei-
nickendorf de diplomateschen Beziehungen zu
Amerika abjebrochen hat un det de Chemnitzer
Spartakistenarmee in Westfalen injerickt is un
det unsere Eichhorn-Jarde de Kriegserklärung
jejen de janze Entente bald erlassen wird. De
„jroße Zeit" is dann im janze» Umfang wie-
derherjesteüt.

Aber »ich bloß uff det Jebiet der Wissen-
schaften un der hohen Polletik beweist Spar-
takus seine erfolgreiche Wirksamkeit, sondern
er freist ooch in de innerliche deitsche Kultur
sejensreich ein. So hat er diese Dage 'ne janz
neie Art von hehere Jeselligkeit erfunden. Ick
meene det Arranschemang uff dem Ball der
Reinhardt-Truppen, wo pletzlich uin zwelf Uhr
nachts unjeladen eene Kompanie spartakistische
Tanzmeester erschien un det Verjniejen in
Schwung brachte. Verwundet wurde ja keener
»ich, da die Schüsse alle mißjlickten, aber
trotzdem muß man dem juten Willen aner-
kennen. Milleiärball rnitzivilistisches Schitzen-
fest zu eene eenzije stilvolle Lustbarkeet zu
vereinijen, is orijinell, da kannste sajen,
wat de willst. Wilhelm hat sich so ville
umsonstije Miehe jejeben, uns de verspro-
chenen herrlichen Dage entjejenzufiehren;
aber wat ihni in drei Jahrzehnte nich je-
lungen is, det kriegt Spartakus in drei Mo-
nate fertig!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'» Jörlitzer Bahnhof jleich links.

NedaMonSschluß 3. März iyi9.
 
Annotationen