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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 36.1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.8264#0235
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9851

Die Freiheit

Amerika wird immer freier, jetzt wird es sogar — spritfrei.

Fir koveWäne rs

Ein fröhliches Wunder uns geschah.
Schmiert ein die Kehlen und ruft Hurra:
Die Bonner Borussen sind wieder da!

Sie haben in einem Inserat
Der „Kreuzzeitung" vermeldet die Tat,

Daß wieder sproßt die Borussen-Saat.

Sie hoffen, daß das Korps gedeiht
(Sind also zum Saufen und Schlagen bereit).
Und murmeln von der „schweren Zeit".

Ja, meine Herren, die Zeiten sind schwer:
Begnadende Fürsten gibt's nicht mehr —■
Nach Konnexionen ist kein Begehr.

Und wer sich der Zugentgleisung vermißt,

Wird eingesperrt zu dieser Frist, —

Auch wenn er ein Bonner Borusse ist!

~k

Daß Ex-Wilhelm neurasthenisch war, wäre nicht so schlimm ge-
wesen, wenn er nicht nibe—lungenkrank gewesen wäre.

ic

Hochwürden Erzbischof von München sprach,

Und seine Schäflcin blökten es nach:

„Die Juden und Freireligiöse»,

Das sind die Kinder des Bösen!"

Am bayerischen Katholikentag
Erwachte zum Leben mit einem Schlag
Das „fromme" Mittelalter
Mit Scheiterhaufen und Psalter.

Dem Berliner Polizeipräsidium liegen 625 Gesuche auf Genehmi-
gung neuer Kinos vor. „Au Backe," sagte ick, als ick det las. „Da
wird Berlin bald in Jroß-Filmersdorf umgedooft werden!"

Dein getreuer Säge, Schreiner.

Der böse Traum

„Was ist denn heute mit Ihnen los, Herr
Sekretär? Sie sehen mich so unsicher an; haben
Sie 'n schlechtes Gewissen?"

„Herr Rat, ich habe in der Nacht einen ent-
setzlichen Traum gehabt."

„So? Was war's denn?"

„Ich war zwischen die Kommunisten geraten,
Herr Rat, und da wurde ich beauftragt. Sie
als Reaktionär zu ermorden!"

„Ah! Sehr schmeichelhaft. Natürlich sind
Sie gleich zur Polizei gelaufen und. . ."

„Nein, ich habe Sie um die Ecke gebracht;
sonst war' ich selbst ermordet worden!"

Nach Inkrafttreten des Friedensvertrages
dürfte im Reichswappen der Reichsadler sinn-:
gemäß durch den Pleitegeier ersetzt werden-

Lieber Jacob!

Da kannste sagen, wat De willst: Krieg an-
sangen is ville leichter wie Frieden schließen.
Wenn ick so denke an de jlorreichen Julilage
von Anno vierzehn: Montag dachste noch an
janischt, un Sonnabend standste schon mit'»
Kofferl uff'l Tempelhofer Feld, während det
unabkemmliche Bierjertum vor Wilyelm'n nn
Theobald'» ihre Balkongs de Wacht am Rhein
sang un seine Bejeisterung darieber kundjab,
det et nich mitbrauchte. I» acht Dage war
de jroße Zeit komplett un der Jberjang aus
den entnervenden Friedenszustand vollzogen.
Aber so leicht wie et rinjing, so schiver is et,
wieder rauszukonimen. Det F-riedenschließen
is 'ne verflucht zeitraubende Anjelejenhcet, un

det Jeschäft hat Jahr und Dag jedauert. Aber
wat lange dauert, wird jut, un son'n Frieden,
wie wir ihm nu haben, dem hat ooch de janze
Weltjeschichte noch nich jesehen jehabt. Keen
Wunder, det de wirtschaftlichen Zustände bei
uns in.unuffhaltsames Uffbliehen bejriffen sin
un jeden Dag '» paar neie Milljonäre in't
sozialistische Dcitschland det Licht der Welt
erblicken! Bloß mit de Ernährung der jroßeu
Massen stuckert et noch 'n kleen bisken, un de
Kartoffelversorjung soll for diesen Winter lei-
der noch nich unwiderruflich jarantiert sind,
janz zu schweijen von det mangelnde Fett,
det zu de Kartoffelpuffer »eetig is. Diesel
Jenußmittel werden wir uns also woll noch
'ne Weile verkneifen un uns mit de Jenug-
tuung treesten missen, det et wenigstens de
Entente in diesen Betracht besser jetzt. Bei die
Brieder muß de diesjährije Kartoffelernte un
de Fettlebe nnjeahnte Dimensionen anjenom-
men haben. Denn wie ick in de Zeitung las-
beabsichtijen se in de Jejend von Fiume sojar
'n janzen „Pufferstaat" zu jrinden. Det is der
Jipfel, u» ick habe mir feste entschlossen,
wenn't diesen Winter bei Muttern jar zu knapp
wird, denn fahre ick nach Fiume un fresse
mir satt. Det Auslandsreisen is ja setz ver-
mittelst der Weisheit unserer Rejierung janz
erheblich erleichtert ivorben. Du brauchst keene
Jnwillijung von de Reichsbank nich mehr, son-
dern et jeniegt schon eene janz eenfache be-
jlaubigte Erklärung an det Besitzsteieramt, det
De nich beabsichtigst, pro Monat mehr wie
dreißigtausend Mark in't Ausland mitzuneh-
men oder Dir nachschicken zu lassen. Diese Er-
llärung kann ick jeden Dag mit jutes Jewissen

abjeben, un also wird ja woll meine Puffer-
fahrt nischt iin Weje stehe. Fein mit Ei!

Trotzdem sollen wir uns nich allzusehr uff
de ausländsche Hilfe verlassen, sondern ooch
allecne mit eijener Kraft vorwärts zu kommen
suchen. Wir derfen zum Beispiel nich warten,
bis de Entente unsere aktiven Mannschasts-
bestände nachzählen tut, sondern missen selber
nach dem Rechten sehen. Un wenn wir jlooben,
det die von de Rejierung anjejebenen Zahlen
nich stimmen, denn is et unsere patriotesche
Flicht, von det Podijum der Nazjonalver-
sammlung herab de Sache statistisch richtig-
zustellcn un durch dieset Verfahren ooch jleich
de Entente de Meeglichkeet zu jeden, uns mit
enerjische Maßrejelungen hilfreich unter de
Arme zu jreifen. Henke hat det Ding bei't
richtije Ende anjepackt, nn ick bejlickwinsche
ihm uffrichtig zu dem nich ausbleibenden Er-
folg seiner staatspolliteschen Weitsichtigkeet.
Aber so sehr ick ihm ooch bewundere, eens
hat mir doch befremdet: det er nämlich bei
seine Zusammenzählung der deitschen Heeres-
jruppen de Heilsarmee janz verjessen zu haben
scheint. Jedes wachsame Ooge kann bemerken,
det schon alleene bei uns in Berlin eene uni-
formierte Menge von Hallelujabriedern un
-schwestern rumlooft, die vollständig jeniejen
wirde, um Foch'n samt seine janze franzeesche
Fronte in't Mauseloch zu jagen. Ick hoffe zu-
versichtlichst, det Henke det bei nächste Je-
lejenheil nachholen un Clemenceau seine Fol-
jerungen daraus ziehen wird.

Woniit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jolthilf Rauke,

an Jörlitzer Bahnhof, jleich links.

RedakttonSschlub 30. November loiö
 
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