Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 36.1919

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8264#0106
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
9722

Hn die Internationale.

was schert uns Streit und Zanken
Der viplomatenzunft —

Gebt Raum jetzt den Gedanken
Oer menschlichen Vernunft!

Gebt Raum den großen Zielen,
Die immer uns vereint!

Laßt uns nicht fürder spielen
Zu andrer Nutz den „Feind".

Sie sitzen und sie hocken
Mit wahrer Bestiengier,

Die Seelen leer und trocken —
Rerls, zum Erbarmen schier!
Lebendig nur die Rache,

Die Zucht nach Macht und Gut —
Der allerschlechtsten Zache
weihn sie der Ihren Blut!

wollt ihr noch länger dulden
Vas Treiben dieser Schar?

Dein sträflichstes verschulden
wär's, fremder proletar!

Ihr schlagt euch selbst in Fesseln,
In Fesseln ohne Zahl,

Ihr peitscht euch selbst mit Nesseln,
In eurer Not und (hual!

Drum los von jener Horde,
Die nur in Habsucht brennt!
Zertrümmert sei die Pforte,
Die uns, die Rrmen, trennt!
Sind wir nicht alle Brüder,
vereint in Not und Tod?
Sind wir nicht alle Glieder
vom gleichen Rufgebot?

Reicht uns die Bruderhände,
Ihr Gleichen und ihr Frei'n,
Macht allem Streit ein Ende
Und laßt nun Friede sein!
was brauchen wir die Großen,
Ergraut in Lug und Trug?
wir, die vom Glück verstoßen,
wir sind uns selbst genug!

Ernst Ulaar.

o Zwei Sonette, o

Grundlage der klchtung.

Gebrochen hat der Freistaat mit der Übung.
Dem Volk um jeden Preis Respekt zu lehren;
vie Pflicht, Herkömmlichkeiten zu verehren,
Erfuhr im Umsturz eine jähe Trübung.

Vas lveriregistsr brüllte nach Verschiebung;
Rein Götze soll von alten Ehren zehren,
vie Welt zu neuen Größen zu bekehren,

Bedarf es bei den alten scharfer Siebung.

So ist es recht! Für uns hat nur Bewährung
2m Dienst derlNenschheit Rnspruch aufverehrung,
Nicht was die Rlacht gewaltsam hochgctricben;

Scheingut mag flatternd in den Wind zerstieben;
Dies ist aus solcher Zeit gewalt'ger Gärung
Oem Freiheitsfreund erfreulichste Bescherung.

Generalpardon für geistige Missetäter.

Wir tragen keinem nach die alten Sünden,

2m Wahn begangen gen den heiligen Geist,
Wer fürderhin dem Volk sich treu erweist,

Darf sich getrost mit uns zur Tat verbünden.

Uns liegt es sern, rachsüchtig zu ergründen,

Wie und warum ein Ehrenmann entgleist,

Wer durch den 2rrtum zu der Wahrheit reist,
Dem wird das Volk 2nüemnität verkünden.

Der proletar verfolgt Gssinnungsschwenkung
Nicht unversöhnlich mit bewußter Kränkung,
Wer möchte kleinlich nach Vergeltung gieren?

Was war, verschwinde still in der Versenkung,
wir wollen, Rraft nicht nutzlos zu verlieren,
Großdenkend allen Unsinn amnestieren. $. nt.

Am den Nobelpreis 1919.

Für de» Wettbewerb um den Nobelpreis,
der bekanntlich alljährlich derjenigen Person
znfälll, die die Weltfriedcnssache am wirk-
samsten gefördert hat, sind dieses Jahr auch

Anträge eingelaufen von General Ludendorff,
Großadmiral Tirpitz und dem Ministerpräsi-
denten Clemenceau. Ans den Begründungen
der Bewerber seien folgende Stellen ange-
führt:

General Ludendorff: „Habe durch Pa-
role ,Durchhalten' 2^4 Millionen Soldaten der
Mittelmächte und 4'/e Millionen von der En-
tente zum ewigen Frieden verholfen. Unge-
zählte Zivilisten, Kinder, Weiber folgten nach.
Leider verhindert worden, ganze Arbeit zu
machen. Immerhin Rekordziffer erreicht. Be-
antrage Preis."

Großadmiral Tirpitz meint: „Wenn auch
die Oberste Heeresleitung das Verdienst in
Anspruch nehmen kann, zahllose Soldaten in
die Gefilde der Seligen verpflanzt zu haben,
so hätte mein System des U-Bootkriegs doch
entschiedener gewirkt. Die Versenkung der
Welttonnage hätte nicht nur Kriegführende,
sondern alle Nationen des Erdkreises allmäh-
lich in den Zustand versetzt, wo ihnen nichts
mehr weh tut. Fatalerweise ging mein ver-
blendetes Vaterland nicht bis zuletzt mit mir.
Hätte sicher Erfolg gehabt,"

Ministerpräsident Clemenceau läßt
sich so vernehmen: „Durch gewinnendes Be-
nehmen und konziliante Haltung in Versailles
schuf ich die Grundlage einer wahrhaften,
immerwährenden Völkerverbrüderung. Mein
Friedensentwurfist ein diplomatisches Meister-
werk, das an hohem humanitärem Gehalt die
Bibel weit in Schatten stellt und bewirkt, daß
der Weltkrieg bei niemandem einen Stachel
zurückläßt, und der Friede sich des uneinge-
schränkten Beifalls aller Parteien erfreut. Ob-
wohl daher der Preis ohne Zweifel mir ge-
bührt, bin ich doch aus reiner Nächstenliebe
bereit, freiwillig zurückzutreten, falls ein lieber
deutscher Menschenbruder darauf Anspruch er-
hebt."

Das Preiskomitee befand sich in arger Ver-
legenheit angesichts dreier so würdiger und

durchaus gleichwertiger Bewerber. Sie kam
jedoch schließlich überein, daß der Friedens-
preis keinem der genannten Menschenbeglücker
zuzusprechen sei, sondern vielmehr einem ge-
wissen Wilhelm Zoller, Privatier in Ame-
rongen (Holland), durch dessen Rücktritt aus
seiner früheren Stellung nach fast unbestrit-
tener Anschauung der Menschheit der Glaube
an die Möglichkeit eines Weltfriedenszustan-
des die größte Stärkung erfuhr. M.

GS&

Vom barmherzigen Samariter.

Es fiel ein Mensch unter die Räuber, die
zogen ihn aus und schlugen ihn und ließen
ihn halbtot liegen. Über ein Weilchen aber
kam ein barmherziger Reisender, der nahm
sich seiner an und verband seine Wunden,
auch gab er ihm notdürftig Kleidung und ein
wenig zu essen. Und dann sprach er zu ihm:
„Siehe, du kannst für mich arbeiten, bis du
mir alles bezahlt hast!"

Der geschlagene Mensch war's zufrieden.
Eines Tages aber wunderte er sich, daß er
aus seinen Schulden nie 'rauskam, und da
grübelte er über seinen Wohltäter nach. —
„Sonderbar!" meinte er kopfschüttelnd. „Ich
häb's immer für Zufall gehalten, daß der
Hauptmann der Räuberbande und mein barm-
herziger Reisender ein und dasselbe Gesicht
halten, aber sie sind sich auch inwendig gleich!"

T.

Schüttelreim.

In einem Unterstand eines württembergi-
schen Regiments in den Vogesen fand sich fol-
gender Vers auf eine Minenbohle geschrieben:
„Beim Dünnbier aus dem Schwabenland
Mir alle Lust zum Laben schwand;

Was die jetzt ein Gebräue sieden.

Als ob sie darin Säue brieten!" M.
 
Annotationen