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9686

❖ Völkerverbrüderung ♦

Sei willkommen/ öu großer Tag!

Durch die Welt geht ein Glockenschlag/
Daß sie nahe/ die hehre Stunde/

Wo die Völker sich einen zum Bunöe.
Was wir in inniger Brunst ersehnt/
Was sich jahrhunöertlang hingeöehnt:
Frei unö gleich alle Völker öer Eröen -
Endlich soll es nun Wahrheit werden!

Staatenlenker und Diplomaten
Sitzen zwar auch zusammen und raten.
Wollen ein völkerbü'ndnis schließen.
Wandelnd die Welt zu Paradiesen,

Das sind nicht die rechten Propheten,
Die uns Helsen aus unsern Nöten,

Sind nicht wirkliche Kriedensbringer,
Nicht der Bestie Krieg Bezwinger.

Sind sie doch von dem alten Holz,
Macht- und geld- und nationenstolz,

Die am Nberlebten und Plten
Sich mit klammernden Kräften halten.

Soll das Völkerbündnis uns frommen,
Muß die Kraft aus uns selber kommen,
Müssenwir's selber gestalten ».formen,
Frei von alten, verbrauchten Normen,
Beiß aus unserm Innern entsprossen,
Tlus der Herzensglut der Genossen,
Pus der Bruderliebe der Freien,

Pus dem Gedanken des völ kerm ai e n!

Brüder, alle in Gst und West -
Laßt uns feiern versöhnungsfest!
Brüder ihr in Süden und Norden -

Macht euch frei von dem Massenmorden!
Laßt uns schlingen die Bruderhände
Au 'ner Kette ohn' Pnfang und Ende,

Fest umschließend das Schöne und Große,
Das da ruht in der Menschheit Schoße.

Der uns trennte, der grimme Streit,

Sei vergessen in Ewigkeit,

Wollen nach all dem blutigen Grauen
Wieder uns achten und uns vertrauen!
Sind wir nicht Menschen allesamt?

Nicht von gleichem Geschlecht entstammt?
Nicht durchlodert von einer Glut?

Nicht durchpulst von dem gleichen Blut?
Wozu ferner noch Knechtschaft und Awang?
Wozu ferner noch Herrschsucht und Drang?
Mle nur Brüder, einig und frei -
Völkerverbrüderung! Weltenmai ! E.Klaar.

Bilder vom schwäbischen Generalstreik.

Herr Bäuchle, Rentier im Vorderhause einer
lebhaften Straße in Stuttgart, hält es mit dem
Bürgerstreik. Er will sich auch aktiv betätigen
und macht daher am 1. April rechtzeitig mobil.

Indessen, mit des Geschickes Mächten ist
kein ew'ger Bund zu flechten, was Herr Bäuchle
am Abend seiner erschrockenen Hausfrau a<l
oculus demonstriert.

Mit schleunigster Beförderung ins Bett ist
der Bürgerstreik — soweit er Herrn Bäuchle
betrisst — beendet.

Wenden wir uns jetzt zu einem andern Bild,
das sich auf der gegnerischen Seite abgespielt
hat und zu einem ähnlichen Ergebnis führte
ivie in dem Bürgerstreik.

Genosse Schwitzgäbele aus Zwiefalten, ein
braver, wenn auch etwas rabiater Feilen^.
Hauer, der bei Bäuchle im Hinterhaus wohnt,
streikt natürlich auch, er muß streiken — es
ist ihm Wurst, ob der Streik spartakistische,
kommunistische oder bolschewistische Gründe
hat. Wie Herr Bäuchle, so steht auch Genosse
Schwitzgäbele am 1. April im mobilen Zu-
stand da, um zum Sammelplatz zu eilen, wo
die Genossen schon warten, um die alte Re-
gierung zu stürzen und die neue bolschewi-
stische Diktatur auf den Trümmer» zu errichten,
aus denen das neue Leben erblühen soll.

Die Zusammenkunft, an der Schwitzgäbele
teilnimmt, ist geschlossen worden mit einem
lebhaften Hoch auf die Diktatur des Prole-
tariats, worauf sich die Genossen zerstreute».
Merkwürdigerweise geriet Schwitzgäbele in
eine» Hansen alter Bekannter, die mit dem
Generalstreik nicht einverstanden waren und
nun Schwitzgäbele hänselten. Ein Wort gab
das andere, bis es zu einer ganz soliden Kei-
lerei kam, aus der Schwitzgäbele von einem
Schutzmann gerettet und »ach Hause gebracht
werde» mußte.

Da Bäuchle sowohl wie Schwitzgäbele gute
Schwaben sind, so werden sie noch oft an den
Generalstreik zu Stuttgart und an ihren Schiller
denken, was der wohl damit gemeint hat, als
er dichtete:

Das Alte stürzt, cs ändert sich die Zeit,

Und neues Leben, blüht aus den Ruinen.

&&

Der Faßlmacher.

Der Faßlmacher von Schneiterdingharting,
allen Respekt, ivie der seine Faßln macht.
Hundert Kilometer iveit darfst geh», bis du
wieder solche Faßln findst wie dem Faßl-
macher von Schnetterdingharting die seinige.

Freilich, was einer im Handgelenk hat,
braucht die Zung noch nicht zu haben.

Ist es neulich aufgetroffen, daß der Faßl-
macher .beichten hat müssen. Wie er drin im
Beichtstuhl kniet, tut er sich halt blutig hart.
Immer wieder setzt er an und stottert. . . .

Dem Pfarrer von Schnetterdingharting reißt
endlich die Geduld: „Korbini-Faßler," sagt er
vorwurfsvoll, „schämen tät ich mich, nicht ein-
mal ordentlich beichten zu können."

„So, Hochwürden, so?" schießt's dem Faßl-
macher raus, „könnt's Ihr 'leicht das Faßl-
machen besser?" Fritz Müller.
 
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