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Zwei Sonette von Ferdinand Madlinger.
Gewalt gleich Recht?
Magister schätzten einst als Aufsatzthema:
Ein Urteil Gottes ist das Glück der Schlachten!
Die früher schon dies Diktum keck belachtem
Behielten Recht, es patzt nicht mehr ins Schema.
Eindringend zu durchleuchten das Problema,
Genügt's, die Kriegsgeschichte zu betrachten-
Wer könnte Gottes Rechtlichkeit noch achten,
Urteilte er durch jedes Strategema?
Bald sind wir unten, und bald sind wir oben,
Bald mutz man schimpfen, bald den Herrgott loben:
Kann man auf Kriegsglück einen Rechtsspruch gründen?
Wird sich der Sieg stets mit dem Recht verbünden?
Dem Wahrheitssucher will es füglich scheinen,
Mars sei als Schiedsmann klüglich zu verneinen.
Intellektuelles Hochstaplertum.
Die Übermenschen haben böse Tage:
Die Selbstanbeter, die den Abschluß pflegten
Und dünkelsatt fürs Volk Verachtung hegten.
Traf unser Sieg mit hartem Nackenschlage.
Die schon beim Kennwort »Soziale Frage«
Verekelt ihr Olympierhaupt bewegten.
Die Nietzschepfaffen, kurz die Unentwegten
Der Ichkultur, erheben laute Klage.
Der Bofel, wie sie sagen, dieser süße.
Schlug ihr geschraubtes Phrasentum in Scherben,
Das uns ersah zum Schemel ihrer Füße:
Ihr Hoffen ging nicht unverdient in Brüche:
Ausnahmemenschentum muß man erwerben
Durch große Taten, nicht durch große Sprüche.
Die neue Kirche.
Mehrere Pfqrrer sind der sozlmdeiiwkrallschen Parket
beigetreke».
Ein Tor geht auf. Frei wird ein Steg.
Die Pfarrer finden jetzt den Weg.
Sie kommen zu den Armen,
Für die ihr Lerr und Meister starb,
Mit liebendem Erbarmen.
Erschrocken steht ob solcher Tat
Der konststoriale Rat;
Er hält es für 'ne Ente.
Die feisten Lände ringt voll Gram
Lerr Superintendente.
Der patentierten Christenschar
Ist nun der Welten Ende klar.
Es grämt sich drob zu Tode,
Die gestern noch die Lerrin war.
Die Generalsynode.
„Was nun wohl aus der Kirche wird —
Denkt mancher runde Seelenhirt —
Wenn das sich mehren sollte?
Das Christentum wird dann
wohl gar
So, wie es Christus—wollte?"
, ,_ P. E.
Feiertag.
Skizze von L. P.
Weil er selten viele Worte
machte, nennen sie ihn den stillen
Hans. Als gar sei» einziger Bub
nicht mehr aus Frankreich heim
kam und sein braves Weib beim
großen Sterben an den Tod
glauben mußte, wurde er ein
ganz Stiller und Wortkarger.
Er hielt trotzdem den Kopf hoch,
den Nacken steif gegen Wider-
wärtiges im Proletarierleben
und die schweren Hände immer
arbeitsbereit, aber so wie früher
war es eben doch nimmer.
Feiertags saß er wohl in sei-
nen vier Wänden, machte sich zu
schaffen mit dem Vogel dort im
Käfig, hörte sein Liedlein, oder
griff »ach einem guten Buch. Aber
er fand eben doch die Gemütsruhe nicht mehr.
Eine Sehnsucht in ihm suchte und bohrte.
Eines Sonntags kam dem Hans ein Gedanke:
Erbauung dort zu suchen, wo es so viele
suchten: in der Kirche.
Er nahm seinen Rock vom Nagel, ging über
den Kirchplatz und mischte sich unter die Kirch-
gänger. Da gab es viel Kleiderstaat, vornehme
Leute und auch solche im einfachen Sonutags-
rock. Ein besserer Herr ging mit.einer Dame
in Samt und Seide an Hans vorbei. Hans
sah das noble Paar einen Augenblick still-
stehen, die Augen der Dame fuhren am Rock
des stillen Hans kritisch herunter und er hörte
die leise gesagten Worte der Dame: „Aber
Oskar, darf man in dem Aufzug, wie der
dort, zuin Gottesdienst?"
Nun ging das vornehme Paar durch das
Portal in die Kirche. Hans fand drinnen in
einer dunklen Ecke ein Plätzchen. Er musterte
die Kirchenbesucher. Ganz vorne in weichen
Polstersesseln saßen die Vornehmen. Wo die
Plätze der armen Leute begannen, war eine
ins Auge fallende Grenze gezogen. Da gab
es keine inodernen Damenhüte mehr, keinen
Putz und merklichen Sonntagsstaat. Das
waren alle seinesgleichen. Eine Welle von
Parfüm schlug noch herüber von den Sitzen
des Reichtums.
Den Hans überrieselte es. Auch hier in der
feierlichen Kirche war es genau so, wie im
rohen Alltagskampf der Welt draußen. Wo
die reine Quelle unverdorbener Menschlichkeit
springen sollte, drängten sich die Bilder der
sozialen Gegensätze hervor.
Brausender Orgelton unlerbrach den Ge-
daukengang des geistig Einsamen unter den
vielen. Hans hob den Kopf. Neugierige Auge»
sah er nach der Kanzel hin gerichtet. Ein
Flüstern ging durch die hohen Kirchenhallen_
Der neue Prediger.. ..
Nun war der letzte Orgelton verklungen
und der Prediger hob den zum Beten ge-
beugten Kopf und sprach zur Gemeinde: Ihr
sollt nicht mehr fordern, als euch der Herr
gibt_Mit friedlichen Gebärden unterstrich
er den Hinweis aüf die Entsa-
gung alles Irdischen. Schänder
an der ewigen Seligkeit sind die
unersättlichen Jäger nach irdi-
schenGlücksgütern! Armut bringt
uns den Himniel näher. Statt
mit Neid und Begehrlichkeit die
zu plagen, die der Herr mit
Erdengütern gesegnet hat, soll-
ten die Armen sich dem Willen
himmlischer Macht nicht wider-
setzen usw.
Der stille Hans war zornig.
Er suchte in den Gesichtern der
Menschen um sich die Zeichen
stiller, innerer Empörung, fand
aber nur gleichgültige, starre
Miene» da hinten bei seines-
gleichen und bei den Reichen
da vorn sogar zufriedenes Ge-
haben. Er war froh als er wie
die andern alle da um ihn, aus
der Kirche ins Freie, hinaus
konnte. Da hob sich seine Brust
und er atmete tief. Die dumpfe
Atmosphäre im Kirchcnraum
Das Lebensmittelschiff.
Endlich, nachdem Hunderkkausende verhungert!
Zwei Sonette von Ferdinand Madlinger.
Gewalt gleich Recht?
Magister schätzten einst als Aufsatzthema:
Ein Urteil Gottes ist das Glück der Schlachten!
Die früher schon dies Diktum keck belachtem
Behielten Recht, es patzt nicht mehr ins Schema.
Eindringend zu durchleuchten das Problema,
Genügt's, die Kriegsgeschichte zu betrachten-
Wer könnte Gottes Rechtlichkeit noch achten,
Urteilte er durch jedes Strategema?
Bald sind wir unten, und bald sind wir oben,
Bald mutz man schimpfen, bald den Herrgott loben:
Kann man auf Kriegsglück einen Rechtsspruch gründen?
Wird sich der Sieg stets mit dem Recht verbünden?
Dem Wahrheitssucher will es füglich scheinen,
Mars sei als Schiedsmann klüglich zu verneinen.
Intellektuelles Hochstaplertum.
Die Übermenschen haben böse Tage:
Die Selbstanbeter, die den Abschluß pflegten
Und dünkelsatt fürs Volk Verachtung hegten.
Traf unser Sieg mit hartem Nackenschlage.
Die schon beim Kennwort »Soziale Frage«
Verekelt ihr Olympierhaupt bewegten.
Die Nietzschepfaffen, kurz die Unentwegten
Der Ichkultur, erheben laute Klage.
Der Bofel, wie sie sagen, dieser süße.
Schlug ihr geschraubtes Phrasentum in Scherben,
Das uns ersah zum Schemel ihrer Füße:
Ihr Hoffen ging nicht unverdient in Brüche:
Ausnahmemenschentum muß man erwerben
Durch große Taten, nicht durch große Sprüche.
Die neue Kirche.
Mehrere Pfqrrer sind der sozlmdeiiwkrallschen Parket
beigetreke».
Ein Tor geht auf. Frei wird ein Steg.
Die Pfarrer finden jetzt den Weg.
Sie kommen zu den Armen,
Für die ihr Lerr und Meister starb,
Mit liebendem Erbarmen.
Erschrocken steht ob solcher Tat
Der konststoriale Rat;
Er hält es für 'ne Ente.
Die feisten Lände ringt voll Gram
Lerr Superintendente.
Der patentierten Christenschar
Ist nun der Welten Ende klar.
Es grämt sich drob zu Tode,
Die gestern noch die Lerrin war.
Die Generalsynode.
„Was nun wohl aus der Kirche wird —
Denkt mancher runde Seelenhirt —
Wenn das sich mehren sollte?
Das Christentum wird dann
wohl gar
So, wie es Christus—wollte?"
, ,_ P. E.
Feiertag.
Skizze von L. P.
Weil er selten viele Worte
machte, nennen sie ihn den stillen
Hans. Als gar sei» einziger Bub
nicht mehr aus Frankreich heim
kam und sein braves Weib beim
großen Sterben an den Tod
glauben mußte, wurde er ein
ganz Stiller und Wortkarger.
Er hielt trotzdem den Kopf hoch,
den Nacken steif gegen Wider-
wärtiges im Proletarierleben
und die schweren Hände immer
arbeitsbereit, aber so wie früher
war es eben doch nimmer.
Feiertags saß er wohl in sei-
nen vier Wänden, machte sich zu
schaffen mit dem Vogel dort im
Käfig, hörte sein Liedlein, oder
griff »ach einem guten Buch. Aber
er fand eben doch die Gemütsruhe nicht mehr.
Eine Sehnsucht in ihm suchte und bohrte.
Eines Sonntags kam dem Hans ein Gedanke:
Erbauung dort zu suchen, wo es so viele
suchten: in der Kirche.
Er nahm seinen Rock vom Nagel, ging über
den Kirchplatz und mischte sich unter die Kirch-
gänger. Da gab es viel Kleiderstaat, vornehme
Leute und auch solche im einfachen Sonutags-
rock. Ein besserer Herr ging mit.einer Dame
in Samt und Seide an Hans vorbei. Hans
sah das noble Paar einen Augenblick still-
stehen, die Augen der Dame fuhren am Rock
des stillen Hans kritisch herunter und er hörte
die leise gesagten Worte der Dame: „Aber
Oskar, darf man in dem Aufzug, wie der
dort, zuin Gottesdienst?"
Nun ging das vornehme Paar durch das
Portal in die Kirche. Hans fand drinnen in
einer dunklen Ecke ein Plätzchen. Er musterte
die Kirchenbesucher. Ganz vorne in weichen
Polstersesseln saßen die Vornehmen. Wo die
Plätze der armen Leute begannen, war eine
ins Auge fallende Grenze gezogen. Da gab
es keine inodernen Damenhüte mehr, keinen
Putz und merklichen Sonntagsstaat. Das
waren alle seinesgleichen. Eine Welle von
Parfüm schlug noch herüber von den Sitzen
des Reichtums.
Den Hans überrieselte es. Auch hier in der
feierlichen Kirche war es genau so, wie im
rohen Alltagskampf der Welt draußen. Wo
die reine Quelle unverdorbener Menschlichkeit
springen sollte, drängten sich die Bilder der
sozialen Gegensätze hervor.
Brausender Orgelton unlerbrach den Ge-
daukengang des geistig Einsamen unter den
vielen. Hans hob den Kopf. Neugierige Auge»
sah er nach der Kanzel hin gerichtet. Ein
Flüstern ging durch die hohen Kirchenhallen_
Der neue Prediger.. ..
Nun war der letzte Orgelton verklungen
und der Prediger hob den zum Beten ge-
beugten Kopf und sprach zur Gemeinde: Ihr
sollt nicht mehr fordern, als euch der Herr
gibt_Mit friedlichen Gebärden unterstrich
er den Hinweis aüf die Entsa-
gung alles Irdischen. Schänder
an der ewigen Seligkeit sind die
unersättlichen Jäger nach irdi-
schenGlücksgütern! Armut bringt
uns den Himniel näher. Statt
mit Neid und Begehrlichkeit die
zu plagen, die der Herr mit
Erdengütern gesegnet hat, soll-
ten die Armen sich dem Willen
himmlischer Macht nicht wider-
setzen usw.
Der stille Hans war zornig.
Er suchte in den Gesichtern der
Menschen um sich die Zeichen
stiller, innerer Empörung, fand
aber nur gleichgültige, starre
Miene» da hinten bei seines-
gleichen und bei den Reichen
da vorn sogar zufriedenes Ge-
haben. Er war froh als er wie
die andern alle da um ihn, aus
der Kirche ins Freie, hinaus
konnte. Da hob sich seine Brust
und er atmete tief. Die dumpfe
Atmosphäre im Kirchcnraum
Das Lebensmittelschiff.
Endlich, nachdem Hunderkkausende verhungert!