Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 36.1919

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.8264#0229
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
9845

Den Bauern zum Erntedankfest

Hart wie öle Pflugschar, die die Scholle bricht,
Schwer wie der Boden, der die Frucht getragen,
Sind eines Bauern Tagewerk und Plagen,

Doch stahlhart wie sein Herz, nein, sind sie nicht.

Bang naht der Staötmensch ihm, der arme Wicht,
Mit schmalem Beutel und mit leerem Magen.
Zahlt, zahlt! Zahlt hoch! Wenn nicht-müßt ihr
entsagen,

Ergeht der Spruch, so kalt wie vor Gericht.

Nun Bauer, merke aus: Wir müssen darben,

Dir aber füllt die Taschen der Gewinn
von jenem, was wir sorgenvoll erwarben.

Noch gibt der Hunger es geduldig hin,

Doch steigt die Not und will sie nicht vernarben,
Was dann? Lenk nach - es ist nicht ohne Sinn.

Walter Bahr.

Neue Tierfabeln

Ein Storch hatte auf seiner Winterreise
nach den warmen Länder» innige Freundschaft
mit einem Flamingo geschlossen. Er erzählte
ihm von seiner Sommerheimat im schönen
Deutschland mit den saftigen Wiesen voll
Schnecken und Fröschen. Der Flamingo ist
begeistert und verspricht, znm Sommer mitzu-
reisen in das schöne nördliche Land. Und so
geschah's. Der Storch findet sein altes Nest
und teilt es mit dem neuen Freund. Am
nächsten Tage geht er mit seinem roten Fremd-
ling auf die Wiesen, um ihm alle Schönheiten
zu zeigen. Ein Jäger bemerkt den Exoten und
knallt ihn nieder als seltsame Beute. Ter Storch

fliegt bekümmert von dannen. „Merkwürdig."
murmelt er auf seinem Neste, „unseresgleichen
hat noch kein Jäger totgeichossen. Es muh
doch in Deutschlano viele Leute geben, die die
rote Farbe nicht leiden können."

*

Zwei Hähne waren auf einem Hühnerhof.
Da sagte eines Tages der alte Hahn zu dem
jungen: „Du bist nun so weit, einer Hühner-
herde selbständig vorzustehen. Weiht du, was
du zu tun hast?" „Ja," erwiderte der junge
Hahn, „ich warne vor Gefahren, scharre und
rufe die Hühner, wenn ich gutes Futter ge-
funden haste." „Dummkopf", platzte der Ate
heraus, „dabei gehst du zugrunde. An selten
Stellen frißt du selbst, an mageren tratzst du
und rufst das Volk. Den Anschein nach außen
wahren und sehe», ivo man bleibt, ist die
Quintessenz aller Herrschaft."



Ein Fuchs lauerte vor dem Loche eines
Hasen, der sich aber durchaus nicht sehen lassen
wollte. „Mein Lieber," rief der Fuchs in das
Loch, „komm doch heraus. Ich tue dir nichts!
Wir leben doch jetzt in ganz anderen Zeilen.
Wir Tiere haben Freundschaft miteinander
geschlossen. Komm heraus, daß ich mit Euch
ewigen Frieden mache!"

„Ich trau Euch nicht," rief der Hase von
weitem, „womit wollt Ihr Euch künftig
nähren?" „Von Gras und Kräutern!" rief
der Fuchs, „und damit Ihr seht, daft ich's
ehrlich meine, fange ich heute damit an."

Damit rannte der Fuchs aus die nächste
Kohlstaude hin und fing an zu kauen.

Der Hase blinzelte aus seinem Loche und
wollte seinen Augen kaum trauen, als er den
Fuchs Kohl fressen sah. überzeugt von der
Wandlung seines Feindes kam er heraus-
Kaum war er aber in der Nähe des Fuchses,
als dieser aufsprang und den Hasen im Ge-
nick packle. „Erbarmen," wimmerte der Hase,
„Ihr verspracht mir doch ewige Freundschaft."
„Pah," antwortete der Fuchs, „Versprechen
hin. Versprechen her —könnt' ich vorher wissen,
daß Kohl so schlecht schmeckt?" P. R.

kleine Legende

Als wieder einmal, verkannt und gering,
Unser Herr auf der Erde ging,

Da kam er im schönen Bapernland
IN eine Kirche am Isarstrand.

Da sind gar viele Leute gewesen.

Und siehe, mitten im Messelesen
Stieg auf die Kanzel ein Kirchenmann
Und fing eine lärmende predigt an:

Die Konfessionsschule sei das Rechte,

Oie Simultanschule sei das Schlechte.

Dort würde der reine Glaube verspottet,

Das Ehristentum freventlich ausgerottet,

Dort würden die Kinder von Scheinpädagogen
Uiit voüer klbsicht zu Heiden erzogen,

Dort herrschten die Ketzer als Schuldespoten,
Oer Ueligionsunierricht sei dort verboten,
vrum wer in die Simultanschule geh,

Oer komm in die kjölle, etcetera p. p.

va lächelte still der kjerr und fein:

„Und der da will mein Jünger sein...?"

3nJ.ernte finden im QDafiren J/aeoß die meitefte Uerßreitung^o)

..... ,-v-v- &

Das rein weiß.e-'Licht


«
 
Annotationen