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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 36.1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.8264#0051
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9667 »

^azarsttmspektsr. Ter
Herr Lazarettinspektor
Netzen den Herrn Wacht-
»reister bitten, sich heute
Abend zu einer wichtigen
dienstlichen Besprechung
im Dorf einzufinden.

Der alte Wachtmeister
schmunzelte. Das war die
übliche Formel der Ein-
ladung zu einem Saus-
selage. Er ging hin und
Eam sternhagelvoll zu-
rück, diesmal mit Unter-
stützung zweier Leute.

Einen Tag und zwei
Nächte schlief er durch,
indes der Vize feinen
Dienst machte, der den
Spieß grippekrank mel-
dete.

Als der Wiedergene-
sene in die Schwadron-
schreibstube trat,, über-
raschte ihn ein rätsel-
hafter Anblick. An sei-
»ein Platz saß der Kerl,
der Saudriller, und nn-
ierschrieb Schriftstücke.

Am Arm trug er eine
säte Binde. Uird die
Schreiber zogen die
»»terschriebenen Sachen
^vr ihm weg.

„Ja zum Deuwek, was
soll denn das heißen?"

ging süchtig aufSand-
Atter los, der sich nicht
ei»mal erhob und ihn
ioines Blickes würdigte.

Die Schwadronschrei»
der beeilten sich mit einer
doshaften Beflissenheit,

Ahnungslosen die
Sachlage zu erklären. Er
bofuhrzu feinem grenzen-
losen Erstaunen, daß er im Rausch einen ge'
'oaltigen Wandel der Dinge verschlafen Halle.
Deutschland war überRacht Republik geworden,
dieKommandogewaltwarindieHändevonSol-
^atenräten übergegangen, die Schwadron hatte
^»»dritter zu ihrem Vertrauensmann erwählt.

Der Wachtmeister, dem vor Katerweh noch
^ Knie schlotterten, sank vernichtet in einen
^tuhl. Er vermochte nicht, das alles geistig
so rasch zu verarbeiten.

Nach geraumer Zeit erhob er sich, schnallte
Wortlos seinen Säbel ab und reichte ihn dem
^oldatenrat Sandritter mit einem un sichern,
^»gstvollen Ausdruck in feinen Augen. „Ma-
$6« Sie mit mir, was Sie wollen."

Da ,erhob sich Saudriller.

»Herr Wachtmeister, Sie haben Glück. Ich
^atuliere Ihnen, und Sie können sich selbst
gratulieren, daß meine Wenigkeit und kein
Öderer durch die Wahl der Schwadron znin
^oldatenrat ernannt worden ist. Ich habe ver-
schiedene Hühnchen mit Ihnen zu rnpfen, das
'oissen Sie so genau wie ich. Aber mein Cha-
^»kter verbietet mir, meine Macht zu persön-
^cheu Rachezwecken auszunützen. Ich will an
schien ein Exempel statuieren, ein Exempel,

Das serbische Weltreich.

»Für uns Serben fleht seht die ganze Welt offen, denn dle Enlenke will uns wohl.
Montenegro ist unser, die Südslawen und Bulgaren annektieren wir sicher, — bleibt
nur noch Konstantinopel und das Goldene Horn!»

»Stehlen wir auch nach.«

Darüber ist deu Berli-
nern längst „ein Licht
aufgegangen", wenn sie
es auch nicht so einfach
haben wie die Sachsen,
die bekanntlich schon von
Natur „helle" sind.

Die Alldeutschen be-
haupten: „Die Sozial-
demokraten sind schuld
an Deutschlands Nieder-
gang." Das ist kein
Wunder, auch die Diebe
schreien am lautesten:
„Haltet den Dlcb!"

Warum verlassen jetzt
so viele die Kirche und
ihrenSeelenhirten? Weil
sie gemerkt haben, daß
sie da— belämmert sind.

Das Ruhrrevier soll
wegen seiner viele» wil-
den Streiks jetzt „Auf-
rnhrrevicr" heißen.

Alle Welt redet von
„Wiedergeburt" — aber
„wie neugeboren" fühlt
man sich gerade nicht!

Je mehr „Punkto" zu
den Friedensverhand-
lungen, desto unpünkt-
licher kommt der Friede.

Schwarz - Rot - Gold
find die neuen Reichs-
farben. Das ist aber
auch das einzige „Gold",
das wir noch haben!

das beweisen soll, daß in den Trägern der
neuen Macht ein höherer Begriff von Gerech-
tigkeit und Silllichkeit lebt, als in denen der
allen. In der neuen Zell, die jetzt angebrochen
ist, ist kein Raum mehr für Gemeinheit und
Niedertracht in der Menschenbehandkung. Ich
verzeihe Ihnen deshalb, was Sie mir angetan
haben. Behalten Sie Ihren Degen, mid machen
Sie Ihren Dienst in Zukunft ordenllich und
gewissenhaft."

Damll setzte fich Sandritter. Der gefallene
Spieß, der durch seine theatralische Degen-
übergabe den Eindruck der Größe erwecken
wollte, schlich beschämt davon.

Hinterher hatte Sandritter die Vorwürfe der
Soldaten auszuhalten wegen feiner unange-
brachten Milde. Aber er verwies ihnen ihre
Rachegelüste, und schließlich sahen sie selbst ein,
daß es so besser, schöner und würdiger war.

Zeitglossen.

In Berlin gibt es Sperrstunden für Gas
und Elektrizität; während dieser Stunden muß
man „fein eigenes Licht leuchten" lassen, wenn
man nicht „hinters Licht geführt" sein will.

Alles sucht Foch ans uns herauszupressen.
Sogar unseren Militarismus hat er sich an-
geeignet, und noch dazu ohne unsere Waffen-
strllstandskommission auch nur zu fragen.

„Völkerbund" — mit dem französisch-englisch-
amerikairischen Militarismus und Marinismus
dahsillerl Es gibt doch noch Ideale!

Erzberger — am Ende verlangen den die
Franzosen auch noch, da sie doch alle Gebiete
fordern, die Erz und Kohle führen!

Das „deutsche Vollblutpferd" ist zum hun-
gernden Droschkengaul herabgefunken. Wilson
lauftihm schon mit demHeubündel der„Lebens-
mittellieferungen" voran, um eszu immer neuen
Leistungen aufzumuntern.

Das „Selbstbestimmungsrecht der Nationen"
gleicht dem Monde: es erhält fein Licht immer
nur von einer Seite, nämlich von der Entente,
Darum können wir Deutschen auch, wenn wir
Selbstbestimmung wünschen, „in den Mond
gucken".
 
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