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9679

Am Wegweiser.

Michel, entscheide dich, welchen Weg du gehen willst!

67- nobelfpänc. es

Herr Clemenceau zog voller Hohn
Für Ungarn die „Demarkation" —

Man könnt' es nicht mehr finden.
Verschwunden war's. Der ganze Rest
Bestand nur noch aus Budapest
Und seinen Kirchhofsgründe».

Als Ungarn darob sich empört.

Ward ihm die Forderung beschert
Als frohe Ostergabe:

Man zwänge ganz sie unters Joch
Und lasse nur — den Kirchhof noch
Und trag' sie dort zu Grabe!

•k

Unsere Monarchisten hoffen zu Ostern auf die Auferstehung — der
Hohenzollern und der hohen Zölle.



Mein Jüngster mich am Fest mit Fragen quälte.

Warum der Osterhase ivieder fehlte.

„Der Osterhase?" sagt' ich zu dem Knabe»,

„Den werden sie wohl ,schwarz' geschlachtet haben."

k

Es war höchste Zeit mit der Fettzüfuhr. Sonst hätten die Oster-
artikel ja nicht in „Fettdruck" gebracht werden können.

k

2(1» Osterfest wollte ick mir eine Fettlebe leisten un bestellte im
Restaurant einen Kalbsbraten. 2luf dem Teller war mit unbewaffnetem
Auge nur eine Kartoffel zu entdecken. „Sie, Herr von Ober," fragte
ich, „wo steckt der bestellte Braten?" „Sehn Se man jenau nach," be-
lehrte er mir, „der liegt unter die Kartoffel!"

Dein getreuer Säge, Schreiner.

Aus Polen.

Engländer: „Warum verletzt ihr denn
fortgesetzt den Waffenstillstand?"

Pole: „Tun wir gar nicht, wir wollen uns
nur überzeugen, ob der Militarismus noch in
Deutschland existiert!"

<35(35

Die Siegeseiche.

Sie steht aus dem Schmuckplatz vorm Ein-
gang der Schulzeschen Stahlwerke, und die
Einfriedigung zeigt die Inschrift:

„Friedrich Wilhelm Schulze pflanzte 1871
diese Eiche seinen 2lrbeitern als Bild deutscher
Kraft."

Neulich blätterte Theobald Schulze, der
Enkel und heutiger Kriegsgewinnler, in den
alten Geschäftspapieren. Und da fand er die
Siegeseichenrechnung von damals über 217
Mark 30 Pfennig. Hinten drauf aber hatte
Großvater Schulze geschrieben:

„Mit dem Laub mögen die Enkel sich als
Welteroberer bekränzen. Geht die Sache aber
schief, so sind die Eicheln als Kakao-Ersatz
verwendbar."

<35 <35

Von der Börse.

Ich Hab' mer verspekuliert, Moses. Ich geh'
jetzt nach Hause und schlitz' mer den Bauch
auf wie 'n Japaner."

„Gott der Gerechte! Womit?"

„Mit der Couponschere; damit haben se
schon, als ich drei Tage alt war, an mer'rum-
geschnitten . . . also soll se auch heute das
ganze Wertpapier annullieren."

Lieber Jacob!

Ick mechte Dir jcrne 'n freehlichet Osterfest
winschen, aber ick bin mir nich bewußt, ob bet
dies Jahr erlaubt is — ick meene det Oster-
fest. Denn che det in Berlin nich wieder de
jarantiert revoluzjonüre Ordnung herjestellt
iS, leben wir unter den Sejen von so ville
Verbote, det ick mir nich jeniejend auskenne.
Besonders jetz, wo de Machtverhältnisse noch
nich jeklärt sin un wo det, wat de eene Obrig-
keet jenehmigt, von de andere mit Todesstrafe
bedacht wird. De Rejierung winscht, det De
arbeeten sollst, aber wenn De in de Fabricke
kommst, denn fährt Dir der spartakistische
Obmann mit 'ne Handjranate unter de Neese.
Wie ick neilich nach Feierabend meine taub-
stumme Tante in Lichtenberg uff'n Plauder-
stindchen besuchen wollte, da hätte ick bei een
Haar 'ne Handvoll Maschinenjewehrkugeln in
de Plauze jekriegt, denn ick traf erst nach sieben
Uhr in den freindlichen Nachbarort ein un
hatte nich bedacht, det jeder unbescholtene
Birjer, der sich dort um diese Zeit uff de
Straße zeijen tut, erschossen werden sollte. Un
dadrum befinde ick mir ooch mit Ostern in'n
Dilemma. Uff meine diesbeziegliche Anfrage
bei't Pollezeipräsidijum, ob det dies Jahr er-
laubt is, wurde mir jesagt, ick solle mir in't
Ministerijum des Innern erkundijen, un hier
erhielt ick de Auskunft, det jeheere zu de jeist-
lichen Anjelejenheiten un ick misse mir schon
jietigst in't Kultusministerijum bemiehen. Ick
bemiehte mir, konnte aber ooch von den dor-
tijen Portiöh nischt Maßjebendes nich erfahren,
weil nach 2lbjang von 2ldolf Hoffmaun de
kirchlichen Feste in Unordnung jekommen seien
im man de betreffenden 2lkten noch »ich je-

funden habe. Um bei keene Instanz nich LInstoß
zu verursachen, habe ick mir also enschlossen,
det Fest mit Stillschweijen zu ignorieren, wat
sich ja ooch aus det jänzliche Alibi unserer
natierlichen Ernährungsverhältnisse schon von
alleene erjeben tut. Denn wie mir meine bee-
den Jingsten fragten, ob ick se dies Jahr Eier
verstechen wirde, da mußte ick ihnen mit die
Tatsache abweisen, det Deitschland seine sämt-
lichen verfiegbaren Osterhasen an de Entente
ausjeliefert hätte un wir nu uff de Ankunft
von de Lebensmittelschiffe lauerten, wat de
unverständliche Jugend aber leider nich so
treestlich beriehrte, wie uns erfahrene Leite,
die sich sagen, det den Pariser Kongreß doch
endlich 'n Karbidbrenner uffjehen muß, wenn
er sieht, wat er mit seine raffinierte Menschen-
liebe bei uns anricht't. Det Sprichwort sagt
zwar: „Salz un Brot macht Wangen rot",
aber de Erfahrung lehrt, det bei diese Ernäh-
rungsweise ooch de Jesinnung immer reeter
wird, un det ungarische Beispiel sollte nach-
jerade selbst so 'nen widerstandsfähijen Kopp
wie Clemenceau zum Nachdenken anrejen. Un
wie mir meine holden Kleenen keene Ruhe
nich liehen, da habe ick ihnen uffjefordert, det
se in Ermangelung von buntgefärbte Eier am
Ostermorjen nach Wilson'n seine vierzehn
Punkte suchen sollten, die wahrscheinlich in
irjendeene Dielenritze jeschliddert sin.

Det scheint mir det jeitjemäßeste Feiertags-
verjniejen zu sind, wat wir uns unter de jejen-
wärtijen Waffenstillstandsbedingungen leisten
kennen.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'» Jörliher Bahnhof jleich links.

RedaMonSschluß 31. Mürz 1919
 
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