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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 36.1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.8264#0118
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9734

♦ Weltwende ♦

Nun ist der blutige Krieg zu Ende,

Der Krieg der Diplomatenzunft,

Der Krieg der stahlbewehrten Hände,
Der blutestrunknen Anvernunft.

Aus düstrem Friedensdokumente
Klingt's stöhnend über Land und Meer —
Aus seinem letzten Testamente
Weht einmal noch sein Pesthauch her.

Aus dreisten Diplomatenworten
Klingt uns ans Ohr vertrauter Gruß;
Aus giftgeschwängerten Netorten
Erwuchs dort ein Homunkulus.

Kein Gott blies ein den Lebensodem,

Aus trübem Hexenkessel ftank's
And glorreich stieg aus Höllenbrodem
Die neue heilige Alliance. . . .

Noch einmal suchet jetzt zu retten
Gott Kapital die Macht, sein Gold;
Noch einmal schlägt er hart in Ketten,
Was zukunstsfroh ans Licht gewollt.
Noch einmal giert er nach den Zinsen
Des Blutgeschästs, der Völkerqual.

Des Mammons kalte Wächter grinsen
Noch einmal heut — zum letztenmal.

Einst ward der Drachenkopf zerspalten
Bei junger Freiheitssahnen Wehn

Der heiligen Alliance, der alten-

Der neuen wird's nicht besser gehn!

Der Krieg der alten Hexenmeister
Ist aus! Das Blut im Sand verrinnt.
Der neue Krieg, der Krieg der Geister,
Der wahrhaft „heillge Krieg" beginnt.

P. E.

Zum Versailler Zriedensvertrag

Die Mantelnote des abgeänderten Vertrags
qualifiziert sich als Versuch, uns die bittere
Pille des Vernichtungssriedcns nach Möglich-
keit — zu vergiften.

*

Die„Kriegsschuldigen"ausliefern! Ungeheuer
beschämend für eine Nation, die das tun
müßte. Aber nm wieviel beschämender für
die, die es verlangte!

k

Mit der Nibelungentreue zog Deutschland
in den Krieg. Das alte Heldenepos hat auch
sonst noch zu Vergleichen herhalten müssen.
Wir hatten eine Siegfried-, Günther-, Hagen-,
Gernot-, Giselher-, Volker-, Kriemhild-Stel-
tung. Zurzeit haben wir der Nibelungen Not.
Die Parallelen sind komplett bis auf eine: den
Nibelungenhort, den haben wir nicht.

*

Wer sein eigenes Volk ehrlich liebt, hat
auch Achtung vor andern Völker»; wer aber
andere Völker haßt, ist auch fähig, sein eigenes
Volk zu verachten.

*

Die Entente hat sich angeblich immer für
das Verschwinden des Machiavellismus aus
dem Völkerleben eingesetzt, für die internatio-
nale Moral, für Treu und Glauben im diplo-
matischen Verkehr. Das hat sie nicht gehin-
dert, vom Versailler Entwurf eine zweite, im
Wortlaut vom ersten abweichende Ausgabe
zu drucken und sie unserer Kommission in die
Hände zu legen, in der Hoffnung, man würde
die Änderungen nicht merken. Was sagt der
Wcltmornlpauker Wilson zu dieser Gaunerei?

Wie wir aus Paris erfahren, bereitet die
Entente zurzeit eine Zusatznote vor, die/fol-
gende Forderungen enthalten soll:

1. Deutschland soll durch Unterschrift be-
kennen, daß es am Sündenfall Adams und
Evas, sowie an der daraus resultierenden
Belastung des Menschengeschlechts mit der
Erbsünde der allein Schuldige ist, weswegen
ihm der Aufwand sämtlicher Kultgemeinschäf-
ten für die Entsühnung der Seelen aufzu-
bürden ist.

2. Eine alliierte Kontrollkommission soll das
Fortpflanzungsgeschäft Deutschlands in der
Weise regeln, daß diese Handlung von jedem
Deutschen nur gegen einen von der Entente
in jedem Einzelfall einzuholenden Erlaubnis-
schein vorgenommen werden darf.

3. Da Deutschland für unwürdig erklärt
worden ist, wilde Völkerschaften zu erziehen
und zu kultivieren, so soll es,, um sich für
späterhin diese unerläßliche Qualifikation zu
erwerben, gehalten sein, einen Kurs in Kolv-
nialmoral bei England zu belegen. Es wird
dabei besonders in die Praktiken der Nieder-
werfung des Sepoy- und des Burenaufstandes
eingeführt werden.



Im Völkerbunds- und Weltfriedensmuseum
zu Paris dürfte man später einmal unter Glas
folgende Gegenstände zu sehe» bekommen:

Den Federhalter mit der goldenen Feder
und dem Tintenfaß, die Clemenceau bei der
Unterschrift des Versailler Friedens benutzte.

Die Maske, die bei dieser Gelegenheit Wilson
fallen lieh.

Die Schuppen, die dem deutschen Michel
da von den Augen fielen.

Den Bogen, den die Entente dabei über-
spannt hatte. Panlranz Bittermau!

Glossen

Die Entente will im Zeichen jenes Kreuzes
siegen, an das im heidnischen Rom die Sklaven
geschlagen wurden. ^

Wilhelm II. hat die weltgeschichtliche Suppe,
die wir jetzt auslöffeln müssen, zwar fertig-
gekocht, aber eingebrockt hat sie uns Bismarck!

k

Ein anständiger Kerl auf der Gegenseite
ist der Vulkan Stromboli: der hat bei dem
Schindluderspiel um ihn herum das Speien
bekommen.

k

Man kann dem ollen, ehrlichen Zentrum
die Unliebenswürdigkeit nicht ersparen, daß
es sich nur als politischer Nachtwächter am
Rhein beivährt hat.

k

Jetzt muß jedermann aufpassen, daß uns
die Kapitalisten nicht auskneifen, als höch-
stens ins bessere Jenseits.

k

Man braucht Jahre, um sozialistisch denken
zu lernen, aber Tage genügen, um Fanatiker
des unverstandenen Sozialismus zu schaffen.

k

Unsere deutschen Sedanfeierer sind reichlich
spät dahintergekommen, wie die Kehrseite der
Medaille von 1871 aussieht.

k

Wie es heißt, ivill der Wilsonsche Völker-
bund Kriege nur gegen Vorausbezahlung der
Kosten gestatten. *

Die Irländer sterben bekanntlich, weil sie
zu viel Karioffelnahrung zu sich nehmen. Die
Beneidensiverten! Wir werden nm Gegenteil
sterben. t
 
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