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der harte Knall von
Flintenschüssen herüber-
hallte, preßte sie, halb
ohnmächtig, beideHände
auf dieBrustund lauschte
aus der Küche nach dem
Erkerstübchen hinüber,
wo Gotthold vor den
Kriegsberichten des Jah-
res 1914 saß. Nun, da
geschossenwurde,mußte
er doch merken, daß etwas
ganzAußergewöhnliches
dort draußen vorging.
Er merkte es auch. Und
sagte einmal auf einen
angstvollen Blick seiner
Frau: „Es hilft nicht,
Mutter. Sie wollen's
nicht besser haben. Ich
hab'svorausgesehenund
wollte mit dem Stock da-
zwischen. Der Kaiser
stopft ihnen auf andere
Weise das Maul. . . .
Du erstaunst? Ja, er ist
da. Seine Fahne weht
vom Schloß."
Sic blickte ihn hilflos
an, als zweifle sie an
seinem Verstand.
„Hier, nimm dasGlas."
Er griff nach dem Krim-
stecher und sah zunächst
selbst zum Schlosse hin-
über. Er setzte es ab,
putzte die Linsen, sah wie-
der hindurch und schüt-
telte den Kopf. „Merk-
würdig. Mit meinen
Augen ist es nicht mehr
ganz richtig. Die sehen
wahrhaftig statt des Kai-
Hoffnungslos.
-Aus lst's! Jetzt gibt's auch keinen Stechschrttt mehr!«
serbanners jetzt eine rote
Fahne auf dem Schloß."
Sie hob den grauhaa-
rigen Kopf und sagte:
„Das täuscht wohl."
„Ja, natürlich. Aber-!"
Frau Lene stand auf,
nahm ihm das Glas aus
der Hand und sagte:
„Wir wollen es wegtun,
Gotthold. Du verdirbst
dir mit dem dummen
Ding wahrhaftig die
Augen." Und während
sie es tief in eine alte
Truhe versenkte, fragte
sie: „Wo stehst du jetzt
in der Kriegsgeschichte,
Gotthold?"
„Bei der Eroberung
von Antwerpen. Welch
Genuß, Mutter, diese
herrlichen Tage nachzu-
empsinden!"
„Ja, lies du nur, Va-
ter_Lies nur und laß
draußen draußen sein."
„Bis ich den Sieges-
marsch höre, Mutter!"
Erbegann den Pariser
Einzugsmarsch zu pfei-
fen und setzte sich vor
die Kriegslektüre.
Vom Schloß herüber
hallte gedämpft in ab-
gerissenen Intervallen
das schnelle Tacktack der
Maschinengewehre.
Und der alte, welke
Kopf der Frau Regen-
hart duckte sich tief und
ängstlich auf den Strick-
strumpf.
Streiflichter.
' Die bisherige göttliche Weltordnung hat ge-
nug Blut gekostet; es war höchste Zeit, ^daß
eine menschliche an ihre Stelle trat.
k
Ginge es nach den Ludendorffen der Feder
— wir würden auch noch den Frieden verlieren.
•k
Seit der Götzendienst des goldenen Kalbes
gestört ist, blüht die Anbetung von Papier-
grldelefanten. ^
Wer hundert Jahre klüger ist alS seine Zeit,
ist ein Genie; aber nützlicher ist rin begabter
Kerl, der nur fünf Jahre klüger ist.
k
Mancher möchte aus der werdenden neuen
Welt so ein Narrenhaus machen, wie's sein
eigener Kopf ist.
Familienjustiz.
Meyer sah seinen sechsjährigen Sprößling
feierlich an und erteilte ihm eine Backpfeife.
Der Junge heulte:
„Ich Hab' doch gar nichts getan, Vater!"
Worauf Meyer bestätigte:
„Hast du auch nicht. Aber du sollst sie dir
merken, wenn du so alt bist wie ich, und dann
sollst du sie weitergeben...."
„An wen, Vater?"
„... bis sie im Jahre 2000 meinen sechs-
jährigen Urenkel erreicht; der Lausbengel ist
nämlich klüger als sein eigener Urahn!"
Von der Börse.
An der Börse wurden Kuxe der Grube
„Deutsche Arbeit" mit zweihundertundsiebzig
angeboten.
„Deutsche Arbeit," fragt Meyer, „holt die
Kohlen oder Erz aus der Erde?"
„Fragen Se nich so dämlich: Profit holt
se 'raus!"
Was ist ein Widerspruch?
Wenn in einem kalten Zimmer jemand hitzig
wird, vor Wut kocht, vor Angst schwitzt, einem
Schuldigen einheizt, sich die Finger und den
Mund verbrennt, eine flammende Rede hält,
ein Freund für den andern durchs Feuer geht,
der Thermometer Wärme zeigt, wenn auch
nür 1 Grad.
Kein Feuer, keine Kohle
Kann brennen so heiß.
Als ein „Frieden der Versöhnung",
Von dem — niemand nichts weiß. . . .
Zeitgemäße Sprüche.
Morgenstunde sieht Hamster auf der Runde.
Ehrlich darbt am längsten.
Wucherhand geht durchs ganze Land.
Bescheidenheit ist eine Zier, doch besser
wucherst ohne ihr.
Not lehrt hamstern.
Not bricht Verordnungen.
Was der Hamster erwirbt, der Gendarm
verdirbt.
Heimliche Mühlen mahlen langsam, aber
teuer.
Hochmut kommt nach dem Kriegsgewinn.
Ration vergeht. Hintenrum besteht.
Schiebe was, so hast du was.
Die Reichswehr ist wohl gesichert, aber die
Reichswährung wird immer bedenklicher.
Es kann nur von Nutzen sein, wenn im
Braunkohlenrevier gestreikt wird, — da bleibt
die Kohle eben liegen, bis sie schwarz wird.
der harte Knall von
Flintenschüssen herüber-
hallte, preßte sie, halb
ohnmächtig, beideHände
auf dieBrustund lauschte
aus der Küche nach dem
Erkerstübchen hinüber,
wo Gotthold vor den
Kriegsberichten des Jah-
res 1914 saß. Nun, da
geschossenwurde,mußte
er doch merken, daß etwas
ganzAußergewöhnliches
dort draußen vorging.
Er merkte es auch. Und
sagte einmal auf einen
angstvollen Blick seiner
Frau: „Es hilft nicht,
Mutter. Sie wollen's
nicht besser haben. Ich
hab'svorausgesehenund
wollte mit dem Stock da-
zwischen. Der Kaiser
stopft ihnen auf andere
Weise das Maul. . . .
Du erstaunst? Ja, er ist
da. Seine Fahne weht
vom Schloß."
Sic blickte ihn hilflos
an, als zweifle sie an
seinem Verstand.
„Hier, nimm dasGlas."
Er griff nach dem Krim-
stecher und sah zunächst
selbst zum Schlosse hin-
über. Er setzte es ab,
putzte die Linsen, sah wie-
der hindurch und schüt-
telte den Kopf. „Merk-
würdig. Mit meinen
Augen ist es nicht mehr
ganz richtig. Die sehen
wahrhaftig statt des Kai-
Hoffnungslos.
-Aus lst's! Jetzt gibt's auch keinen Stechschrttt mehr!«
serbanners jetzt eine rote
Fahne auf dem Schloß."
Sie hob den grauhaa-
rigen Kopf und sagte:
„Das täuscht wohl."
„Ja, natürlich. Aber-!"
Frau Lene stand auf,
nahm ihm das Glas aus
der Hand und sagte:
„Wir wollen es wegtun,
Gotthold. Du verdirbst
dir mit dem dummen
Ding wahrhaftig die
Augen." Und während
sie es tief in eine alte
Truhe versenkte, fragte
sie: „Wo stehst du jetzt
in der Kriegsgeschichte,
Gotthold?"
„Bei der Eroberung
von Antwerpen. Welch
Genuß, Mutter, diese
herrlichen Tage nachzu-
empsinden!"
„Ja, lies du nur, Va-
ter_Lies nur und laß
draußen draußen sein."
„Bis ich den Sieges-
marsch höre, Mutter!"
Erbegann den Pariser
Einzugsmarsch zu pfei-
fen und setzte sich vor
die Kriegslektüre.
Vom Schloß herüber
hallte gedämpft in ab-
gerissenen Intervallen
das schnelle Tacktack der
Maschinengewehre.
Und der alte, welke
Kopf der Frau Regen-
hart duckte sich tief und
ängstlich auf den Strick-
strumpf.
Streiflichter.
' Die bisherige göttliche Weltordnung hat ge-
nug Blut gekostet; es war höchste Zeit, ^daß
eine menschliche an ihre Stelle trat.
k
Ginge es nach den Ludendorffen der Feder
— wir würden auch noch den Frieden verlieren.
•k
Seit der Götzendienst des goldenen Kalbes
gestört ist, blüht die Anbetung von Papier-
grldelefanten. ^
Wer hundert Jahre klüger ist alS seine Zeit,
ist ein Genie; aber nützlicher ist rin begabter
Kerl, der nur fünf Jahre klüger ist.
k
Mancher möchte aus der werdenden neuen
Welt so ein Narrenhaus machen, wie's sein
eigener Kopf ist.
Familienjustiz.
Meyer sah seinen sechsjährigen Sprößling
feierlich an und erteilte ihm eine Backpfeife.
Der Junge heulte:
„Ich Hab' doch gar nichts getan, Vater!"
Worauf Meyer bestätigte:
„Hast du auch nicht. Aber du sollst sie dir
merken, wenn du so alt bist wie ich, und dann
sollst du sie weitergeben...."
„An wen, Vater?"
„... bis sie im Jahre 2000 meinen sechs-
jährigen Urenkel erreicht; der Lausbengel ist
nämlich klüger als sein eigener Urahn!"
Von der Börse.
An der Börse wurden Kuxe der Grube
„Deutsche Arbeit" mit zweihundertundsiebzig
angeboten.
„Deutsche Arbeit," fragt Meyer, „holt die
Kohlen oder Erz aus der Erde?"
„Fragen Se nich so dämlich: Profit holt
se 'raus!"
Was ist ein Widerspruch?
Wenn in einem kalten Zimmer jemand hitzig
wird, vor Wut kocht, vor Angst schwitzt, einem
Schuldigen einheizt, sich die Finger und den
Mund verbrennt, eine flammende Rede hält,
ein Freund für den andern durchs Feuer geht,
der Thermometer Wärme zeigt, wenn auch
nür 1 Grad.
Kein Feuer, keine Kohle
Kann brennen so heiß.
Als ein „Frieden der Versöhnung",
Von dem — niemand nichts weiß. . . .
Zeitgemäße Sprüche.
Morgenstunde sieht Hamster auf der Runde.
Ehrlich darbt am längsten.
Wucherhand geht durchs ganze Land.
Bescheidenheit ist eine Zier, doch besser
wucherst ohne ihr.
Not lehrt hamstern.
Not bricht Verordnungen.
Was der Hamster erwirbt, der Gendarm
verdirbt.
Heimliche Mühlen mahlen langsam, aber
teuer.
Hochmut kommt nach dem Kriegsgewinn.
Ration vergeht. Hintenrum besteht.
Schiebe was, so hast du was.
Die Reichswehr ist wohl gesichert, aber die
Reichswährung wird immer bedenklicher.
Es kann nur von Nutzen sein, wenn im
Braunkohlenrevier gestreikt wird, — da bleibt
die Kohle eben liegen, bis sie schwarz wird.