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Die Entlarvung

Der Vorhang, der soeben fiel.

Ging nochmals auf. Es wird gepfiffen.
Das war ein dreistes Gaukelspiel;

Ein jeder Hörer hat's begriffen:

Es ist dereinst von diesem Fall
In der Geschichte Buch zu lesen:

Die großen Heldenspieler all
Sind triste Komiker gewesen.

Wie flochten sie ums eigne Haupt
Des Vorschußlorbeers bill'ge Reiser —
Wie haben sich emporgeschraubt
Die Prinzen, Kanzler und der Kaiser!
Bengal'sches Licht umströmte sie.

And jeder selbstgefällig prahlte
And höhnte dreist die Galerie,

Die doch das ganze Spiel bezahlte.. .

Wie standen sie unnahbar groß
Als Besserwisser über allen —

Wie sind sie jetzt so klein und bloß.
Wo alle Prachtgewänder fallen!
Sie deklamierten heiß beseelt
Als größte Helden aller Zeiten —
Ihr Atem stockt, die Schminke fehlt
Der göttlichen Ansehlbarkeilen.

... Es ward bezahlt mit Blut und Leid
Die furchtbar blutige Tragödie;

Doch unbezahlt blieb noch bis heut
Die tückische Geheim-Komödie.

Das Spiel war lang, lang die Geduld,

Die Leiden lang, die unerhörten.

Groß ist der Frevel, groß die Schuld,
Groß wie — die Rechnung der Empörten!

P.E.

Der Unfruchtbarkeit Ursache

von Ferdinand Madlinger
Oer Fricdensgeist der Internationale
Stand unterm Schatten schändlichster Verachtung:
Oes ruhmesdürst'gen Bürgersinns Umnachtung
Trieb so zum fürchterlichsten wcltskandale.

Da griff ein Wandel platz in der Betrachtung:
Der Brave goß enttäuscht des Zornes Schale
llus auf die Träger jener Ideale
Ini Ungesicht der Menschenmassenschlachtung.

Ihr schmäht mit Unrecht! Wolltet ihr genießen,
So dürft' euch saure Krbeit nicht verdrießen,

Ts kommt von selber nichts uns zugeflogen:

Den Menschheitsgarten muß man sorgsam gießen,
In dem einmal die Friedenssaaten sprießen;

Oer Träge ist um den Ertrag betrogen.

Vom erlauchten Sägergewerbe
Ein Korrespondent des „Matin", der den
Exkaiser in Amerongen gesehen hat, teilt mit,
daß er stark zum Embonpoint neige und des-
halb seine Zeit mit Holzsägen verbringe. Für
uns ist immerhin beruhigend, daß Seine Maje-
stät so gut im Futter steht, daß Maßregeln
gegen Höchstihre Fettleibigkeit nötig sind. Das
Volk ist nicht in der glücklichen Lage.
k

Wilhelm von Hohenzollern am 1. August
1914: „Nun aber wollen wir sie dreschen."

Wilhelm von Amerongen am 1. August 1919:
„Nun aber wollen wir Holz sägen!"

■k

Wilhelm der Gernegroße hat schon früher
mit ungeheurer Leidenschaftlichkeit dem Holz-
sägesport gehuldigt. Hat er doch sogar den
Ast abgesagt, auf dem er saß.

Berlin W würde gewiß enorme Preise be-
zahlen für Kleinholz, das der Kaiser gesägt
hat. Welche ergiebige Geldquelle ließe sich da
für den Staat erschließen!

k

Bei der Arbeit wird der fürstliche Säger
manchmal nachdenklich. So soll er einmal ge-
äußert haben: „Wie viele Millionen Menschen
wären noch ani Leben, wenn ich egal Holz gesägt
hätte, statt in die Politik zu pfuschen!"
k

Zwischendurch soll er manchmal das Lied
summen: „Gar lustig ist die Sägerei allhier
auf grüner Au!" ^

Als kostbare Reliquie soll dem Hohenzollern-
museum überwiesen werden ein Schweinsnabel,
den der hohe Säger zum Einfetten der Säge
benützt hat. Nikolaus Kloyhuber

Erkenntnis

Zwei alldeutsche Kriegshetzer aus der ehe-
maligen kaiserlichen Militärkamarilla unter-
halten sich.

„Zum Rasendwerden mit dieser Vermögens-
abgabe, Sozialisierung, Reichsnotopfer. Ein-
ziehung der Kriegsgewinne und weiß der
Teufel was noch alles."

„Ich finde, Herr Graf, daß wir verhältnis-
mäßig noch gut davonkommen."

„Na, erlauben Sie, gut? Wieso gut?"

„Wenn man bedenkt, daß wir eigentlich ge-
henkt gehören. . . ." F. M.

Die Energiequelle

Neulich weilte ich als Gast bei den Demo-
kraten und fand, daß der gefeierte Volksredner
Schulze recht schlapp redete. Schließlich merkle

er's selbst; er unterbrach seinen Vortrag und
bat um Entschuldigung für zwanzig Minuten.

Ms er wieder auf dem Podium stand, war
er wie neugeboren, und die demokratischen
Ideale flogen ihm aus dem Munde wie aus
einem Maschinengewehr.

„Wo mag er inzwischen gewesen sein?"
fragte ich einen Kenner.

„Unser Schulze läuft in solchen Fällen rasch
nach Hause und stellt sich mit dem Hintern
vor seinen Geldschrank; dadurch lädt er sich
wieder voll Heldenmut wie eine elektrische
Batterie!" _^ T

Glossen

Aus manchem Deutschen spricht der Dichter
und Denker nur als Lügner und Stänker.

k

„Nie soll sich ein Blatt Papier zwischen
mich und mein Volk schieben!" rief ein ver-
fassuugsscheuer Hohenzoller, und der tarif-
scheue Junker von heute ruft's nach.

k

Selbst der mehrfache Millionär wird noch
rücksichtsvoll angefaßt und nur halb geschoren
. . . wie 'n Luxuspudel!

k

Streitlustige sollten niemals vergessen, daß
der Streik erst am siebten Tage der Schöpfung
erfunden wurde. ^

„Ich habe immer das Beste gewollt!" sagte
der sterbende Protz, und alle Anwesenden
iveinten; die Gedanken des Sterbenden aber
weilten in einem Delikatessengeschäft.

k

In geschlossener Gesellschaft wird die Gegen-
revolution vorbereitet; als „geschlossene Ge-
sellschaft" wird sie auch enden! T

Soeben sind erschienen: Briefe aus Sowjet-Rußland. Don Paul Glberg. 146 Seiten. Preis gebunden Mark 3.50. Wer sich
unterrichten will über die Derhältnisse in Sowjet-Rußland, muß diese Schrift lesen. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen
und Kolporteure, sowie von dem Unterzeichneten Verlag I.H.w.vietz Rachf. G.m.b.H. in Stuttgart.
 
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